Im Sommer dringt Kinderlachen über die weißen Klostermauern. Und eine uns fremde Sprache. Bestimmt wirft sich auch dann der graue Tigerkater erwartungsvoll auf den Rücken: Bongo will gestreichelt werden. Und bestimmt wird Maica Evghenia, wie für uns, die schweren Emaillekannen füllen, freilich nicht mit Kaffee, auch die Flasche mit dem köstlichen, hausgemachten Marillenschnaps bleibt dann sicher weg. An den Wänden erinnern bunte Bilder an die Sommerlager, die die serbisch-orthodoxe Kirche hier regelmäßig veranstaltet, um die Kleinen spielerisch und in ihrer Sprache an ihre Religion heranzuführen. Nun, im Herbst, ist es einsam. Nur die betagte Nonne, ein junger Pfarrer als Abt und der dralle Kater beleben die stillen Mauern.
Das serbisch-orthodoxe Kloster zum Heiligen Georg in Mănăstire (Gemeinde Birda) ist die erste Station auf unserer Journalistenreise durch das Banat (7.-11. Oktober) , organisiert vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Rumänischen Regierung (DRI), auf der Suche nach dem touristischen Potenzial der nationalen Minderheiten. Im Eingang der Kirche wandern unsere Blicke staunend umher: ringsum Gold und Himmelblau! Das Gestühl aus Marmor? - Nein, nur so bemalt. Trotzdem überwältigt diese überirdische, barocke Pracht. Erhabene Stille, fast zum Anfassen. Kameras beginnen zu klicken oder surren leise. Maica Evghenia will kein Interview geben, doch erweist sie sich als herzliche Gastgeberin.
Vom Despoten zum Heiligen
Die Geschichte des Klosters erfahren wir erst am Ende der Reise von Dr. Sașa Iașin im Vikariat des serbisch-orthodoxen Bistums in Temeswar/Timișoara. Es ist eines von fünf serbisch-orthodoxen Klöstern im Banat. 1485 wurde es von der serbischen Herrscherfamilie Brankovic gestiftet. Der ungarische König Mathias Corvin hatte den Despoten wegen ihrer Verdienste im Kampf gegen die Osmanen das Recht zugesprochen,dort eine Kultstätte für ihre Untertanen zu errichten. Tatsächlich soll George Brankovic beim Papst um die Erlaubnis für den Bau von 12 Klöstern angesucht haben, ob ihm dies gelang, ist nicht überliefert. Sein Sohn Iovan errichtete die Mauern für das Kloster Birda. Allerdings erwähnen Kirchenchroniker schon im 8. und 9. Jh. die Existenz eines Klosters.
George Brankovic, der an der Seite des Woiwoden Radu IV. gegen die Türken gekämpft hatte, wird von den Orthodoxen heute als Heiliger verehrt. Denn 1496 entsagte der Despot allen weltlichen Gütern und zog sich als Mönch Maxim in sein Kloster zurück, bis er von Radu zum Metropoliten der Walachei ernannt wurde. Später wurde Maxim auch Metropolit von Belgrad.
Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Fürstinnen Elena und Despina, Ehefrauen der moldauischen Woiwoden Petru Rareș und Neagoe Basarab, Töchter von Iovan Brankovic waren (Jelena Ecaterina und Milița Despina), also Nichten des Metropoliten Maxim. Basarab gründete das Kloster Curtea de Argeș; Rareș stiftete, unterstützt von seiner Gattin, mehrere Gotteshäuser, darunter die berühmten Moldauklöster Probota, Moldovița und Humor.
Das Geheimnis des Klosters
Die Klosterkirche aus dem Jahr 1485 ist nicht im Original erhalten. Fünfmal wurde sie zerstört und wieder aufgebaut, zum ersten Mal als die Türken das Banat eroberten - obwohl das Kloster auch in osmanischer Zeit als solches funktionierte, wie die seit dem 15. Jh. lückenlos geführte Liste der Äbte beweist; zuletzt 1716, als sie von den Österreichern vertrieben wurden. Die aktuelle Kirche im byzantinischen Stil wurde 1794 wieder aufgebaut. Die vergoldete barocke Ikonenwand stammt aus dem frühen 19. Jh. und wurde von dem bekannten Kirchenmaler Iovan Isailovici ausgestaltet. Die Wandmalereien stammen von Pavel Giurgev, einem hauseigenen Laienmaler.
Nach 1944 wurde das Kloster als Kaserne für die Armee zweckentfremdet, dann als Sitz für die staatliche Produktionsgenossenschaft. In den 1980ern diente es als Unterkunft für die Arbeiter der Schweinezucht Comtim und Lager für Futtermittel. Erst nach der Revolution, 1990, erhielt es seine ursprüngliche Bestimmung zurück. Mit Mitteln des rumänischen und des serbischen Kulturministerium restauriert, erstrahlt es seit 2011 in neuem Glanz.
Nur noch vier serbische Familien leben in Birda, erzählt Maica Evghenia. Sie verweist auf die vielen Kinderbilder an der Wand des Gebäudetrakts und versichert, an Besuchern mangele es dennoch nicht. Täglich finden morgens und abends Gottesdienste statt, auf Serbisch und Kirchenslawisch. Pilger kommen aus dem ganzen Banat - Serben, aber auch orthodoxe Rumänen - vor allem am Tag des Heiligen Georg, dem die Klosterkirche geweiht ist. Warum diese besondere Aufmerksamkeit? Die Nonne lächelt verlegen und schweigt geheimnisvoll...
Später erfahren wir im Bischofspalast: In diesem Kloster werden zwei äußerst kostbare Reliquien aufbewahrt, ein Schädelknochenfragment des Heiligen Georg und ein Stück der Kette, mit der dieser gefesselt war. George Brankovic hatte sie hier vor den Osmanen versteckt und damit gerettet. Trotz der turbulenten Geschichte des Klosters sollen sie tatsächlich die ganze Zeit in diesen Mauern überdauert haben, weggeschlossen und wahrscheinlich vergessen, in einem Kästchen im Altar! Heute erhoffen sich Gläubige von ihnen Heilung - und von der wundertätigen Marienikone, im Volksmund Bezdinska genannt.
Auf den Spuren der Serben in Temeswar
In Temeswar besuchen wir das einzige serbische Gymnasium Rumäniens, benannt nach dem Mönch, Schriftsteller und Übersetzer Dositej Dimitrije Obradovic (1742-1811). 187 Schüler, die meisten aus gemischten Familien, besuchen die Klassen 1 bis 12 mit serbischem Unterricht in allen Fächern. Weil die meisten orthodox sind, gibt es eine enge Kooperation mit der serbisch-orthodoxen Kirche, aber auch mit der Vereinigung der Serben in Rumänien.
Wir suchen auch diese an ihrem Sitz in Temeswar auf. Der 1992 gegründete Verein mit ca. 5500 aktiven Mitgliedern rühmt sich mit 22 Tanz- und Kulturensembles, drei Amateurtheatern und an die 150 Kulturveranstaltungen pro Jahr, darunter die Serbischen Kulturtage in Temeswar, bereits in 14. Auflage, die sich an alle an serbischer Kultur Interessierten richten. Der Verein verfügt über einen Verlag mit Druckerei, publiziert Zeitschriften und Bücher und unterhält sogar ein eigenes wissenschaftliches Forschungszentrum für serbische Sprache und Kultur.
Bei der letzten Volkszählung 2011 bekannten sich 18.500 Bürger zur serbischen Minderheit, 1992 waren es noch über 29.000. Die meisten leben in den Kreisen Arad, Temesch, Karasch-Severin und Mehedin]i. Zwei Dörfer mit serbischer Mehrheit liegen im Banater Bergland: Svinița, wo orthodoxe Serben des alten Ritus leben, und Pojejena.
„Das Banat war schon immer multiethnisch, multikulturell und multikonfessionell geprägt“, erklärt der Vorsitzende des Vereins, Ognean Cristici. Beispiel Temeswar: Im 18. Jh. lebten in der Stadt 446 Serben, 144 Juden und 35 Armenier bei 600 bis 700 Einwohnern insgesamt. Oder Arad: 1720 zählte man dort 162 serbische Familien, 177 rumänische und 35 ungarische. Die meisten Serben aber – um die 65.000 - „erbte“ Rumänien 1919 durch die Verschiebung der Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg.
Dr. Iașin führt uns durch das prächtige Museum des Vikariats in Temeswar. Und verrät, die Geschichte des Klosters yum Heiligen Georg in Mănăstire (Birda) war Inhalt seiner Doktorarbeit. Doch geht es ihm nicht nur um diese, um das Bewahren: Das Bistum wollte die alten Klostermauern mit neuem Leben füllen und den Kindern der serbischen Minderheit ihre Religion spielerisch näher bringen; Schule und Verein hingegen waren daran interessiert, die serbische Kultur und Sprache zu fördern. So entstanden die gemeinsam organisierten Sommerferienlager, wo jeder Pfarrer eine Woche lang mit den Kindern seiner Gemeinde im Kloster verbringt. Es wird gesungen, gemalt, gesportelt, gelacht und gespielt - von Anfang an ein Riesen-Erfolg. „Manche Kinder, die nicht die serbische Schule besuchen konnten, lasen und schrieben zum ersten Mal in ihrer Muttersprache“, erzählt er mit leuchtendem Gesicht.
Bestimmt lächelt der heilige Maxim milde vom Himmel herunter, wenn er dort sein Konterfei in bunten Farben auf den Bildern im Gang entdeckt. Bestimmt drückt er sein heiliges Auge zu, wenn Kater Bongo mal wieder die Aufmerksamkeit der Kinder überstrapaziert. Vielleicht schmunzelt er auch über die Kakteen von Maica Evghenia neben den geweihten Basilikumsträußchen. Immerhin, es ist Leben in seinem Kloster! Seit über 500 Jahren.