Die Zierkunst des Westens und Ostens erkunden

Führung durch zwei neue Dauerausstellungen des Bukarester Kunstmuseums

Bräuche und Etikette der japanischen Frauen (Ausschnitt, 1890, Japan). Polychromer Holzschnitt von Toyohara Chikanobu | Fotos: die Verfasserin

Ein besonderer Behälter mit Henkeln in Form der europäischen mythologischen Wasserfee Melusine (17. Jh., Niederlande), Hersteller: Willem van der Kool. Delft-Keramik mit weißer Zinnglasur und Malerei in Kobaltblau

Brautbecher (19. Jh.), deutsche Manufaktur Hanau, Schmied: Ludwig Neresheimer. Gegossenes, teilweise vergoldetes Silber

Vase mit Vögeln und Drachen (18. Jh., China). Geschnitzte Jade auf Holzstütze, Qing-Dynastie, Qianlong-Zeit

Dieses Jahr hat das Nationale Kunstmuseum MNAR an seinem Hauptsitz im Königlichen Palast an der Bukarester Calea Victoriei Nr. 49-53 gleich zwei neue Dauerausstellungen eröffnet und damit seinen Besuchern doppelte Freude bereitet. Der Flügel für europäische Kunst beherbergt seit Jahresanfang eine neue Galerie, gewidmet der europäischen dekorativen Kunst im dritten Stockwerk, und nun seit Ende November auch eine Galerie orientalischer Zierkunst.

Galerie für europäische Zierkunst

Die Galerie für europäische dekorative Kunst erstreckt sich auf insgesamt sechs Räume und beherbergt eine beeindruckende Sammlung von ungefähr 400 Stücken dekorativer Gegenstände aus  Keramik, Glas und Metall sowie Möbelstücke und Wandteppiche, welche einen Überblick über die Geschichte des westlichen Geschmacks und die Raffinesse, die Innovationen, die berühmtesten Manufakturen und Hersteller aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Russland, der Schweiz, Spanien, Russland und Tschechien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert vermittelt.  

Sobald man den ersten Raum betritt, wird man von der kniffligen Detailliertheit eines barocken, mit Intarsien aus buntem Marmor, Halbedelsteinen und Perlmutt verzierten Tisches italienischer Manufaktur aus dem 18. Jahrhundert überwältigt. Dessen Platte ruht auf den Köpfen goldfarbener Nixen-Gestalten. Gegenüber auf einem Wandteppich aus Wolle und Seide, hergestellt in Brüssel, im 16. Jahrhundert, ist eine prächtige königliche Jagdszene dargestellt.

Hinter Schaufenstern sind an den Wänden Gruppen von Keramikbehältern, -vasen und -tellern je nach ihrem jeweiligen Herkunftsland aufgereiht. Vertreten sind dabei niederländische Delft-Tonwaren aus dem 17. Jahrhundert, worauf chinesische Dekorationsmuster und Alltagsszenen – mal monochrom in blau, mal in blau-rot-grün – auf weißem, zinnglasiertem Hintergrund nachgebildet sind; Apothekenbehälter mit allegorischen Szenen, pflanzlicher Verzierung oder tierförmigen Henkeln in blau-gelb-grün oder nur Kobaltblau, ebenfalls auf weißer Zinnglasur als Beispiel italienischer Majolika-Keramik, sowie spanische Tonteller mit kupferrot schimmernder Luster- oder Metallglasur.

Porträts auf allen Oberflächen

Eine halbe Wand besetzt im zweiten Raum eine Sammlung von Miniaturporträts adliger Persönlichkeiten, darunter König Friedrich der Große von Preußen, Königin Marie-Antoinette von Frankreich und Kaiserin Katharina die Große von Russland, in Wasserfarben und Gouache auf Elfenbein. Auch mittels Flachreliefs auf Sandsteinwaren abgebildete wichtige Persönlichkeiten sind Teil der Sammlung: ein belgischer Weinkrug aus 1604 mit dem Bildnis des Kaisers Rudolf II. des Heiligen Römischen Reiches und ein mit den Figuren der 12 Aposteln gezierter Bierkrug deutscher Manufaktur aus dem 18. Jahrhundert, beide mit Salz glasiert und einer orangenschalenartigen Textur. 

Prunkstücke

Unter den Prunkstücken der Ausstellung müssen wohl die beiden monumentalen dekorativen Porzellanvasen im kennzeichnenden Kobaltblau und Gold der französischen Manufaktur Sèvres mit dem Bild des reitenden Königs Louis Philippe und seinem Monogramm sein. Außerdem erkennt man die technische Meisterschaft und künstlerische Feinheit auch an zwei Kerzenständern in Menschengröße und einer reichlich mit dreidimensionalen Blumen aller Art gezierten Blumenvase, alle aus handgefertigtem und -gemaltem Porzellan, entstanden in der deutschen Porzellan-Manufaktur Meissen.

Bewunderung erregen außerdem ein französischer, im Napoleon III.-Stil reich mit Blumen und Papageien bemalter Wandtisch aus ebonisiertem Birnbaumholz mit Spiegel und ein französischer Tafelaufsatz aus gegossenem, geritztem Silber, der eine Miniaturterrasse, versehen mit Treppen, Geländern, zwei Sphinx-Statuen und zwei Lauben mit Kerzenständern verkörpert.

Die eiförmigen Schmuckkästen des russischen Meisterjuweliers Peter Carl Fabergé sind allen bereits bekannt, aber eine von ihm entworfene Punsch-Schüssel mit Kelle aus gegossenem Silber, besetzt mit Amethyst- und Opalcabochons sieht man nicht alle Tage. In der russischen Ecke können noch feine Teesets in silberner Filigranarbeit, gefüllt mit buntem Emaillelack in der Cloisonné-Technik bewundert werden. Daneben, im deutschen Bereich, lenkt ein in Hanau angefertigter Brautbecher die Aufmerksamkeit ganz auf sich und auf die Geschicktheit des Meisters Ludwig Neresheimer.

Uhrensammlung

Nicht zuletzt bietet das Museum eine kleine Uhrensammlung. Sie umfasst Kamin-, Tisch- und Reiseuhren französischer und englischer Manufaktur aus Bronze, Porzellan, Holz beziehungsweise Silber sowie goldene, mit Diamanten besetzte oder Emaillelack verzierte Taschenuhren, die meisten schweizerischer oder französischer Manufaktur.

Und ganz am Ende darf man zwei Prachtstücke nicht verpassen: die kleinen Kästen aus Gold, besetzt mit Diamanten, mit den Monogrammen des französischen Kaisers Napoleon III. und des österreichischen Kaisers Franz Josef.

Neue Galerie orientalischer Zierkunst

Schreitet man weiter zur nebenan gelegenen, bereits eröffneten neuen Galerie orientalischer Zierkunst, um die Feinfühligkeit und das künstlerische Schaffen des Nahen und Fernen Ostens zu erkunden, entdeckt man dabei auch die Quellen der asiatischen Einflüsse auf die europäische Kunst. Der Bestand umfasst knapp 600 Exponate aus Aserbaidschan, Ägypten, Bulgarien, China, Dagestan, Griechenland, Indien, Iran, Japan, Syrien, der Türkei, Turkmenistan und Usbekistan.

Kunst der Kalligrafie und des Tauschierens

In dem Raum, gewidmet der islamischen Kunst werden Stücke aus dem 7. bis 20. Jahrhundert ausgestellt, die die gegenseitige Beeinflussung künstlerischer Praktiken wie die epigrafische Dekoration und den Wechsel zwischen pflanzlichen Arabesken und geometrischen Pflanzenelementen offenbaren. Islamische Kunstwerke spiegeln das Vorhandensein gemeinsamer Merkmale in Bezug auf die künstlerische Konzeption und das Repertoire an dekorativen Motiven sowohl in sakralen als auch in weltlichen Kunstobjekten wider: Teppiche, Kostüme, Stickereien, Keramik, Metallgegenstände, Waffen und Rüstungen. Regionale Besonderheiten dabei sind die mit hellen Oxidfarben unter der durchsichtigen Bleiglasur bemalten Keramikgegenstände, die einmalige weltberühmte türkisblaue Glasur, hergestellt aus einer besonderen Art von Kupferoxid, das aus den alkalischen Böden des Nahen Ostens stammt, die Kunst der islamischen Kalligrafie, die Verzierung von Metallobjekten mit feiner Filigranarbeit oder die gravierten und mit Gold tauschierten oder damaszierten oder sogar mit Halb- und Edelsteinen besetzten Schilder, Helme und Waffen.

Weibliche japanische Etikette

In der Abteilung für japanische Kunst sind künstlerische Stücke aus dem 17. bis zum 20. Jahrhundert, aus der Edo-, Meiji- und Taisho-Zeit zu sehen: Gemälde auf Seide und Papier, Skulpturen, Bronzegefäße, Keramik und Porzellan, Elfenbeinstücke neben der berühmten Tosei-Gusoku-Samurai-Rüstung und scharfen Katana-Schwerten. 

Der polychrome Holzschnitt, eine der bedeutendsten Kunstschöpfungen der Edo-Zeit, wird durch wichtige Werke von Meistern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts vertreten. Ganz am Ende dieses Abschnitts darf das einzigartige Bauwerk im Land, der in Vollgröße nachgebaute Teezeremonienraum, nicht verpasst werden. Darauf wird man durch etliche feine Holzschnitte vorbereitet, die Innenansichten aus traditionellen japanischen Wohnungen, die Teezeremonie, die Zärtlichkeit japanischer Frauen und ihres eleganten Zeitvertreibs, insbesondere das Lesen oder Ikebana, die Kunst der Blumenarrangements, illustrieren.

Zarte chinesische Detailliertheit

Im Kunstsaal Chinas werden herausragende Werke tausendjähriger Kulturtraditionen präsentiert, die einen Überblick über die Entwicklung der Kunstgattungen vom Ende der Ming-Dynastie (1368-1644) und der Qing-Dynastie (1644-1912) bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geben. Die Auswahl an Gemälden, Skulpturen, Textilien sowie Keramik-, Porzellan-, Jade-, Cloisonné- und Lackarbeiten veranschaulicht die verschiedenen Stilrichtungen der Hof- und Volkskunst. Insbesondere muss dabei die bis heute unübertroffene Geschicktheit und Geduld der chinesischen Handwerker und Künstler hervorgehoben werden, sie spiegelt sich in den ausgestellten Elfenbein-, Porzellan-, Koralle- und Halbedelsteinskulpturen wieder, welche komplexe Miniaturen von Landschaften, Alltagsszenen, Götterbilder oder zarte Blumenarrangements bis ins kleinste Detail darstellen. 

Erfüllt von der Schönheit der östlichen und westlichen Zierkunst verlässt man das Kunstmuseum fast schwebend. Die aufmerksamen Blicke des chinesischen überdimensionalen Pekinesen-Statuenpaares aus Bronze, welches die beiden Galerien für dekorative Kunst bewacht, begleiten bis zum Ausgang.