Die Rax – wild, aber erschlossen

Einmaliges Bergparadies zwischen  Niederösterreich und Steiermark

Berggasthof Fotos: Mag. Ignazius Schmid

Blick auf den Abstieg von der Rax durch den Thörl-Weg

Der Berggasthof bietet viele Sitzplätze im Freien.

Eine der gemütlichen Gaststuben

Himmelschlüssel

Aus der Entfernung betrachtet ist die Rax ein langgestrecktes Plateau, dessen steile Felswände aus den Tälern emporsteigen – sie mag dadurch manchen wie eine Art „niederösterreichischer Tafelberg“ erscheinen. So eine glatte Tafel ist sie jedoch nicht, wie beim Näherkommen ersichtlich. Tiefe Gräben, Löcher und Klüfte tun sich auf, und anhand des Kalkgesteins von „Verkarstung“ zu reden ist naheliegend. Namen wie Höllental oder Teufelsbadstube lassen ahnen, was einen erwartet. 

Im Süden Niederösterreichs ist die Rax mit dem ein wenig höheren Schneeberg und dem ein wenig niedrigeren Semmering ein Gebirgsland, das – bildlich gesprochen – die Muskeln spielen lässt, bevor es die nächsten Probleme des Hochgebirges der Steiermark überlässt. Die Schwarza hat es übernommen, sich zwischen den Gebirgszügen durchzubeißen und die Trennung von Schneeberg und Rax – Semmering herzustellen, bevor sie mit der Pitten zusammen die Leitha bildet, in die Donau und schließlich ins Schwarze Meer mün-det. Normalerweise ist die Schwarza ein munterer Gebirgsfluss, aber in Zeiten des Hochwassers kann sie zur rasenden Megäre werden.

Die Rax und der Tourismus

Im Vergleich zu Schneeberg und Semmering hat sich der Tourismus relativ spät der Rax zugewandt: zu halsbrecherisch waren die Steige und Pfade. Die Berge wurden als Feinde des Menschen angesehen und sie waren ihnen unheimlich. Zu den Ersten, die sich im 19. Jahrhundert in die Rax wagten, gehörten die Habsburger. Erzherzog Johann etwa ließ Jagdsteige anlegen, etwas später machten erfolgreiche Bergsteiger Pfade ausfindig, die aber ihrer Gefährlichkeit wegen noch keinen Massensport auslösten. Auch heute noch gibt es immer wieder tödliche Unfälle im Gebiet des felsdurchsetzten steilen Geländes Schneeberg – Rax. Die Gefahren wurden ganz erheblich entschärft durch die Raxseilbahn. Ist man erst einmal oben auf dem Plateau, lässt es sich eine große Strecke relativ gemütlich vorwärts wandern. Über den Semmering schuf Carl Ritter von Ghegas Genie mit Tunneln und Viadukten 1854 die Verbindung in die Steiermark. Die Schneebergzahnradbahn führte in weit ausholenden Kurven seit 1897 hinauf auf den Schneeberg. Aber auf die Rax war weder eine Adhäsionsbahn noch eine Zahnradbahn möglich, einzig mit einer Seilbahn konnte man über fast senkrechte Wände auf das Plateau kommen – aber die musste erst einmal erfunden werden. Seile gab es ja schon tausende von Jahren, aber es waren Hanfseile und als solche für eine Seilbahn denkbar ungeeignet. Stählerne Seile, die aus mehreren Drähten zu Litzen und aus mehreren Litzen zu dickeren Drahtseilen verbunden wurden, dienten zunächst nur zum Materialtransport. 

Viele Mitarbeiter bei der Seilbahn

Auf der Rax gab es schon lang einige Hütten und Häuser, das Karl-Ludwig-Haus – die erste Hütte von 1876 –, das Erzherzog-Otto-Haus seit 1893, das Habsburghaus seit 1899… Wenn man dort hinwollte, musste man auf die Rax entweder stundenlang hinaufklettern oder reiten oder fahren – mit einem zweirädrigen, „Fauteuil-Alpenwagen“ für eine Person, von einem Gebirgspferd gezogen. Strapaziös, langwierig und gefährlich war alles, Seilbahn gab es noch lange keine. Es mehrten sich die Stimmen, man möge doch die Rax wie den Schneeberg mit einer Bahn erschließen. Die Anregung, eine Seilschwebebahn auf die Rax zu führen, kam von Camillo Kronich, dem jahrzehntelangen Hüttenwirt des Ottohauses, dem die Erschließung der Rax eine Lebensaufgabe war. Gegner wandten vor allem ein, dass mit dem Projekt ein Massenansturm auf die Rax erfolgen würde und damit das Quellgebiet der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung gefährdet wäre. Nachdem alle Probleme besprochen und ausgeräumt waren, wurde für den Bau der Bahn die Österreichische Bergbahnen AG gegründet und man begann 1925 mit 150 Männern und Frauen mit dem Bau einer Materialbahn. Die renommierte Seilbahnbaufirma Bleichert aus Dresden baute die Seilbahn nach dem System „ein Tragseil, ein Zugseil, ein Hilfsseil“ (nach Bleichert-Zuegg). Die Personenseilbahn auf die Rax überwindet auf 2160 Metern Länge eine Höhendifferenz von 1018 Metern. Von der staunenden Bevölkerung als „Mittelding zwischen Flugzeug und Omnibus“ bezeichnet, wurde sie am 9. Juni 1926 unter Bundespräsident Dr. Michael Hainisch eröffnet. 

Privater Unternehmer übernimmt

Nachdem die Österreichi-sche Bergbahnen AG – mit 17 Angestellten und einem Generaldirektor, mit der Zentrale in Wiens bester Lage – die Seilbahn in tiefrote Zahlen heruntergewirtschaftet hatte und sie knapp vor der Schließung stand, übernahm sie Fritz Scharfegger mit zwei Millionen Schilling Schulden. Der Touristiker Fritz Scharfegger war mit seiner Frau Grete 1970 aus der Steiermark nach Niederösterreich gekommen, um in Prein an der Rax den Kaiserhof und das Tanzlokal Preiner Stadl zu übernehmen – fünf Jahre später den Berggasthof Rax und die Seilbahn gleich dazu, die damit die einzige private Seilbahn Österreichs wurde. 1983 kaufte er die Anteile der Gesellschaft. Sohn Bernd wurde am 3. Juni 1983 geboren, besuchte die Tourismusfachschule in Neunkirchen und ist heute ebenso erfolgreich wie sein Vater. Man hat den Eindruck, wenn ein Betrieb in der Gegend finanziell wackelt, wird er den Scharf-eggers zur Pacht oder zum Kauf angeboten. Wie auch immer, heute gehören zu Scharfeggers Raxalpen-Ressort nach wie vor der Kaiserhof und das Preiner-Stadl-Tanzlokal, der Raxalpenhof, die Raxseilbahn, die Talsta-tion und der Raxalm-Berggasthof, das Café-Restaurant Reichenau, das Restaurant am Wasserwerk, Park ’n’ Camp unweit der Talsta-tion, das Raxalpen-Tourismusbüro und das Ottohaus mit dem Alpengarten. Sohn Bernd sagt rückblickend: „Das alles war nur möglich mit gesundem Wachstum und Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen“; man könnte auch sagen: mit Können, Fleiß und Hausverstand. Wenn man auf der Bergstation aus der Gondel steigt, erwartet einen schon der Raxalm-Berggasthof. In einer der gemütlichen Gaststuben eine Mahlzeit einzunehmen oder auf der großen Terrasse eine Erfrischung, den phänomenalen Ausblick und die würzige Luft zu genießen – es ist Vergnügen und Erholung pur. Es ist Bernd Scharfeggers großes Anliegen, nachhaltig zu wirtschaften, die Natur zu schützen und die Besucher zu einem respektvollen Umgang mit dem Berg anzuhalten. Der wirtschaftliche Erfolg dankt ihm sein idealistisches Bemühen. 

Das Erzherzog-Otto-Haus

Dem Wanderfreudigen steht nach einem halbstündigen leichten Fußmarsch über das weitläufige Plateau das Erzherzog-Otto-Haus offen. Es ist das der Bergstation zunächst gelegene Haus und deshalb wohl das allgemein bekannteste: 1893 auf 1644 Meter Höhe unter Emil Hatlanek eröffnet, schon 1909 wegen starker Frequentierung erweitert. Das Ottohaus hat nicht nur eine wunderbare Lage, es hat auch eine bemerkenswerte Geschichte. Dr. Sigmund Freud wohnte viele Sommer in Reichenau und ging mehrmals in der Woche über den Törlweg auf die Rax und zum Ottohaus. Dort begegnete er der 18-jährigen Wirtstochter Aurelia Kronich, die an schweren gesundheitlichen Störungen litt. Wie beim ersten psychiatrischen Gespräch zutage kam, wurde sie von ihrem Vater sexuell missbraucht. Freud konnte ihr helfen, und später heiratete sie und bekam sechs Kinder. Der Fall erhielt anonymisiert als „Fall Katharina“ Weltberühmtheit. Gertrude Kronich warf ihren Mann Julius aus dem Haus und der erst 17-jährige Sohn, Aurelias Bruder Camillo, übernahm die Betriebsführung. Er wurde ein hervorragender Förderer der Raxseilbahn und Erschließer der Raxalpe. 

Dieses einmal geschaffene Bergparadies zu erhalten bedarf unermüdlichen Einsatzes und guter Zusammenarbeit von vielen Unternehmern und Mitarbeitern. Hunderttausende Besucher der Rax wissen es zu danken.