Der knappe Sieg von Francois Hollande bei den französischen Präsidentenwahlen und das Bekenntnis der Griechen gegen den harten Sparkurs könnten die Wirtschaftsstrategie in Europa durcheinander wirbeln. Mit Hollande wurde in Frankreich ein Sozialist ins Präsidentenamt gewählt, der sich offen gegen den EU-IWF Sparkurs ausgesprochen hat. Und bei den Parlamentswahlen am Wochenende in Griechenland wurde dem Sparprogramm der Regierung eine deutliche Absage erteilt. Die bisher regierende Nea Dimokratia, die dem Land einen rigoroses Sparprogramm aufgebrummt hat, erreichte nur noch 19 Prozent der Stimmen. Die Unzufriedenheit mit den Sparmaßnahmen lässt weiterhin die Köpfe der amtierenden Regierungschefs rollen. Eine gemeinsame Strategie scheint ferner den je, denn der Rückhalt für Sparkurs und Fiskalpakt bröckelt. Für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bedeutet das rauen Gegenwind.
Das Ende von „Merkozy“
Nach der Abwahl von Nicolas Sarkozy sind die Tage des treibenden deutsch-französischen Vorzeigeduos gezählt. Der zukünftige französische Präsident setzt im Gegensatz zu seinem Vorgänger mehr auf Konjunkturprogramme und weniger auf Haushaltskonsolidierung. Auch beim EU-Fiskalpakt sind Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich vorprogrammiert, denn Angela Merkel erklärte am Montag als Reaktion auf die Wahl Hollandes, dass das Sparpaket nicht zur Disposition stehe. Hollande hatte im Wahlkampf wiederholt betont, den Fiskalpakt aufzuschnüren und um eine Wachstumskomponente erweitern zu wollen. Auch Eurobonds hält Hollande im Gegensatz zur Kanzlerin für den richtigen Weg aus der Krise.
Geteilte Meinungen in den Hauptstädten
So sehr Merkel und Hollande nun die Pflicht haben, sich in wirtschaftlichen Fragen zusammenzuraufen, so sehr gehen die Meinungen über Sparkurs auseinander: Bei den konservative dominiert Zurückhaltung, bei Sozialdemokraten in Regierung oder Opposition keimt die Hoffnung auf einen Politikwechsel. Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler Werner Faymann sprach von einem wichtigen Impuls „für eine Politik, die sich für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa (...) einsetzt“. Auch aus Skandinavien kommen positive Signale. Der schwedische Außenminister Carl Bildt sieht in Hollandes Sieg eine Chance für Wachstum und Arbeitsplätze. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti, dessen Land geradewegs eine Rezession ansteuert, hat angekündigt, gemeinsam mit Hollande an einer „effizienteren und auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Union“ arbeiten zu wollen. Zurückhaltender zeigt sich der konservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, der in seinem Land ebenfalls harte Sparpolitik betreibt. Er sieht keinen Gegensatz zwischen der Sparpolitik der spanischen Regierung und der von Hollande vertretenen Forderung nach Wirtschaftswachstum. Ob es zu einer Kursänderung in der europäischen Wirtschaftspolitik kommt wird stark von den Verhandlungen zwischen Merkel und Hollande abhängen. Der Wille zur Zusammenarbeit ist jedenfalls gegeben: Trotz der erwarteten Unstimmigkeiten hat die Kanzlerin den neuen französischen Präsidenten für den Tag seines Amtsantritts am 15. Mai nach Berlin eingeladen, denn über die Wichtigkeit der deutsch-französischen Beziehungen ist man sich auf beiden Seiten einig.