Als Sonneninsel wird die Ostseeinsel Usedom von den Tourismuswerbern gern bezeichnet. Die meisten Gäste kommen naturgemäß im Sommer zum Badeurlaub. Doch Sonnenstunden gibt es auch im Winter, ebenso wie Urlauber, die die kilometerlangen Sandstrände zum Spazieren nutzen, auf einem der zahlreichen Radwege radeln oder sich in einer Therme mit Meereszugang verwöhnen lassen.
Eigentlich ist der Winter recht ruhig auf Deutschlands zweitgrößter Ostseeinsel. Hoteliers und Pensionsbetreiber locken in den Monaten von November bis April mit besonders günstigen Angeboten. Einmal ist auch im Winter Hochsaison auf Usedom. Dann, wenn zwischen Weihnachten und Silvester viele Gäste aus dem 240 Kilometer entfernten Berlin oder aus Sachsen (wie schon zu DDR-Zeiten) an die Küste streben. In diesen Tagen sind, wie im Sommer, die Unterkünfte ausgebucht, die Zufahrtswege über die Hansestadt Wolgast im Norden oder die Zecheriner Brücke im Süden von Autoschlangen verstopft.
Mondäne Kaiserbäder
Die meisten Urlauber zieht es in eines der Seebäder entlang der Ostseeküste. Von den weniger noblen Orten wie Zinnowitz, Zempin oder Koserow geht es bis zu den berühmten, mondänen Kaiserbädern Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Warum Kaiserbäder? Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine direkte Bahnlinie von Berlin bis Usedom eröffnet. Dies zog nicht nur das vornehme Bürgertum und den Adel an, sondern auch zahlreiche Künstler und Schriftsteller wie die Brüder Mann, Leo Tolstoi oder Lyonel Feininger. Auch Kaiser Wilhelm I. und seine Nachfolger sollen in den Osteeorten geweilt haben.
Diese blühten während der Gründerjahre ab 1871 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf. Vor allem in den genannten Orten sowie dem heute zu Polen gehörenden Swinemünde entstanden prachtvolle Villen im Stil des Klassizismus, Historismus und Jugendstil – heute auch als Bäderarchitektur bezeichnet. Sie beeindrucken mit großzügigen Freitreppen, edlen Marmorsäulen und mit Ornamenten verzierten Fassaden. Die überwiegend in Weiß und zarten Pastelltönen gestrichenen Gebäude bilden einen wunderbaren Kontrast zum Blau der See. Während die baulichen Ensembles in den deutschen Ostseebädern in Gänze erhalten und mittlerweile vorbildlich restauriert sind, ging die Bäderarchitektur in Swinemünde bei Bombenangriffen im Jahr 1945 verloren.
Erleben lässt sich diese einmalige Architektur bei einem Spaziergang entlang der rund acht Kilometer langen Strandpromenade, die Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck miteinander verbindet. Attraktion der Orte sind die Seebrücken. Die mehrere hundert Meter langen Stahl-Holz-Konstruktionen dienen Ausflugsschiffen zum Anlegen und Urlaubern zum Flanieren. In Ahlbeck findet sich gar die älteste Seebrücke Deutschlands. Über dem Strand wurde bereits 1882 eine hölzerne Plattform mit Restaurant und Bühne errichtet. Im Jahr 1898 kam ein 280 Meter langer Seesteg hinzu.
42 Kilometer Sandstrand
Entlang der 42 Kilometer langen Küste zieht sich ein durchschnittlich 40 Meter breiter Sandstrand. Wo im Sommer die Badegäste liegen, stapfen im Winter viele Wanderer durch den tiefen Boden. Wenn es das Wetter gut meint, erlebt man Tage, an denen sich die Ostsee glatt wie ein Spiegel präsentiert. In richtigen Wintern können Besucher ein bizarres Eisschauspiel erleben, wenn Wasser auf dem Strand gefriert oder weiße Eisornamente die Wellenbrecher verzieren. In manch strengem Winter mit mehrwöchigen Frostperioden kann sogar die Ostsee zufrieren. Liegt dann auch noch Schnee, kann man sogar Skifahrer am Strand beobachten.
Wohl ist Usedoms Seeseite bekannter, aber auch die stark gegliederte Küste des Achterwassers hat ihre Reize. Das Achterwasser ist eine vom Peenestrom gespeiste Lagune der Ostsee. An der schmalsten Stelle trennt eine nur 300 Meter breite Landbrücke das Achterwasser vom Meer. Beliebt ist das Achterwasser in der warmen Jahreszeit vor allem bei Surfern und Seglern. Im Winter bieten sich Wanderungen durch das wald- und seenreiche so genannte Achterland an. In die hügelige Landschaft eingesprenkelt liegen kleine Dörfer – vereinzelt findet man noch die traditionellen reetgedeckten Häuser. Manche erinnern mit ihren Schlössern, wie etwa in Mellenthin oder Stolpe – an die grundherrschaftliche Vergangenheit. Auf manchem Hügel thront eine historische Windmühle und erinnert an Zeiten, als die Menschen noch sehr einfache Landwirtschaft betrieben.
Raketentechnik und Krieg
Hügel prägen auch die Landschaft im nordwestlichen Teil von Usedom, der deswegen auch schon mal als Usedomer Schweiz bezeichnet wird. Hier, etwas abseits der Seebäder, befand sich einst die Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Die Nationalsozialisten trieben auf dem 25 Quadratkilometer großen Areal die Entwicklung der Raketentechnik voran. Die Ambivalenz der Nutzung modernster Technologie wird in Peenemünde deutlich wie an kaum einem anderen Ort, heißt es auf der Internetseite des Historisch-Technischen Museums Peenemünde.Wie wahr: So war die Versuchsanstalt zwischen 1936 und 1945 zwar eines der seinerzeit modernsten Technologiezentren weltweit in der Raketentechnik. 1942 gelang in Peenemünde der erste Start einer Rakete ins All. Gleichzeitig dienten die Forschungen der Kriegspolitik der Nazis. Die hier entwickelten Raketen V1 und V2 sorgten vor allem in England für Tod und Zerstörung. Über die Geschichte der Versuchsanstalt können sich Besucher im 5000 Quadratmeter großen Museum sowie auf einem Rundweg über das Areal informieren.
Informativ ist auch ein Besuch des Gesteingartens Usedom in Neu Pudagla. Die hier in einer Freiluftausstellung zusammengestellten 140 Steine bieten einen kleinen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Insel. Diese entstand Ende der letzten Eiszeit vor etwa 15.000 Jahren. Gletscherzungen stauchten Erde zu einem Wall auf, der den Kern der Insel bildet. Drumherum lagerte sich mit der Zeit Schwemmsand an und formte die heutige Insel. Mit dem Eis wurden aus Skandinavien allerlei Geröll und Gestein transportiert, dass beim Schmelzen des Eises einfach auf den Grund sank und fern der Ursprungsgegend liegen blieb. Diese sogenannten Findlinge sind teilweise tonnenschwer. Das größte Exemplar im Gesteinsgarten etwa wiegt stolze 8,5 Tonnen. Rund um den vom Forstamt Neu Pudagla betriebenen Gesteinsgarten führen verschiedene Lehrpfade durch Wälder und an Seen vorbei.
Apropos Eiszeit: Der eben erwähnte Wall türmt sich zur Seeseite bei dem Ort Koserow zu einer recht eindrucksvollen Steilküste. Der dortige 56 Meter hohe Streckelsberg ist die zweithöchste Erhebung der Insel. Auf dem Höhenzug entlang führt ein Naturlehrpfad. Immer wieder gibt es Aussichtspunkte, von denen sich eindrucksvolle Blicke auf die Ostsee bieten.
Wem das viele Laufen doch zu viel ist, der kann in einer der zwei Thermen in Ahlbeck und in Zinnowitz Station machen. Die ganzjährig geöffneten Anlagen bieten Bäder, Saunen und zahlreiche Wellness-Angebote. Wer sich nach der Sauna abkühlen will, kann dies im Winter zünftig in der eisigen Ostsee tun – der direkte Strandzugang macht es möglich.
Lage und Anreise
Usedom liegt an der nordöstlichsten Spitze Deutschlands. Der äußerste östliche Teil mit der Stadt Swinemünde gehört zu Polen. Erreichbar ist die Insel mit dem Auto über die Stadt Wolgast im Norden bzw. über die Zecheriner Brücke im Süden. Die Usedomer Bäderbahn fährt ebenfalls viele Orte an. Die Bahn bietet Verbindungen bis in die sehenswerten Hansestädte Wolgast, Greifswald oder Stralsund.