Rund um die Sieben Seen

Von einer Wandertour im bulgarischen Rila-Gebirge

Die Gegend um die Sieben Seen gehört zu den bekanntesten Wanderrevieren.

Der Wehrturm aus dem 13. Jahrhundert ist der einzige erhaltene Teil des alten Rila-Klosters.

Blick auf die Schulter des 2729 Meter hohen Maljowiza. Fotos: der Verfasser

Viele Bulgaren zieht es an heißen Sommertagen nicht an den Strand, sondern hinauf ins kühle Gebirge. Mehr als zwei Drittel der Landesfläche sind von Bergen bedeckt. Den höchsten Berg der Balkanhalbinsel finden wir hier genauso wie sanft gerundete Mittelgebirgslandschaften. Das Land bietet ideale Bedingungen für einen Wanderurlaub, was die einheimischen Touristen auch ausgiebig nutzen – Ausländer dagegen trifft man noch selten auf seinen Touren.

Wir begegnen erst einmal gar keiner Menschenseele, als wir unseren vierstündigen Aufstieg beginnen. Startpunkt war die Touristenstation Maljowiza am Fuße des gleichnamigen Gipfels im Rila-Gebirge. Das Gebirge liegt ungefähr 80 Kilometer südlich der Hauptstadt Sofia im Südwesten Bulgariens und ist eines von mehreren Massiven, deren Gipfel mehr als 2000 Meter erreichen. Mehrere Hotels und Pensionen buhlen in dem 1700 Meter hoch gelegenen Komplex Maljowiza um die zahlreichen Wochenendtouristen. Mehrere markierte Wanderwege beginnen hier – wir entscheiden uns für den blauen Weg, der sich durch den Buchen- und Fichtenwald hoch zu den Sieben Seen windet.


Über 150 Bergseen

Diese Gletscherseen sind eine der Hauptattraktionen des Rila-Gebirges. Über 150 solcher Seen soll es geben. Sie alle liegen in einer Höhe zwischen 2100 und 2500 Metern. Das Rila ist das höchste Gebirge Bulgariens, 100 seiner Gipfel erheben sich über mehr als 2000 Meter. Spitzenreiter ist der Musala, der mit seinen 2925 Metern nicht nur der höchste Berg Bulgariens, sondern der gesamten Balkanhalbinsel ist. Den Musala sehen wir auf unserer zweitägigen Wanderung jedoch nur von Weitem. Uns zieht es auf  den 2729 Meter hohen Nachbargipfel Maljowiza.

Dort, wo die letzten kleinwüchsigen Bergkiefern den Kampf gegen Wind und Wetter aufgegeben haben, eröffnet sich eine spektakuläre Berglandschaft. Felsen, Almen und blumenbestandene Wiesen wechseln sich hier oben ab. Pflanzenliebhaber finden Königskerzen, Berg-Löwenmaul, Blaues Sperrkraut oder Alpendost und seltene Heilkräuter wie Arnika. Seit 1992 gehört ein großer Teil des Gebirges zum Rila-Nationalpark, einer der drei Nationalparks in Bulgarien (die anderen sind der Pirin-Nationalpark und der Zentrale Balkan-Nationalpark). 2005 erhielt der Park dank seiner Wildheit, der herausragenden Natur und der guten Tourismuseinrichtungen das Prädikat eines „Pan-Parks“. Europaweit tragen elf Parks diese Auszeichnung, darunter der rumänische Retezat-Nationalpark.


Gutes Netz an Hütten

Das gesamte Gebirgsmassiv ist durchzogen von markierten Wanderwegen. Ihren Verlauf kennzeichnen auf Bäume und Steine gemalte Zeichen sowie Stangen, die Wanderern im Winter zur Orientierung dienen. Gutes Kartenmaterial für das Rila-, aber auch die anderen Massive gibt es in Buchläden in der Hauptstadt Sofia sowie an vielen Tankstellen im Land. In diesen finden wir auch die Hütten des Bulgarischen Tourismusverbandes. Dessen Name führt ein wenig in die Irre: Eigentliches Ziel des 1895 gegründeten Verbandes ist weniger die touristische Vermarktung des Landes, als vielmehr die Förderung des Wandersports in der bulgarischen Bevölkerung. Der Verband betreibt heute 410 Einrichtungen im Land. Die 219 Berghütten – meist mit sanitären Einrichtungen und einem mehr oder weniger umfangreichen kulinarischen Angebot – verfügen über gut 13.000 Schlafplätze. Daneben gibt es noch 26 kleine Schutzhütten.

Auch wir steuern eine Hütte des Verbands an – die Ivan-Vazow-Hütte – eine von 17 Hütten im Rila-Gebirge. An Wochenenden sind die 30 Plätze schnell belegt. Viele, meist einheimische Wandergruppen steuern gegen Abend die Zufluchtsstätte an. Die im Sommer mit vier Mitarbeitern besetzte Hütte bietet bescheidenen, aber ausreichenden Komfort. Einfache, deftige Gerichte wie Linsensuppe werden serviert; zum Frühstück gibt es frisch gebrühten Kaffee aus dem Topf. In der jeden Tag neu zusammengewürfelten Runde entwickelt sich rasch ein Gemeinschaftsgefühl – die in der Hütte vorhandene Gitarre wird nicht selten zum Begleiter abendlicher Gesangsrunden. Morgens zerstreuen sich die Einzelwanderer und Gruppen auf den drei hier aufeinandertreffenden Wegen genauso schnell, wie sie am Abend zusammenkamen.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, die Sicht ist klar, so wie es der Wanderführer für Juli und August vorhergesagt hat. Tags zuvor behinderten noch dichte Wolken die Sicht. Für Wandertouren seien die beiden Monate am besten geeignet, heißt es in dem Führer, da die Wetterverhältnisse in dieser Zeit am stabilsten sind. Im Rest des Jahres zeigt sich das Wetter wechselhaft - kein Wunder, treffen hier kontinentale Luftmassen auf jene aus dem Mittelmeerraum. In einer Rundtour soll es an diesem Tag über einen Kammrundweg wieder zum Ausgangsort gehen.

Die Wiege der bulgarischen Kultur

Unterhalb der südöstlichen Flanke unseres Weges hebt sich aus dem satten Grün des Fichtenwaldes das Viereck des Rila-Klosters ab. Das orthodoxe Kloster des Heiligen Iwan Rilski wird als Wiege der bulgarischen Kultur bezeichnet und ist heute ein Nationalheiligtum. Seit 1983 steht es auf der Liste des Unesco-Kulturerbes. Gegründet wurde es zwischen 927 und 941 von dem Emeriten Iwan Rilski. Die Türken verschonten das Kloster bei ihrer ersten Eroberung des Gebiets des heutigen Bulgarien im 14. Jahrhundert und ließen die Mönche auch während ihrer 500-jährigen Herrschaft ihrem Glauben nachgehen. Allerdings gab es Plünderungen und Zerstörungen in der Folgezeit: erstmals im 15. Jahrhundert, das zweite Mal legte 1832 ein Großbrand die Anlage in Schutt und Asche.

Der Wiederaufbau geriet zur nationalen Aufgabe in der Zeit der nationalen Aufklärung. Die Gebäude stellte man mit Spenden aus der Bevölkerung wieder her – allerdings strikt in ihren vorherigen Abmessungen, so die Auflage der türkischen Behörden. Einmal dabei, rissen die Mönche ihre alte Klosterkirche ab und errichteten die noch heute existierende repräsentative Kirche. Die Architektur gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der bulgarischen Architektur. Die Malereien an und in der Kirche führten die bedeutendsten bulgarischen Maler der damaligen Zeit aus. Bereits in den Jahrhunderten zuvor beeinflussten die hiesigen Mönche die kulturelle und spirituelle Entwicklung der christlichen Nationen im Osmanischen Reich. Das gleiche gilt für die Architektur: Das Kloster gilt als stilbildend für die gesamte Balkanregion.  

Von dem Kloster führt ein steiler Weg auf die Schulter des Maljowiza, des zweithöchsten Berges des Rila-Gebirges. Dieser ist an den Sommerwochenenden das Ziel hunderter Tagestouristen. Für den Aufstieg bietet sich der fünf Kilometer lange, direkte Weg vom Maljowiza-Komplex an. Wir sind froh, das wir diesen nur hinunter laufen, der Höhenunterschied beträgt immerhin 1200 Meter und der Marsch ist wegen des Gerölls und der steilen Aufstiege recht beschwerlich. Doch die entgegenkommenden Ausflüger scheint das nicht zu stören. Selbst eine gute Zahl von Rentnern bewältigte den Berg und stieg mit uns ab. Auch im Winter lässt der Trubel nicht nach. Der Wintersportkomplex Borovetz an der Nordseite des Gebirges ist das größte und älteste Skizentrum Bulgariens. Knapp 30 Hotels verfügen über mehr als 4000 Betten. In drei Skigebieten gibt es 58 Kilometer Pisten, auf denen auch internationale Wettkämpfe ausgetragen werden.

Viele Bulgaren zieht es an heißen Sommertagen
nicht an den Strand, sondern hinauf
ins kühle Gebirge. Mehr als zwei Drittel der
Landesfläche sind von Bergen bedeckt. Den
höchsten Berg der Balkanhalbinsel finden
wir hier genauso wie sanft gerundete Mittelgebirgslandschaften.
Das Land bietet ideale
Bedingungen für einen Wanderurlaub, was
die einheimischen Touristen auch ausgiebig
nutzen – Ausländer dagegen trifft man noch
selten auf seinen Touren.
Wir begegnen erst einmal gar keiner
Menschenseele, als wir unseren vierstündigen
Aufstieg beginnen. Startpunkt war die
Touristenstation Maljowiza am Fuße des
gleichnamigen Gipfels im Rila-Gebirge. Das
Gebirge liegt ungefähr 80 Kilometer südlich
der Hauptstadt Sofia im Südwesten Bulgariens
und ist eines von mehreren Massiven,
deren Gipfel mehr als 2000 Meter erreichen.
Mehrere Hotels und Pensionen buhlen in
dem 1700 Meter hoch gelegenen Komplex
Maljowiza um die zahlreichen Wochenendtouristen.
Mehrere markierte Wanderwege
beginnen hier – wir entscheiden uns für den
blauen Weg, der sich durch den Buchen- und
Fichtenwald hoch zu den Sieben Seen windet.
Über 150 Bergseen
Diese Gletscherseen sind eine der Hauptattraktionen
des Rila-Gebirges. Über 150
solcher Seen soll es geben. Sie alle liegen in
einer Höhe zwischen 2100 und 2500 Metern.
Das Rila ist das höchste Gebirge Bulgariens,
100 seiner Gipfel erheben sich über mehr als
2000 Meter. Spitzenreiter ist der Musala, der
mit seinen 2925 Metern nicht nur der höchste
Berg Bulgariens, sondern der gesamten Balkanhalbinsel
ist. Den Musala sehen wir auf
unserer zweitägigen Wanderung jedoch nur
von Weitem. Uns zieht es auf den 2729 Meter
hohen Nachbargipfel Maljowiza.
Dort, wo die letzten kleinwüchsigen Bergkiefern
den Kampf gegen Wind und Wetter
aufgegeben haben, eröffnet sich eine spektakuläre
Berglandschaft. Felsen, Almen und
blumenbestandene Wiesen wechseln sich hier
oben ab. Pflanzenliebhaber finden Königskerzen,
Berg-Löwenmaul, Blaues Sperrkraut
oder Alpendost und seltene Heilkräuter wie
Arnika. Seit 1992 gehört ein großer Teil des
Gebirges zum Rila-Nationalpark, einer der
drei Nationalparks in Bulgarien (die anderen
sind der Pirin-Nationalpark und der Zentrale
Balkan-Nationalpark). 2005 erhielt der Park
dank seiner Wildheit, der herausragenden
Natur und der guten Tourismuseinrichtungen
das Prädikat eines „Pan-Parks“. Europaweit
tragen elf Parks diese Auszeichnung,
darunter der rumänische Retezat-Nationalpark.
Gutes Netz an Hütten
Das gesamte Gebirgsmassiv ist durchzogen
von markierten Wanderwegen. Ihren
Verlauf kennzeichnen auf Bäume und Steine
gemalte Zeichen sowie Stangen, die Wanderern
im Winter zur Orientierung dienen. Gutes
Kartenmaterial für das Rila-, aber auch die
anderen Massive gibt es in Buchläden in der
Hauptstadt Sofia sowie an vielen Tankstellen
im Land. In diesen finden wir auch die Hütten
des Bulgarischen Tourismusverbandes. Dessen
Name führt ein wenig in die Irre: Eigentliches
Ziel des 1895 gegründeten Verbandes
ist weniger die touristische Vermarktung des
Landes, als vielmehr die Förderung des
Wandersports in der bulgarischen Bevölkerung.
Der Verband betreibt heute 410 Einrichtungen
im Land. Die 219 Berghütten –
meist mit sanitären Einrichtungen und einem
mehr oder weniger umfangreichen kulinarischen
Angebot – verfügen über gut 13.000
Schlafplätze. Daneben gibt es noch 26 kleine
Schutzhütten.
Auch wir steuern eine Hütte des Verbands
an – die Ivan-Vazow-Hütte – eine von
17 Hütten im Rila-Gebirge. An Wochenenden
sind die 30 Plätze schnell belegt. Viele,
meist einheimische Wandergruppen steuern
gegen Abend die Zufluchtsstätte an. Die im
Sommer mit vier Mitarbeitern besetzte Hütte
bietet bescheidenen, aber ausreichenden
Komfort. Einfache, deftige Gerichte wie Linsensuppe
werden serviert; zum Frühstück
gibt es frisch gebrühten Kaffee aus dem Topf.
In der jeden Tag neu zusammengewürfelten
Runde entwickelt sich rasch ein Gemeinschaftsgefühl
– die in der Hütte vorhandene
Gitarre wird nicht selten zum Begleiter abendlicher
Gesangsrunden. Morgens zerstreuen
sich die Einzelwanderer und Gruppen auf
den drei hier aufeinandertreffenden Wegen
genauso schnell, wie sie am Abend zusammenkamen.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne,
die Sicht ist klar, so wie es der Wanderführer
für Juli und August vorhergesagt hat. Tags
zuvor behinderten noch dichte Wolken die
Sicht. Für Wandertouren seien die beiden
Monate am besten geeignet, heißt es in dem
Führer, da die Wetterverhältnisse in dieser
Zeit am stabilsten sind. Im Rest des Jahres
zeigt sich das Wetter wechselhaft - kein
Wunder, treffen hier kontinentale Luftmassen
auf jene aus dem Mittelmeerraum. In
einer Rundtour soll es an diesem Tag über
einen Kammrundweg wieder zum Ausgangsort
gehen.
Die Wiege der
bulgarischen Kultur
Unterhalb der südöstlichen Flanke unseres
Weges hebt sich aus dem satten Grün des
Fichtenwaldes das Viereck des Rila-Klosters
ab. Das orthodoxe Kloster des Heiligen
Iwan Rilski wird als Wiege der bulgarischen
Kultur bezeichnet und ist heute ein Nationalheiligtum.
Seit 1983 steht es auf der Liste des
Unesco-Kulturerbes. Gegründet wurde es
zwischen 927 und 941 von dem Emeriten
Iwan Rilski. Die Türken verschonten das
Kloster bei ihrer ersten Eroberung des Gebiets
des heutigen Bulgarien im 14. Jahrhundert
und ließen die Mönche auch während
ihrer 500-jährigen Herrschaft ihrem Glauben
nachgehen. Allerdings gab es Plünderungen
und Zerstörungen in der Folgezeit: erstmals
im 15. Jahrhundert, das zweite Mal legte 1832
ein Großbrand die Anlage in Schutt und Asche.
Der Wiederaufbau geriet zur nationalen
Aufgabe in der Zeit der nationalen Aufklärung.
Die Gebäude stellte man mit Spenden
aus der Bevölkerung wieder her – allerdings
strikt in ihren vorherigen Abmessungen, so
die Auflage der türkischen Behörden. Einmal
dabei, rissen die Mönche ihre alte Klosterkirche
ab und errichteten die noch heute existierende
repräsentative Kirche. Die Architektur
gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der
bulgarischen Architektur. Die Malereien an
und in der Kirche führten die bedeutendsten
bulgarischen Maler der damaligen Zeit aus.
Bereits in den Jahrhunderten zuvor beeinflussten
die hiesigen Mönche die kulturelle
und spirituelle Entwicklung der christlichen
Nationen im Osmanischen Reich. Das gleiche
gilt für die Architektur: Das Kloster gilt
als stilbildend für die gesamte Balkanregion.
Von dem Kloster führt ein steiler Weg auf
die Schulter des Maljowiza, des zweithöchsten
Berges des Rila-Gebirges. Dieser ist an
den Sommerwochenenden das Ziel hunderter
Tagestouristen. Für den Aufstieg bietet
sich der fünf Kilometer lange, direkte Weg
vom Maljowiza-Komplex an. Wir sind froh,
das wir diesen nur hinunter laufen, der Höhenunterschied
beträgt immerhin 1200 Meter
und der Marsch ist wegen des Gerölls und
der steilen Aufstiege recht beschwerlich.
Doch die entgegenkommenden Ausflüger
scheint das nicht zu stören. Selbst eine gute
Zahl von Rentnern bewältigte den Berg und
stieg mit uns ab.
Auch im Winter lässt der Trubel nicht
nach. Der Wintersportkomplex Borovetz an
der Nordseite des Gebirges ist das größte und
älteste Skizentrum Bulgariens. Knapp 30
Hotels verfügen über mehr als 4000 Betten.
In drei Skigebieten gibt es 58 Kilometer Pisten,
auf denen auch internationale