Fast drei Kilometer lang und mehr als 300 Jahre Geschichte – so lässt sich die Bukarester Hauptverkehrsstraße aus der Innenstadt beschreiben: Die Straße, die von der Pia]a Victoriei zur Dâmbovi]a führt, ist eine der ältesten der Hauptstadt. Ursprünglich hieß sie Sărindar oder Kronstädter Straße, dann Mogoşoaia-Brücke, da sie mit Holzblöcken gepflastert war. Die wohl berühmteste Straße Bukarests wurde schließlich im Jahre 1878 Calea Victoriei getauft, als die rumänische Armee dort einmarschierte, um den Sieg gegen die Türken nach dem Unabhängigkeitskrieg zu feiern. Im Laufe der Zeit wurden hier immer mehr Bojarenhäuser, Kirchen, Gasthöfe, später Luxushotels, und -geschäfte oder staatliche Institutionen errichtet. Während des kommunistischen Regimes wurden Wohnblocks aufgebaut, die heute unter all den prächtigen Altbauten und Denkmälern keinen guten Eindruck machen.
Manche der Bauten sind verschwunden - beispielsweise die Sărindar-Kirche, das alte Gebäude des Nationaltheaters, die Oteteleşanu-Terrasse oder die Kaffeehäuser Kübler, Fialkowski und High-Life. Trotzdem kann man noch verstreute Erinnerungsstücke der Geschichte finden: Die Calea Victoriei ist vielleicht die Straße mit den meisten Institutionen und Museen in Bukarest. Viele Gebäude haben den schwierigen Test der Zeit bestanden, darunter das Geschichtsmuseum, die Zlătari-Kirche, der CEC-Palast, der militärische Klub (Cercul Militar), das Capşa-Haus, das Telefonpalais, die Villacrosse-Passage, die Kretzulescu-Kirche, der Königliche Palast, die Zentrale Universitätsbibliothek, das Hotel Athénée Palace, das Athenäum, der Ştirbei-Palast, die Rumänische Akademie, das Vernescu- und Monteoru-Haus und das Catacuzino-Palais. Am besten geht man am Wochenende spazieren, wenn der Verkehr nicht mehr so hektisch ist. Hoch empfohlen sind Besichtigungen auch abends, denn die Altbauten werden beleuchtet. Beginnen wird also einen kleinen Spaziergang auf der Calea Victoriei.
Der Cantacuzino-Palast
Das muschelformige Glasdach beim Eingang des Bukarester Cantacuzino-Palasts (1900) zieht ganz schnell die Aufmerksamkeit der Menschen auf der Straße an: Die Gesamtansicht ist prachtvoll, das Gebäude üppig dekoriert. Diejenigen, die hereinkommen, können die zwei Steinlöwen, die das George-Enescu-Museum bewachen, gar nicht verpassen. Das Gebäude hat Anfang des 20. Jahrhunderts der wohlhabende Politiker Gheorghe Grigore Cantacuzino „Nababul“ zusammen mit dem Kleinen Trianon in Floreşti und dem Palast in Buşteni – beide im Kreis Prahova – errichten lassen. Der heute unter Denkmalschutz stehende Cantacuzino-Palast wurde vom Architekten John Berindey im französischen Barock-Stil gebaut. Zehn Jahre nach dem Aufbau des Palastes verstirbt der Nabab. Sein Sohn Mihail Cantacuzino und seine Ehefrau Maria erben die Besitztümer. Nach dem verfrühten Tod ihres Ehemannes heiratet Maria den bekannten Violinisten George Enescu. Für eine kurze Weile wohnen sie im Gebäude hinter dem Palast. Nach Enescus Tod spendet Maria den Palast dem Staat. Sie wollte, dass dort ein Museum entsteht, das dem großen Komponisten gewidmet sein soll. Am 9. Juni 1956 wurde das Gedenkmuseum George Enescu eröffnet. Das Museum auf der Calea Victoriei 141 wartet auf seine Gäste von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr.
Der Königspalast
Ein paar Schritte weiter in der Nähe der riesigen Piaţa Revoluţiei kann man den als Reiter dargestellten König Carol I. (1866-1914) gegenüber dem Königspalast (1937) sehen. Auf der Calea Victoriei 49 bis 53 befindet sich das ehemalige Zentrum des Königreichs Rumänien, das heute ohne Zweifel das prächtigste Schloss auf der Calea Victoriei ist. Die Statue weist auf den Palast, hinter ihr befindet sich die Zentrale Universitätsbibliothek und auf der rechten Seite das Athenäum. Für das Projekt waren Paul Gottereau, der auch den CEC-Palast und die Zentrale Universitätsbibliothek gestaltet hat, und Karl Liman, bekannt als Architekt des Peleş-Schloses, zuständig. Später wurde der Palast von Carol II. (1930-1940) wieder aufgebaut und vergrößert. Der königliche Palast ist das erste Gebäude, das in Bukarest elektrisch beleuchtet wurde. Hier befindet sich jetzt das Nationale Kunstmuseum (MNAR), das zwischen 1990 und 2000 geschlossen wurde, um saniert zu werden. Mittelalterliche und moderne Sammlungen rumänischer Kunst können in der Nationalen Galerie der MNAR betrachtet werden. Zur Sammlung europäischer Kunst, die der königlichen Familie gehörte, zählen Werke von Constantin Brâncu{i, Theodor Aman, oder El Greco, Rubens, Rembrandt und Monet. Davon abgesehen werden regelmäßig Ausstellungen veranstaltet. Die drei Stockwerke können von Mittwoch bis Sonntag zwischen 11 und 19 Uhr (Mai bis Oktober) oder 10-18 Uhr (Oktober bis April) besichtigt werden.
Der Klub des Militärs
In einer Zeitung aus dem 20. Jahrhundert wird der Palast an der Kreuzung der Calea Victoriei mit dem Regina-Elisabeta-Boulevard als „das architektonische Kleinod des ganzen Landes“ beschrieben. Die zentrale Kulturinstitution der rumänischen Armee ist ein repräsentatives Gebäude der Hauptstadt aus dem Jahre 1911. Hier, wo das gewaltige Bauwerk im französisch-eklektischen Stil eingerichtet wurde, befand sich einst das Sărindar-Kloster auf sumpfigem Boden. Das Ziel des neuen Gebäudes war es, die gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse des rumänischen Militärs zu befriedigen. Die Kosten für die Errichtung des Bauwerks wurden also vorwigend von den Offizieren übernommen. Dimitrie Maimarolu hat die Gestaltung des Baus und E. Doneaud die des Inneren übernommen. Zusammengearbeitet haben sie mit dem Ingineur Anghel Saligny, mit Elie Radu, Paul Saligny und Mircea Radu. Beigetragen hat auch der Maler Costin Petrescu.
Auch heute ist die Institution noch aktiv, hier werden stets gleichzeitig mehrere kleine Kunstausstellungen gezeigt und es gibt ein Restaurant, dessen Besitzer das Verteidingungsministerium ist. Was dem Vorbeigehenden auffällt, ist die große Terrasse vor dem Sărindar-Springbrunnen. Traut sich einer, auch das Restaurant zu betreten, so werden luxuriöse Räume mit hohen Decken, imposante Kronleuchter und Goldschnitt entdeckt. Im Festsaal gibt es ein althergebrachtes Restaurant im wahren Sinne des Wortes.
Auf der rechten Seite des Gebäudes liegt der Haupteingang, der entlang der Marmortreppen zum Ehrensaal führt. Vom Hörensagen weiß man, dass es einen Marmorsaal gibt, dekoriert mit Statuen verschiedener Gottheiten. Es soll auch einen byzantinischen Saal, einen gotischen und einen norwegischen Raum geben. Den gerechtfertigten Wunsch eines neugiergigen Besuchers, mehr über das imponierende Gebäude zu erfahren, begrüßen die Soldaten, die es neben den Marmortreppen zum Haupteingang bewachen, allerdings nicht. Eine Diskussion über das, was hinter den prachtvollen eisernen Türen passiert, wird entschlossen mit den Worten beendet: „Fräulein, das hier ist eine millitärische Einrichtung, ich kann Ihnen nichts dazu sagen“.
Der CEC-Palast
Eine beeindruckende Kuppel aus Glas und Metall, die sich tagsüber im Glasfenster des höchstmodernen benachbarten Gebäudse widerspiegelt, beherrscht die Calea Victoriei bei der Kreuzung mit der Mihai-Vod²-Straße. Neben dem CEC-Gebäude (1900) liegt der gegensinnige Glas-Monolit, die Bucharest Financial Plaza. Nachts wird der CEC-Palast beleuchtet, was ihn noch imposanter macht.
Das elegante Renaissance-Gebäude ist reichlich dekoriert, Elemente aus der französichen Architektur vom Ende des 19. Jahrhunderts fallen sofort auf. Der Stil ist eklektisch, hatte der französische Architekt Paul Gotteareau entschieden.
Der CEC-Palast befindet sich auf der Calea Victoriei 13, wo einst das Kloster des Heiligen Johannes lag, das der Bank offenbar weichen musste. Man weiß nicht zu viel über dieses Bauwerk: Nur, dass in dem Gebäude die älteste Bank Rumäniens funktioniert. Außerdem soll es laut Internet ein CEC-Museum geben, das von Montag bis Freitag zwischen 10 und 16 Uhr besichtigt werden kann. Man geht also hin, der Pförtner erlaubt gnädig einen Blick ins Innere des Palastes: Marmor soweit das Auge reicht, wunderbare Haustreppen – aber fotografieren darf man nicht.
Zur Existenz eines Museums kann der Pförtner keine Auskunft geben. Dann fragen wir eine andere Person – von einem CEC-Museum hat sie auch nichts gehört und verweist und wiederum weiter. Im benachbarten Gebäude auf der Calea Victoriei kommt die Antwort dann ganz klar: „Sie möchten das CEC-Museum besuchen? Der Vorstand muss es vorher erlauben... Schreiben Sie mir eine E-Mail“ . In ihrem letzten Satz liegt ihr Ausweg – und meine Sackgasse, denn eine Antwort ist bis heute nicht gekommen. Die Schlussfolgerung: Seien Sie besonders freundlich zu dem Pförtner!