Geheimer Garten auf Siebenbürgisch

In sattem Grün lädt die Kleinschenker Kirchenburgenanlage zum Verweilen ein

Malerische Atmosphäre innerhalb der Ringmauer

Die Kleinschenker Kirchenburg

Einzigartiges Ambiente im Speisesaal der Alten Schule

Zwischen den Büchern der Bibliothek lässt es sich träumen. Fotos: Aurelia Brecht

Am Alt, am Südrand des Königsbodens, liegt das Dorf Kleinschenk/Cincșor: Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist dort auf außergewöhnliche Weise allgegenwärtig. Das Besondere? Hier ist der Dreiklang aus Kirche, Schule, Pfarrhaus, wie er typisch für die siebenbürgisch-sächsischen Dörfer war, noch ganzheitlich erlebbar: Carmen Schuster und Michael Lisske haben im Ort mit ihren Gästehäusern eine besondere Ruheoase geschaffen. Gäste können hier Geschichte atmen, ausruhen, zu sich kommen.

Aber nicht nur Ruhe ist angesagt: Eine Stunde von Schäßburg/Sighișoara, Mediasch, Kronstadt/Brașov und Hermannstadt/Sibiu entfernt, ist das Dorf besonders günstig gelegen für Erkundungen und Wanderungen. Seit 2014 ist die Kirchenburg wieder zugänglich; die Gästezimmer konnten 2016 eröffnet werden. Im Dorf leben noch sieben evangelische Gemeindemitglieder. In den letzten Jahren ist es internationaler geworden; auch viele Auswärtige haben sich Häuser gekauft. Wer hier verweilt, bekommt einen guten Überblick über die Struktur eines sächsischen Dorfes. Eine Führung durch die Kirchenburg mit Schnellkurs in siebenbürgischer Geschichte gibt es außerdem mit dazu.

Ein malerisches Paradies – die Gästehäuser 

Sonnenblumen, Weinranken, ausgedehnte Grünflächen, Gemüsegärten. Hunde und Katzen verstehen sich prächtig und liegen sonnenfaul auf den Wiesen. Es sind vor allen Dingen die vielen kleinen Rückzugsorte mitten im Grünen, die den Aufenthalt in den Gästehäusern besonders machen. In mehreren alten Gebäuden – insgesamt 19 Zimmer, darunter ein Apartment – kann man übernachten. Von urig dunkel bis lichtdurchflutet steht für jeden Charakter und jeden Gemütszustand ein Zimmer zur Auswahl. Die ganz eigene Sprache der historischen Räumlichkeiten findet ihren Niederschlag in der authentischen Innenraumgestaltung.

Das Herzstück der Gästehaus-Anlage ist die Alte Schule: Im Jahr 1910 erbaut durch den bekannten siebenbürgischen Architekten Fritz Balthes, kann man an dem Gebäude mit seinen weitläufigen Räumen, den riesigen Fenstern und der lichterfüllten Bibliothek Jugendstil-Elemente entdecken. Auch das Türmchen, in dem früher die Schulglocke hing, ist noch erhalten. Hohe Bücherwände, Kerzenleuchter, ein Klavier, ein Kamin: Im ehemaligen Schulzimmer befindet sich heute die Bibliothek, in der die Gäste arbeiten, lesen, sich austauschen können. Der Raum bietet eine besondere Atmosphäre, in der man die Gedanken kreisen lassen, mit anderen Gästen ins Gespräch kommen, Wein trinken kann. Ein bisschen erinnert der Raum an das Gemälde „Der Bücherwurm“ von Carl Spitzweg. Hier finden auch Seminare und Workshops statt.

Auch das der Alten Schule gegenüberliegende Pfarrhaus, das Bauernhaus und das „Frankhaus“ laden mit ihren gemütlichen Zimmern zur Erholung ein. Zwischen Fachwerkbalken, siebenbürgisch-sächsischen Haussprüchen und Lavendelzweigen kann man sich geborgen fühlen.

Rustikale Gourmet-Gastronomie 

Das Frühstück wird im Sommer draußen in der Scheune serviert; das dreigängige Mittag- und Abendessen nehmen die Gäste im Speisesaal und der Bibliothek der Alten Schule ein. Wer in Kleinschenk übernachtet, wird exquisit versorgt. Das Angebot ist regional und saisonal: Der Koch Adrian Boscu bereitet gemeinsam mit seinen beiden Mitarbeiterinnen täglich frische Speisen zu, wobei er darauf achtet, dass alles verwendet wird und möglichst wenig Abfall entsteht. Ob sächsisch, rumänisch, oder ungarisch – hier fließen die Geschmäcker zusammen. Traditionelle Rezepte, variiert und modern angepasst: So entsteht etwas ganz eigenes, passend zum Ort und seinem besonderen Flair.

Lindenumrankt und wolkenumwogen – die Kirchenburg

Ein Spaziergang um und in die pittoreske Kirchenburg mit ihren Fachwerkaufbauten darf bei diesem Aufenthalt nicht fehlen. Die Burg der ehemals kleinsten Gemeinde des Schenker Stuhls konnte 2014 nach Restaurierungsarbeiten wieder eröffnet werden. Auch heute umfängt sie die Besucher in einer Atmosphäre der Geborgenheit – alte Bäume und ein verwunschener Garten prägen das Innere der Ringmauer. Früher bot die Anlage mit ihren Wohnkammern aus Holz Schutz für etwa 500 Menschen. Die Mauern haben noch ihre ursprüngliche Höhe; auch alle Türme der Burg sind erhalten. Die traditionelle sächsische Dorfkirche stammt aus dem 14. Jahrhundert; hier ist eine Metz-Orgel aus dem Jahr 1805 zu sehen, die von der Orgelwerkstatt in Honigberg/Hărman restauriert werden konnte.

Die alten Dorf-Musikinstrumente hängen im Altarraum der Kirche und erinnern an die Musikgeschichte des Dorfes. In der Sakristei ist eine kleine Sonderausstellung zu sehen: Mehrere Kirchengegenstände, Abendmahlsgeschirr aus Zinn, Kelche, eine Taufwasserschale aus dem 18. Jahrhundert. Auch ein kleines Musikarchiv ist in Kleinschenk erhalten: Alte handschriftliche Kopien von Noten lagern hier. Nach wie vor findet alle drei Wochen ein Gottesdienst in der Kirche statt.

Kunst, Kultur und mehr

Die Liebe liegt im Detail. Das beweist nicht nur die Herrichtung der Gästezimmer, sondern auch das ganzheitliche Konzept, in das sich die Gesamtanlage einpasst: Zum Konzept der „Kulturkirche“ gehören Kunstausstellungen und Konzertabende. So treten ab und an auch Chöre aus dem Ausland auf.

Unter dem Motto „Kunst in der Kirche“ stellt derzeit die Malerin Edda Wittenberger aus Deutschland ihre Gemälde aus. Aber auch sonst bemüht sich das Ehepaar Schuster/Lisske darum, Kunst in der Kleinschenker Kirche zu zeigen: So verwandeln sich die Gästehäuser einmal im Jahr zur Künstlerresidenz. Zehn bis zwölf Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt lassen sich durch die Umgebung im Dorf inspirieren und fertigen Kunst an, die anschließend in der Kirche ausgestellt wird. Zum sechsten Mal findet das Projekt in diesem Jahr statt: Ende September treffen sich wieder Künstlerinnen und Künstler in Kleinschenk; diesmal aus Russland, Australien, USA, Deutschland Rumänien und Norwegen.

Sehenswertes in der Region

Wer glaubt, in Kleinschenk sei man am Ende der Welt angelangt, irrt: Besonders Kirchenburgenliebhaber kommen auf ihre Kosten, denn von hier aus lassen sich zahlreiche von ihnen erkunden. Gleich nebenan liegt die Kirche von Großschenk/Cincu, die in den letzten Jahren renoviert wurde. Auch Reichesdorf/Richiș oder Meschen/Moșna, Hetzeldorf/Ațel mit seiner gotischen Kirche, Eibesdorf/Ighișu Nou mit seinen freigelegten Fresken, das vor kurzem renovierte Kirtsch/Curciu, Bogeschdorf/Băgaciu, Wurmloch/Valea Viilor, das auch UNESCO-Welterbe ist, oder Martinsberg/Șomartin lassen sich von hier aus besichtigen. Auch die Zisterzienserabtei Kerz/Cârța kann man mit dem Auto in etwa einer halben Stunde erreichen. Die Fogarascher Burg ist auch nicht weit weg. Auch Wanderungen in die Berge oder nach Großschenk, Gürteln/Gherdeal oder Braller/Bruiu bieten sich von hier aus an.


Der Verein Contrafort Pro Kleinschenk/Cincșor kümmert sich um den Erhalt der Kirchenburg in Kleinschenk.
Webseite der Gästehäuser: transilvania-cincsor.ro