Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Toma von Suceava, einer der berühmtesten rumänischen Kirchenmaler des 16. Jahrhunderts am Hof von Petru Rareş, ist tatsächlich Urheber der Wandmalereien des berühmten roten Klosters Humor in der Bukowina. Der Beweis für die ohnehin langgehegte Vermutung ist eine unauffällige Inschrift, die Restaurateure bei der Arbeit zufällig an der südlichen Außenfassade entdeckten. „Hier“ zeigt die Koordinatorin der Mannschaft, Maria Dumbravician, auf den kurzen weißen Namenszug, eingeritzt im roten Grund. Kaum zu erkennen, aber doch eindeutig: „TOMA“.
Für uns war dies der Grund für eine Reise in die Bukowina, denn die Sensation musste augenblicklich fotografisch dokumentiert werden. Aber auch endlich mal Gelegenheit, Licht auf die vielen, teils widersprüchlichen Theorien über den Ursprung der Farben der Außenfresken der Moldauklöster zu werfen, denen man in der Reiseliteratur begegnet. Ist Vorone] wirklich mit Lapislazulistaub bemalt - oder was macht dieses irisierende Blau so besonders? Woher kommt das lichte Grün von Moldoviţa, das ins Türkis gehende Meeresblau von Suceviţa, das tiefdunkle Ziegelrot von Humor?
Auf den Spuren der Schule von Toma
Wir folgen den Restaurateuren, wo sonst keiner hin darf: die Leiter hoch bis direkt unter die Kuppel der Vorhalle! Die Mutter Oberin hat es abgesegnet, beherzt steigt die weißhaarige Äbtissin in ihrem bodenlangen Gewand mit uns hinauf. Von 24 Propheten und 16 Engeln in konzentrischen Kreisen umgeben strahlt dort eine frisch restaurierte Gottesmutter mit Jesusmedallion auf uns herab. Auf den drei Etagen der hölzernen Plattform sind ernste Gesichter in ihre Arbeit vertieft, sie nehmen uns kaum zur Kenntnis.
Wie in Zeitlupe bewegt sich ihr Pinsel mit dem dicken Polster am Ende. „Malstock“ heißt das Instrument auch auf Rumänisch, mit dessen Hilfe man sich aufstützen oder überschüssige Farbe abtupfen kann. Doch muss man wissen: Restaurateure malen nicht! Chromatische Integration nennt sich das Verfahren, bei dem nach den vorangegangenen Etappen der Reinigung und Fixierung Pigment aufgebracht wird. Das Vorher und Nachher jedes Arbeitsschritts muss streng dokumentiert werden: Maria Dumbravician zeigt an einem Computer auf der Plattform, wie Flächenstück um Flächenstück in jeder Etappe fotografiert wurde. Diese elektronische Dokumentation darf bei keiner Restauration fehlen, sie wird anschließend auch dem Kunden übergeben.
Die Ikonen ringsum sind zu neuer Leuchtkraft erwacht - wie zu Tomas Zeiten. Der tiefgläubige Maler, den man auch „den Stummen“ nannte, weil er während seiner Tätigkeit fastete und auch nicht sprach, wäre sicher stolz gewesen.
Humor gehört - neben den Klöstern Voroneţ, Suceviţa, Moldoviţa, Patrăuţi, Probota, der Kirche Arbore und der des heiligen Johannes dem Neuen in Suceava - wegen seiner weltweit einzigartigen Außenfresken zum UNESCO-Welterbe Rumäniens. Auch in Putna gab es einst Außenfresken, erzählt Maria Dumbravician, doch ist die ursprüngliche Kirche bei einem Angriff abgebrannt. Die Fresken im Kloster Humor, einem der ersten mit bemalter Außenfassade, stammen aus dem Jahr 1535. Heute geht man davon aus, dass Toma von Suceava nicht alleine, sondern mit einem ganzen Team daran gearbeitet hat. Die verschiedenen Maler entstammen alle seiner Schule und verraten sich durch kaum merkliche Unterschiede an den Gesichtern der dargestellten Figuren, erklärt die für Führungen zuständige Nonne, Maica Ana.
Geheimnisvoller Farbcode
Maria Dumbravician weist auf die buckelige Außenwand: Deutlich erkennt man, dass die Mauer aus grobem Flusstein besteht. Der Putz wurde aus Kalk und Sand zusammengemischt, ein damals übliches Verfahren. Dann wurden Linien aufgetragen, um eine Ziegelwand zu imitieren. Sie bilden die Register der Außenbemalung. Die Pigmente für die Fresken mussten auf den noch feuchten Putz aufgetragen werden, wobei der Zeitpunkt der Trocknung entscheidend war. Erwischt man ihn genau richtig, wie in Voroneţ geschehen, nicht aber in Humor, so schwitzt aus dem Hintergrund Kalziumkarbonat aus, das sich wie eine schützende Kruste über die Farbpigmente legt und diese damit fixiert.
In Voroneţ wurde als dominante Hintergrundfarbe Azurit verwendet, erklärt die Restaurateurin. Dies ist ein blaues Pigment auf Kupferbasis - Lapislazulistaub wäre viel zu teuer gewesen! Doch weil Azurit unter Einfluss von Kalk und Feuchtigkeit grün wird - wie in Moldovi]a übrigens geschehen - hatte man vorher eine Schicht schwarzen Kohlestaubs auf den Kalkputz aufgebracht. Dies also ist das Geheimnis des berühmten Voroneţ-Blaus!
In den anderen Klöstern wurden die Pigmente direkt auf den Kalk gemalt: Pulverisiertes blaues Glas bildet den Hintergrund in Suceviţa, eisenhaltiges rotes Erdpigment den in Humor. Der Code der Farben ist nicht allzu schwer: Malachit ergibt Grün, Erdpigmente liefern Nuancen von Rot bis Ocker, Eisenoxid oder bleihaltiges Minium ein helles Rot, Weiß wird mit Kasein und Schwarz mit Kohlenstaub erzeugt. Gelbe Farbe erhält man durch ein Chrompigment, doch dieses wird vom Kalk gefressen, weswegen es in Fresken nicht vorkommt. Auch Blattgold wurde gelegentlich verwendet, etwa für die abertausend Sterne, die einst die Außenfassade der Klosterkirche Suceviţa übersäten. Heute findet der eingeweihte Beobachter noch da und dort Spuren eines solchen Sternchens.
Hort Gottes als Festung
1415 ist das erste Kloster Humor, gestiftet von Ioan Vornicul zur Zeit Alexanders des Guten, unweit des heutigen entstanden. Stefan der Große spendete ihm Dörfer, Berge, eine Saline und das berühmte Humor-Tetraevangelium mit seinem Porträt, das wertvolle Angaben zu seinem Leben und seiner Herrschaft enthält. Das von Mönch Nicodim mit kostbaren Miniaturen illustrierte Buch stammt aus dem Jahre 1473. Lange wurde es in Humor aufbewahrt, heute kann man es im Stefan-Museum des Klosters Putna bewundern.
Wann und warum die ursprüngliche Klosterkirche Humor zerstört wurde, ist nichtüberliefert. Reste der Ruine sind noch unweit der heutigen Anlage zu sehen.
1530 erlaubte der Woiewode Petru Rareş seinem Kanzler Toader Bubuiog als besondere Gunst den Wiederaufbau des Klosters. Die Gründungsgeschichte ist in der Votivschrift über dem Eingang der Maria Himmelfahrt geweihten Kirche festgehalten. In der Grabkammer, wo Toader Bubuiog und seine Frau Anastasia ruhen, erinnert ein Votivbild an das Stifterehepaar.
1641 verstärkte Vasile Lupu die Außenmauern der Klosteranlage und ließ einen Observationsturm errichten, der heute Ziel zahlreicher Pilgergruppen ist. Eine enge Steintreppe führt über vier Stockwerke zur Aussichtsplattform hinauf. Der mühselige Aufstieg wird mit einem Blick über die gesamte Anlage belohnt: von Frühling bis Herbst ein Blumenmeer. Der Wachturm leistet auch heute noch gute Dienste: Vor jeder wichtigen Feier steigt die Mutter Oberin persönlich auf die Aussichtsplattform, um zu kontrollieren, ob unten alles in Ordnung ist.
Vorbild für andere Klöster
Interessant ist die Bauweise des Klosters: Erstmals taucht in Humor die offene Vorhalle auf, die später Eingang in die kirchliche Architektur findet.
Die Außenfresken der Klosterkirche Humor dienten alsVorbilder für die 1488 von Stefan dem Großen erbaute, aber erst zur Zeit seines Sohnes Petru Rareş bemalte Kirche von Voroneţ, erläutert Maica Ana. Die Westwand mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts ist in beiden Klöstern identisch, die ziemlich zerstörte Nordwand von Humor entspricht der gut erhaltenen Südwand von Voroneţ. Auch in Moldoviţa war Toma von Suceava noch persönlich am Werk, in Voroneţ wahrscheinlich seine Schüler.
Die Restaurateure werden noch bis 2016 vor Ort tätig sein, um dem Lebenswerk des frommen fürstlichen Malers neuen Glanz zu verleihen. Mit stummer Konzentration in ihre Arbeit vertieft erweisen sie ihm alle Ehre.