ADZ-Reihe Wertvolle Jugendbücher: Wenn Herzen aus dem Takt geraten...

„Herzslam“ von Jaromir Konecny, Ravensburger Verlag,ausgeliehen in der Bibliothek des Goethe-Instituts Bukarest, Calea Dorobanți 32/Pavilion, www.goethe.de/bukarest

Lea und ihre beste Freundin Sofie sind ganz begeistert: Bei einem Gedichtwettbewerb wurden sie ausgewählt, eine Woche in einem romantischen Schloss an einem Poetry-Slam-Workshop teilzunehmen. Eine Woche lang keine Schule – nur schreiben, dichten, mit Gleichgesinnten, bestimmt auch Jungs. Ohnehin ist Schreiben Leas Lieblingsbeschäftigung. Ständig notiert sie gute Gedanken in einem Notizbuch.  Sofie hat da ganz andere Vorstellungen. Ihr Riesenkoffer verrät: Modenschau ist angesagt! Bloß immer perfekt gestylt sein für Klassenzimmer, Freizeit, Partys und Ausflüge. 

Doch dann trifft die beiden High-Society-Gymnasiastinnen der kalte Schreck: Die anderen Teilnehmer sind – Hauptschüler! Auf Kulturschock pur haben sie auf einmal keine Lust mehr. Ist Lea doch gerade Opfer eines ziemlich peinlichen Scherzes eines Hauptschul-Rüpels geworden. Nun hat sie ihren Spitznamen weg: Kondombitch! Was hat sie auch nicht aufgepasst, als der Typ ihr beim Verlassen des Drogeriemarktes etwas in die Tasche geschmuggelt hat. Und dann sein dreckiges Grinsen! Hauptschul-Prolls, hatte Sofie abwertend geurteilt. Und mit solchen sollten sie eine Woche verbringen? Lieber sterben.

Schon der erste Eindruck im Bus ist nicht gerade vielversprechend. Die Ghetto-braut: schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß, Mini und Highheels, krass überschminkt, als wären die Lippen zu dick mit Erdbeermarmelade beschmiert. Jenny! Der Name passt zu ihr, urteilen Lea und Sofie abfällig. Dann die Dicke mit den geschmacklosen Klamotten, die sich mit dem peinlichen Namen Diva vorstellt. Sofie kann sich ein süffisantes Schmunzeln nicht verkneifen. Am schlimmsten aber ist Bruce: Proletenverhalten, Witze unter der Gürtellinie – kann der über-haupt schreiben? Geschweige denn, dichten?  Und der Tscheche, der Sofies Koffer geschleppt und beim Essen das Geschirr abgeräumt hat, stellt sich am nächsten Tag als Kursleiter heraus! Sofie hatte ihm noch gnädig einen Euro zugesteckt und zu Lea geätzt: Wetten, dass der hier die Küchenhilfe ist?

Doch langsam, langsam purzeln die Mädchen von ihrem hohen Ross herunter. Poetry Slam bietet allen Raum für Ausdruck, Feingeistig trifft auf Stiefelderb, Frust auf Lust, Lebenslügen, Ängste, Hoffnungen mit reingepackt. „Hast du mich zumindest geliebt, wie andere Kinder geliebt werden, als ich noch nicht da war?“, dichtet Jenny. „Für meinen Vater“ scheibt der Russland-Aussiedler Boris: „Harte Hände und löchrige Taschen / Weinende Wände und Wodkaflaschen.“ 
Mühsam aufgebaute Schalen platzen ab: In so manchem Proleten steckt ein echter Poet, muss Sofie sogar an Bruce erkennen. Und ausgerechnet ein blähender Bohneneintopf schweißt Jenny und Lea zusammen. 

Und dann ist da noch Julia – Überraschung! –, Leas  Grundschulfreundin, die es damals nicht aufs Gymnasium geschafft hat. Gemein, wenn das Schulsystem einen plötzlich  trennt, muss Lea erkennen. Und, dass man sich auch in einen Hauptschüler verlieben kann. Wenn nur Sofie nichts davon mitbekommt... Doch die ist gerade selbst auf „Abwegen“. Kein Wunder, wenn es in dieser Gruppe manchmal heftig kracht und die Herzen aus dem Takt geraten.

Um Liebe und Mut, Vorurteile und Klischees, ungleiche Freundschaften und Grenzgänge rankt sich dieser turbulente Roman in Wortwitz und erfrischender Jugendsprache, die nicht immer über der Gürtellinie bleibt. Dazwischen: böse Jungs und gestohlene Badeklamotten, romantische Reime aus dem Gebüsch im Mondenschein, ein schockierender unfreiwilliger Internet-„Auftritt“, Schlammcatchen zwischen Mädchen  und schließlich der große öffentliche Poetry-Slam-Wettbewerb am Ende, bei dem Lea unter absolut gar keinen Umständen auftreten will, aber doch so gerne die Berlin-Reise gewinnen würde... Was für ein Konflikt!

Die Gedichte in diesem Wälzer stammen übrigens von echten Poetry-Slam Künstlern, denen der Autor die Erlaubnis zur Verwendung abgerungen hat. Am Ende erkennt man, was in jeder Lebenslage hilft: Wenn dich das Schicksal gerade so richtig an die Wand fährt - oder auch, wenn du dich langweilst in deiner Glamour-Jungmädchenwelt : Schnapp dir nen Stift und dichte! 


Die monatliche ADZ-Reihe „Wertvolle Jugendbücher“ möchte Kinder und Jugendliche zum Lesen in deutscher Sprache anregen. Die Bücher sind in den deutschsprachigen Bibliotheken des Goethe-Instituts auszuleihen