Eisenburg ist eine Dorftourismus-Erfolgsgeschichte: Die Gemeinde, die früher bis Mitte des 19. Jahrhunderts bessere Zeiten als Kleinstadt der Eisenwarenhersteller, -händler und Bergarbeiter erlebt hatte, entwickelte sich zur Touristenattraktion vor allem für Besucher aus Ungarn.
Dass der Ort mittlerweile zu den bekanntesten rumänischen Gemeinden zählt, in denen die Einnahmen aus dem Tourismus einen gesteigerten Lebensstandard zu sichern versprechen, hat mehrere Gründe: Der einmalige landschaftliche Rahmen - die vom Szeklerstein/Piatra Secuiului und dem Ardașcheia-Berg umschlossene Talsenke, in der Eisenburg und das zur Gemeinde gehörende Dorf Colțești/Sanktgeorgen/Torockó-Szentgyörgy liegen, wurde mit einem Garten zwischen steilen Steinmauern verglichen – bietet reizvolle Wandermöglichkeiten. Das besondere Dorfbild wird von sächsischen Zügen mitgeprägt: die Kirche mit den Ringmauern im Dorfzentrum, die geschlossene, einheitliche Reihe der weißen Häuser mit oberen Kellertüren, Doppelfenstern und Giebeln. Und nicht zuletzt die hervorragende ungarische Küche.
Über Eisenburg als touristische Sehenswürdigkeit wurde bereits ausführlich vor vier Jahren berichtet (siehe ADZ-Online vom 28. August 2016: „Ungarisches Dorf mit deutscher Architektur“), doch lohnt sich eine Aktualisierung im Corona-Jahr. Außerdem gibt es eine interessante Richtigstellung zu einem deutschen Einwanderungsmythos aus wissenschaftlicher Sicht sowie Anmerkungen über sächsische Einflüsse und den Symbolwert des Ortes für Ungarn.
Rumänische Besucher retten die Saison
Im Sommer dieses Jahres meldeten sich die Touristen in Eisenburg prompt wieder zurück, nachdem während des Pandemie-bedingten Notstandes auch dort alles zum Stillstand gekommen war. Im September galten zwar Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht in Innenräumen oder Wahrung eines Sicherheitsabstandes. Das wirkte sich vor allem auf den geselligen Teil des Aufenthaltes aus, denn die Bar des Gästehauses blieb geschlossen; zu einen unbekümmerten Plausch mit den Mitbewohnern kam es seltener. Große Reisegruppen waren nicht zu sehen. Statt Frühstücksbuffett mit Selbstbedienung wurde direkt am Tisch serviert. Trotzdem fassten viele Besucher kurzfristig den Entschluss, einige Tage im Dorf zu verbringen. Dazu trugen laut Pensionsbesitzer auch günstige Wettervorhersagen bei. Béla Demeter, einer der größten Gästehaus-Betreiber, zeigte sich zufrieden, dass das Geschäft zumindest weiterlaufen kann. Einen Unterschied gäbe es trotzdem zu den Vorjahren: Ausländer seien so gut wie keine angereist; doch die rumänischen Touristen hätten nun Eisenburg für sich entdeckt. Das gelte vor allem für Bukarester oder Familien aus dem Süden, aus der Dobrudscha und aus der Moldau, die mit ihren Pkw reisten und auch in Eisenburg einen mehr oder weniger langen Aufenthalt einlegten. In seiner Pension konnte man mit 100 Lei pro Tag außer der Übernachtung auch ein Frühstück und ein reichhaltiges Abendmahl erhalten.
Auch Studenten aus Klausenburg/Cluj-Napoca nutzen die letzten Ferientage, einige nahmen ihre Fahrräder im Zug mit und radelten die 25 Kilometer ab Straßburg am Mieresch/Aiud bis Eisenburg, wobei es auf der Strecke auch manch schöne Forststraßen zu erkunden gibt. Und wer will, kann ein Rafting-Abenteuer am Arieș-Bach, nur rund sieben Kilometer entfernt, planen. Wer bei der Buchung auf Halbpension verzichtet hatte und nur an der Übernachtung interessiert war, hatte allerdings ein Problem: Offene Gaststätten gibt es nur wenige in Eisenburg und auch dort hieß es, nur rechtzeitig angemeldete Gäste werden bedient.
Eine Fälschung als Ursprung eines Mythos
Zu den Szeklern, die in Eisenburg wahrscheinlich im 11. Jahrhundert vom ungarischen Königshaus angesiedelt wurden, kamen später auch deutsche Bergarbeiter hinzu, um die reichen Eisenerzvorkommen auszubeuten und zu verarbeiten. Dass diese angeblich aus dem oberösterreichischen Eisenwurzen stammen sollen, ist heute eher als Legende zu betrachten. Prof. Dr. Roman Sandhuber von der Johannes Kepler-Universität in Linz schreibt dazu: „Dass der Name ‘Eisenwurzen’ bereits im 13. oder gar 12. Jahrhundert gebräuchlich gewesen sei und schon damals von hier Eisenarbeiter und Fachleute in verschiedene Regionen Europas quasi als Entwicklungshelfer geholt worden seien, wird von patriotisch gestimmten Essayisten mit Bezug auf ältere wirtschaftshistorische Publikationen häufig behauptet. Die dafür als Beleg zitierte, angeblich aus dem Jahr 1291 stammende Urkunde des ungarischen Königs Andreas III. mit der Erneuerung eines vor 1241 verliehenen, in den Tatarenkriegen verloren gegangenen Privilegiums an aus der oberösterreichisch-steirischen ‘Eysenwurczel’ in das siebenbürgische Bergwerk Torockó geholte Berg- und Hüttenleute ist allerdings inzwischen als Fälschung aus den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts entlarvt, die damals in einer Kontroverse zwischen Bergleuten und Grundherren angefertigt wurde und den Kenntnisstand des 18. Jahrhunderts widergibt, als man selbstverständlich schon von Oberösterreich sprechen konnte und der Begriff Eisenwurzen bereits als Regionsbezeichnung gebräuchlich war.“ (aus „Welterbe – Österreichische Eisenstraße (-wurzen)“)
Zsigmond Jakó hatte 1974 sogar herausgefunden, wer hinter dieser Fälschung Ende des 18. Jahrhunderts steckte: ein aus dem Bergbaugebiet der Steiermark stammender Goldhändler namens Adam Hüttenmeyer. „Die Legende hatte das Ziel, den Grundherren, der Familie Thorockay, die Besitzungen in Eisenburg streitig zu machen. Der über Jahrzehnte geführte Rechtsstreit brachte dem Ort nicht die Freiheit, förderte aber das ‘sächsische Identitätsbewusstsein’, das sich in zahlreichen sächsischen Elementen, sowohl in der Baukultur, als auch in anderen Bereichen, etwa in der Volkstracht oder in der Wohnraumgestaltung äußert.“ (Máté Tamáska: „Region, Markt und Ortsbild von Eisenburg“ in Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 37, 2014). Bei den deutschen Einwanderern hätte es sich nicht um ein einmaliges Massenphänomen gehandelt, sondern um einen längeren Prozess, an dem einzelne Familien beteiligt waren, die dann auch leichter von der ungarischen Mehrheit assimiliert werden konnten.
Sächsische Einflüsse und Symbolwert in Ungarn
Geblieben sind einige deutsche Familiennamen und … einige Begriffe: der „vaior“ am Hauptplatz (kommt von „Weiher“) oder der „birgei“ als Ableitung von Berg, wo der Friedhof gelegen ist und wo die Toten noch, einmalig im Land, in Felsgruben bestattet werden. Sächsische Einflüsse kamen durch die regen Handelsbeziehungen mit Städten wie Kronstadt/Brașov, Schässburg/Sighișoara, Hermannstadt/Sibiu oder Bistritz/Bistrița zustande. Sächsische Möbel und Trachten wurden übernommen, oft auch als Gegenwert für die Eisenware. Mehr kann man im Volkskundemuseum im Rathaus der Gemeinde von Agnes Lassel erfahren.
Eisenburg hat mit der Zeit einen besonderen Symbolwert in Ungarn erhalten: Es ist eines der wichtigsten Zentren des unitarischen Glaubens, der Geburtsort des Gelehrten Sámuel Brassai. Dort gab es auch ein sehr geschätztes Kollegium, wo unter anderem János Kriza und George Barițiu studiert haben. Eisenburg unterstützte von Anfang an die ungarische Revolution von 1848. Als 1870 ein verheerender Brand den Hauptplatz zerstörte, wurde in Ungarn eine großangelegte Hilfskampagne gestartet. Der Schriftsteller Jókai Mór besichtigte Eisenburg 1876 und setzte dem Ort und seinen Einwohnern in „Die nur einmal lieben“ (ungarischer Originaltitel „Egy az isten“) ein literarisches Denkmal.
So ist es auch nichts Außergewöhnliches, dass aus Ungarn Unterstützung für die Häuserrenovierung kam und dass dieser Ort mit seiner malerischen Umgebung und seinen volkskundlichen Eigenheiten ein beliebtes Reiseziel darstellt.