Nun ist es endlich da, das lang erwartete Kulturhauptstadtjahr 2023 für Temeswar/Timișoara. Die Begastadt als eine geschichtsträchtige Stadt, als Stadt der Premieren, als Stadt der Vielfalt und Multikulturalität oder Stadt der Revolution – all das soll für Schlagzeilen sorgen und Besucher anziehen. 33 Jahre nach dem Ausbruch der antikommunistischen Revolution in Rumänien wurde in Temeswar der Ausstellungsraum in der Gedenkstätte der Revolution neu eingerichtet, eine Dauerausstellung zum gesamten Kontext der antikommunistischen Bewegungen in Rumänien und Europa als auch eine zeitweilige Ausstellung zum Goldenen Zeitalter in Rumänien eröffnet.
Ein leerer Kühlschrank, aber auch ein leise geschaltetes Radio, aus dem man die heimlich gehörte Sendung von „Radio Freies Europa“ hören kann, die symbolischen Straßenbahnschienen auf dem Mariaplatz/Piața Maria, wo Ion Monoran und Daniel Zăgănescu die Trams anhielten und zum ersten Mal „Nieder mit Ceaușescu“ in Temeswar laut gerufen haben – das Konzept der neuen interaktiven Ausstellung in der Gedenkstätte der Revolution zeigt den Geist der kommunistischen Ära sowie den Widerstand dagegen in Rumänien, aber auch im gesamten Osteuropa. Der Ausstellungsraum der Gedenkstätte der Revolution wurde 2022 neu gestaltet, die historischen Informationen, Daten und verschiedenen zusätzlichen Dokumente bearbeitet, aufbereitet und in das neue Ausstellungssystem aufgenommen, um den historischen Kontext, der zur Revolution von 1989 führte, so getreu wie möglich darzustellen.
Die Dauerausstellung „r/evoluție? Istorii trăite 1945-1989-2022. Emoții, comunism, revoluție și migrație“ ((R)evolution? Lebensgeschichten 1945-1989-2022. Emotionen, Kommunismus, Revolution und Migration) entstand auf der Grundlage des Archivs der Gedenkstätte der Revolution, von Dokumenten aus der Privatsammlung des „Prin Banat“-Vereins und von Erzählungen der Zeitzeugnisse, die im Rahmen des Projekts „Cămine în mișcare“ („Kamine/Heimstätten in Bewegung“) gesammelt wurden.
Überblick auf den Kommunismus
Das gesamte Erdgeschoss des Museums in der Oituz-Straße Nr. 2B bietet nun eine Zeitreise in die Geschichte. Die Ausstellungsräume sind in klare Themen eingeteilt, die darüber berichten, wie die Revolution nicht nur in der Begastadt, sondern auch in anderen Städten Rumäniens erlebt wurde, wie der Kommunismus für alle ethnischen Minderheiten im Land schädlich war, darunter die Bărăgan-Deportation der Banater oder die Russlanddeportation der Rumäniendeutschen, die Zwangsarbeit und kommunistischen Gefängnisse. Der rote Faden der Ausstellung reicht von den ersten Tagen der Revolution in Temeswar über die Proklamation von Temeswar bis zu den ersten freien Wahlen in Rumänien im Mai 1990. Die Ausstellung debattiert auch darüber, was Gerechtigkeit in Rumänien nach dem blutigen Dezember 1989 bedeutete, und am Ende, wenn man an dem Spiegel vorbeikommt, in dem man sich selbst so betrachten kann, wie man heute ist, gibt es ein großes Fragezeichen: Wurden die Schuldigen von damals wirklich bestraft? „2021 haben wir die Ausstellung über die Ereignisse vom 15. bis 22. Dezember 1989 in Temeswar eingeweiht. Nun haben wir es jetzt geschafft, in einem viel größeren Projekt die Geschichte mit den anderen Märtyrerstädten Rumäniens fortzusetzen, einschließlich Bukarest und mit einem sehr wichtigen Raum, der Temeswar 1990 gewidmet ist, denn wir sind der Meinung, dass die Revolution in Temeswar auch nach dem Dezember 1989 weiterging. Von hier kommen wir mit der Erzählung bis in die Gegenwart, 2022, dem Jahr, in dem wir uns nach 33 Jahren fragen, ob es überhaupt mal Gerechtigkeit gab und ob die Wahrheit über die Revolution letztendlich bekannt ist. Wir versuchen, diese Fragen zu beantworten. Wir haben der Geschichte des Kommunismus in Rumänien viel Platz eingeräumt, beginnend mit dem Jahr 1945, mit den ersten Deportationen von Deutschstämmigen in die UdSSR, dem Gulag und vielen tragischen Momenten in der rumänischen Geschichte“, sagt Gino Rado, der Vorsitzende des „Memorialul Revoluției“-Vereins.
Jüngere Vergangenheit zum Erleben
„Die Ausstellung konzentriert sich auf Emotionen. Ich denke, es ist leicht zu verstehen, weil es intuitiv den Informationsteil mit dem Installationsteil, den Fotos, den Aufnahmen und den Artefakten verbindet und den Besucher in den größeren Kontext der Zeit vor 1989 einführt. Jeder kann besser verstehen, warum die Revolution nicht nur in Rumänien, sondern auch im übrigen Osteuropa begann. Es ist keine Ausstellung, durch die man einfach hindurchgehen kann, man kann sie erleben“, sagt Architektin Silvia Tripșa, die Kuratorin der Ausstellung. „All diese Ausstellungen, die sich insbesondere an die jüngere Generation richten, sind eine Hommage an diejenigen, die für die Freiheit gekämpft und ihr Leben geopfert haben, und sollen die Erinnerung an sie und die Ereignisse von 1989 wachhalten. Alle Zeugnisse müssen bewahrt und gelesen werden, um zu verstehen, was heute um uns herum geschieht“, schließt Gino Rado.
Die neue komplexe Dauerausstellung „(r)evolution? Gelebte Geschichte 1945-1989-2022“ ist ein Projekt des „Prin Banat“-Vereins und ist Teil des Kulturprogramms Temeswar 2023 – Kulturhauptstadt Europas. Das 40.000-Euro-Projekt wurde von der Stadt über das Projektzentrum und vom Kreisrat Temesch/Timiș über das Programm „TimCultura 2022“ finanziert.
Goldenes Zeitalter im Visier
Mitte Dezember wurde innerhalb des Museums auch die Ausstellung „Golden Flat“ (Die goldene Wohnung), eine Installation des Künstlers Alexandru Potecă, eröffnet. Das Projekt wurde vom Museum der Schrecken des Kommunismus in Rumänien (Muzeul Ororilor Comunismului din România) in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte der Revolution in Temeswar konzipiert und bezieht sich auf die Ceaușescu-Zeit zwischen 1974 und 1989, die von der Propaganda der Kommunistischen Partei in Rumänien als das „Goldene Zeitalter“ dargestellt wurde. Diese Zeit war jedoch durch Enteignungen, Repressionen und die Intensivierung der Parteipropaganda bei gleichzeitiger Verschärfung des Drucks, den die Securitate auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausübte, gekennzeichnet. Der rumänische Künstler Alexandru Potecă hat sich dieser der Öffentlichkeit weniger bekannten Epoche genähert, indem er durch eine künstlerische Umschreibung des Begriffs Goldenes Zeitalter auf die materielle Kultur und die Gegenstände des alltäglichen Lebens aus dieser Zeit Bezug nahm. So kann man fast eine komplette Wohnung mit Möbel, Haushaltsgeräte und Objekte, darunter auch ein Fernseher mit Glasfisch darauf als Dekor, eine Schreibmaschine und ein Telefongerät mit Wählscheibe – alles im Gold – sehen.