Am 26. Juni 2019 wurde die Richtlinie (EU) 2019/ 1023 („Restrukturierungsrichtlinie”) mit Relevanz für Insolvenzverfahren veröffentlicht; sie trat am 16.7. in Kraft. Die Mitgliedstaaten müssen diese bis zum 17.01.2021 in ihr nationales Recht umsetzen.
Ziel der Richtlinie
Die Richtlinie bezweckt u.a. die reibungslose Funktion des Binnenmarktes bzw. die Beseitigung von Hindernissen für die Ausübung der Grundfreiheiten (z. B. freier Kapitalverkehr oder Niederlassungsfreiheit). Unter anderem „soll die Restrukturierung Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten in die Lage versetzen, ihre Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise fortzusetzen”.
Welche sind die wichtigsten konkreten Maßnahmen?
•Frühwarnsystem
Die Mitgliedstaaten müssen zunächst dafür sorgen, dass Schuldner Zugang zu einem oder mehreren klaren und transparenten Frühwarnsystemen erhalten. Zweck ist eine Warnung der Geschäftsführung, dass Handlungsbedarf zur Vermeidung der Insolvenz besteht. Es sind Maßnahmen zu implementieren, z.B. die Information von Schuldnern darüber, dass bestimmte Zahlungen nicht getätigt worden sind, oder die Sicherung des Zugangs zu Organisationen, die Beratungsdienste anbieten. Diese Frühwarnsysteme sollen vor allem für KMU online zugänglich und nutzerfreundlich aufbereitet sein.
Obwohl es in Rumänien verschiedene derartige kollaborative Systeme gibt (z.B. „RedBill”, ein Netzwerk rumänischer Gesellschaften, die in einem zentralisierten System unbezahlte Rechnungen anmelden, so dass andere Mitglieder des Netzwerks Problemkunden erkennen können), sind die vorhandenen Lösungen unzulänglich. Ein Frühwarnsystem wie in der Richtlinie beschrieben wäre für die Wirtschaft äußerst sinnvoll.
•Restrukturierungsverfahren
Schuldner sollten in Restrukturierungsverfahren ganz oder teilweise die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den Betrieb ihres Unternehmens behalten. Zur Sicherung der Gläubigerrechte darf ein Restrukturierungsbeauftragter durch die Justiz- oder Verwaltungsbehörden bestellt werden.
Die Aussetzung von Einzelvollstreckungen soll die Schuldner bei Verhandlungen und Umsetzungen von Restrukturierungsplänen unterstützen. Während der Aussetzung soll es auch keine Antragspflicht für Maßnahmen, die zur Liquidierung führen könnten, geben.
Für Restrukturierungspläne regelt die Richtlinie minimale Informationsanforderungen, unter anderem die Bewertung der Vermögensgegenstände des Schuldners, Auswirkungen einer Liquidierung auf Arbeitnehmer, Stakeholder, vorgeschlagene Restrukturierungsmaßnahmen usw.
Die Annahme solcher Restrukturierungspläne soll durch die Mehrheit der Gläubiger erfolgen. Jedoch sollen die Gläubiger in Klassen nach den Eigenschaften der Forderungen eingeteilt werden; z.B. gesonderte Klassen für gesicherte und ungesicherte Forderungen, Gläubiger, ohne die die Aktivität des Schuldners nicht fortgeführt werden könnte, u. a. Abstimmungen zur Annahme des Plans könnten somit durch ein klassenüberschreitendes Cram-down auch gegen die Ablehnung mancher Gläubiger durchgesetzt werden (Gläubiger, die gegen einen Plan stimmen, müssen die Vorschriften des Plans und die Änderungen ihrer Rechte und Pflichten dennoch beachten).
Letztendlich sollen Finanzierungen und Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung geschützt und dadurch gefördert werden. Die Staaten müssen Regeln für eine erweiterte Sicherung dieser Operationen vorsehen (z.B. Vorrang bei Zahlungen, Ausschluss der Anfechtung bestimmter Operationen, besserer Schutz gegen zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Haftung wenn eine derartige Finanzierung die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt).
Weitere Maßnahmen zur Förderung frühzeitiger Restrukturierungen beinhalten den Zugang zu Entschuldungsverfahren (mit Verbotsfristen für bestimmte Rechte der Schuldner, die darauf eingehen), Maßnahmen zur Überwachung der Aktivität des Schuldners, so dass die Restrukturierungsverfahren nicht missbraucht werden oder Möglichkeiten zur Verschmelzung verschiedenartiger Maßnahmen unter einem einheitlichem Verfahren.
Fazit
Das rumänische Recht sieht bereits einige Verfahren vor, die die meisten der o.g. Maßnahmen beinhalten, z.B. das sog. concordat preventiv, ein Verfahren für Restrukturierungspläne, das vor der Insolvenz eingesetzt werden sollte, und das Ad-hoc-Mandat, das eine Verhandlung zwischen Gläubiger und Schuldner unter Betreuung eines Insolvenzverwalters vorsieht.
Diese haben in der Praxis allerdings nur geringe Wirkung gezeigt. Infolge Richtlinie werden diese Verfahren Änderungen oder Ergänzungen erfahren oder sogar ausgetauscht werden. Insgesamt wird die Richtlinie eine Bewegung hin zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen für Schuldner, die finanzielle Schwierigkeiten aufzeichnen, bewirken – nicht nur in Pandemiezeiten äußerst sinnvoll.
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