„Letztes Jahr um diese Zeit standen die Leute Schlange, um einen Tisch im Restaurant dort drüben zu bekommen. Der Gehsteig war voller Menschen. Stellen Sie sich das vor! Diese Straße war so lebendig! Und jetzt das…“ Káli József steht in seinem kleinen Souvenirladen in der Ortschaft Praid und schüttelt hoffnungslos den Kopf. In seinem Laden verkauft er seit vielen Jahren Kühlschrankmagneten mit der Salzmine, Naturkosmetik und viele Salzprodukte. Es ist schon Nachmittag, doch es waren kaum Kunden im Laden.
Schlange stand man früher auch für den Bus, der in die Salzmine fuhr, erzählt er uns. 120 Meter unter der Erde gab es eine verborgene Stadt mit riesigen Spielplätzen, Restaurant, Cafés, einer Kapelle und sogar einer Bibliothek. Man konnte ganze Stunden dort verbringen. Nun ist diese unterirdische Salzstadt für immer verschwunden.
Eine halbe Million Besucher pro Jahr
Das Salzbergwerk Praid war eine der bekanntesten Attraktionen des Szeklerlandes und zog jährlich eine halbe Million Touristen an, die in den unterirdischen Ruheräumen von dem einzigartigen Mikroklima profitierten, um Atemwegserkrankungen, Asthma und andere Leiden zu behandeln. Doch eine Naturkatastrophe im Monat Mai hat dies für immer verändert. Starke Regenfälle ließen den Bach Korond anschwellen, durchbrachen das schützende Geotextil der Mine und überfluteten die unterirdischen Kammern. Seitdem ist die Mine vollständig geschlossen. Das Ausmaß des Schadens ist erschütternd: Schätzungsweise sieben Millionen Kubikmeter Wasser überfluteten die Stollen des Bergwerks – das entspricht ungefähr der Salzproduktion von fünfzehn Jahren, die aufgelöst wurde. Nach Aussage der Betroffenen wird das Salzbergwerk Praid, wie wir es einst kannten, nie wieder öffnen. Obwohl das Wasser des Korond inzwischen umgeleitet wurde, scheint die Salzmine nicht mehr zu retten zu sein. Ein beliebter Kurort ist weg. Und somit auch die Einkommen der Einwohner, die fast ausschließlich vom Tourismus und Salzbergbau lebten.
Zu Sommerbeginn, als die erschütternde Nachricht auf allen Bildschirmen zu lesen war, gab es ein Foto, das besonders ergreifend war. Es zeigte die Bergleute aus Praid, die bis zum letzten Moment versucht hatten, einen Teil der Mine zu retten. Sie hatten es nicht geschafft und traten weinend an die Oberfläche. Die Salzmine, die ein Teil ihres Lebens gewesen war, gibt es nicht mehr. Die Schließung ist nicht nur ein wirtschaftliches Desaster, sondern hat auch tiefe Wunden in der Gemeinde hinterlassen. Seit der Katastrophe fragen sich Bewohner, Behörden und Touristen: Wie geht es weiter?
Touristen haben Urlaub abgesagt
Es ist ein regnerischer Juli-Nachmittag, an dem wir durch die Straßen von Praid gehen. Die Gaststätten sind leer, auf der Straße sieht man kaum einen Menschen.
Sehr gerne wären wir ins Salzwasser-Strandbad gegangen, doch bei diesem Wetter ist es unmöglich. „Auch bei schönem Wetter kommt leider niemand mehr“, sagt uns ein Mann, der am Eingang steht. Es gibt sogar ein zweites, privates, Strandbad Richtung Odorhellen.
Das moderne Wellness-Zentrum wurde leider so stark überschwemmt, dass es vorübergehend geschlossen wurde. All diese Einrichtungen waren für die vielen Touristen gedacht, die Jahr für Jahr zur Kur kamen. Sie verbrachten wenigstens zwei Wochen in Praid. Jetzt kommen sie höchstens für ein Wochenende. Der Tourismussektor des Bergwerks brachte laut Informationen aus der Lokalpresse jährlich etwa 10 Millionen Euro ein. Davon profitierte ein Großteil der Bevölkerung – etwa 2000 Gästehäuser waren im Dorf in Betrieb. Jetzt bringen sie fast kein Einkommen mehr. „Ganz viele Leute, die ihren Urlaub schon mehrere Monate im Voraus gebucht hatten, haben nun abgesagt“, erzählt uns die Inhaberin einer kleinen Pension am Waldrand. Obwohl es regnet, baden ein paar Gäste im erhitzten Außenpool oder sitzen im Whirlpool. Andere gehen in die Sauna oder genießen einen warmen Tee auf dem Balkon. Die Hälfte der Pension ist besetzt und in diesem Sommer hofft die Inhaberin auf weitere Wochenend-Touristen. Doch was im Herbst und Winter passieren wird, weiß sie noch nicht.
„Dieses Kapitel in der Geschichte von Praid ist zu Ende“
Aus einem kleinen Souvenir-Laden in der Nähe des Bergwerks kaufen wir pure Salzseife (die antibakteriell und entzündungshemmend wirken soll) und große Plastikeimer mit Badesalz, in das Heilpflanzen gemischt wurden. Ein Eimer reicht für 10 Bäder, die man am besten an nacheinander folgenden Tagen nehmen soll, damit der Effekt garantiert ist, wie uns der Verkäufer rät. Besonders an kalten, regnerischen Herbsttagen tut ein Bad mit Praid-Salz Wunder: es entspannt und wirkt gegen Stress und Müdigkeit. Auch Salzblöcke packen wir in den Kofferraum. Diese stellt man auf den Heizkörper, um die Luftfeuchtigkeit im Haus zu reduzieren. „Der Vorrat an Salz-Produkten wird vielleicht noch zwei Jahre reichen. Vielleicht drei, weil jetzt viel weniger Touristen mehr kommen“, meint Káli József. „Und danach?“, fragen wir. „Danach werden wir zum Arbeiten ins Ausland gehen. Hier bleibt uns ja nichts zu tun. Es ist aus. Man muss es akzeptieren. Dieses Kapitel in der Geschichte von Praid ist zu Ende“.
Die Inhaberin eines anderen Souvenir-Ladens in der Nähe der Salzmine ist etwas optimistischer. „Die Behörden suchen zurzeit nach Lösungen. Und es wird sicher eine Lösung für uns geben“.
Doch diese Lösung ist noch lange nicht in Sicht, denn die Durchführbarkeit der Eröffnung eines neuen Bergwerks bleibt sowohl aus technischer als auch aus finanzieller Sicht ungewiss. Andere touristische Alternativen, wie zum Beispiel Abenteuerparks, können nur saisonal betrieben werden und können die früheren ganzjährigen Einnahmen nicht erreichen. Vorläufig wird der Staat den Betroffenen einen Schadenersatz zahlen, dafür stehen 100 Millionen Lei zur Verfügung. Ladenbesitzer, Inhaber von Pensionen oder Gaststätten erhalten eine nicht rückzahlbare Finanzierung, die 15% ihres Umsatzes aus dem Vorjahr beträgt.
Andere 200 Millionen Lei dienen der Behebung der Schäden, die die Überschwemmungen verursachten. In einem Supermarkt auf der Hauptstraße wollen wir Wasser und Schokolade kaufen. Die Regale sind leer bis auf ein paar Produkte. Der Supermarkt ist pleite und wird im nächsten Monat schließen, erzählt uns die Verkäuferin. Sie selbst wird bis im Monat Dezember Arbeitslosengeld bekommen. Danach muss sie einen anderen Job finden. „Das ist aber schwer. In Sowata gibt es nur wenig neue Arbeitsplätze und Odorhellen ist weit, das Pendeln wird schwierig sein“. Auch der Tourismus in den Nachbarsortschaften ist stark beeinträchtigt. In Korond erzählen uns die Leute, dass weniger Keramik gekauft wird. Der Kurort Sowata scheint gut besucht zu sein. Das Restaurant „Der kleine Pilz“ neben dem Bären-See ist jedenfalls voll. In einem Laden auf der Hauptstraße werden Ledertaschen verkauft, die in der Region angefertigt werden. Der Verkäufer meint, dass vor der Katastrophe in Praid viele Touristen aus der Republik Moldau nach Sowata kamen. „Dreimal pro Tag fuhren Reisebusse von den großen Hotels in Sowata nach Praid und brachten Touristen zur Salzmine. Sowata war auch deshalb attraktiv, weil es nahe an Praid liegt“, meint er.
In einem Hotelrestaurant, wo wir am nächsten Vormittag frühstücken, finden wir etwas mehr Optimismus. Es gibt trotz zahlreicher Absagen dennoch einige Touristen. „Nächste Woche wird eine Gruppe von Bloggern kommen, sie berichten dann über die Angebote in der Region und vielleicht werden dann mehr Touristen kommen.“ Auch zu Sommerbeginn, als die Mine geschlossen wurde, haben viele bekannte Tourismus-Blogger dazu aufgerufen, Urlaub in Praid zu machen. „Auch wir können helfen – indem wir in einer Pension ein Zimmer buchen, indem wir in einer Gaststätte essen, indem wir Souvenirs kaufen. Die Gegend ist wunderschön und hat auch ohne Salzmine viel zu bieten“– so etwa lauteten die Aufrufe. Und es ist wahr – in der Gegend gibt es so viel zu erleben, dass ein Wochenende nicht ausreicht. Am Wichtigsten ist, man hilft damit den Betroffenen.
Die Verantwortung liegt beim Staat
Für die kritische Lage in Praid wurden 60 Millionen Euro Notfallfonds bereitgestellt. Doch diese Situation hätte vermieden werden können, zumal Fachleute seit Jahren vor einer möglichen Katastrophe warnen. Die Tatenlosigkeit staatlicher Institutionen hat dazu geführt, dass im 21. Jahrhundert, eine der größten und ältesten Salzvorkommen Europas, die auf die Römerzeit zurückgeht, zerstört wird. Finanzmininster Tanczos Barna ist nur einer von vielen, die das Zurücktreten der Vorsitzenden der staatlichen Unternehmens Salrom und Apele Române fordern, die die Situation hätten vermeiden sollen. Die Verantwortung liegt beim Staat, der nun eine Lösung finden muss. Sonst riskiert er, dass nicht nur eine Mine, sondern ein ganzes Dorf seine Zukunft verliert. Vergeblich versuchen wir, mit dem Bürgermeister über die Situation zu reden. Zuerst verspricht er, zurückzurufen, dann geht er nicht mehr ans Telefon.
Auf unserem Rückweg zum Auto erblicken wir hinter den Souvenirläden den versperrten Eingang zur Salzmine. „Noroc bun! Jó szerencsét!” steht mit weißen Großbuchstaben über dem Eingang. „Glück auf!“ ist der Spruch, den sich Bergleute aus der ganzen Welt untereinander wünschen. Er soll ausdrücken, dass man gesund und sicher wieder aus dem Bergwerk herauskommt.
Vielleicht gibt es das Glück doch, denken wir. Vielleicht wird dennoch ein Wunder passieren und Praid wird gerettet.
Was kann man in der Region tun?
PRAID
Schmetterlingshaus
Das vor Kurzem eröffnete Schmetterlingshaus in Praid ist sicherlich eine Attraktion. Exotische Schmetterlinge ruhen auf Pflanzen, Wänden oder am Boden. Wenn es draußen regnet, bewegen sie sich überhaupt nicht. So können wir ihre Farbenpracht besser bewundern. Manche sind so groß wie eine Handfläche, man würde sie fast streicheln. Bei Sonnenschein fliegen sie herum.
Das Museum hat auch ein Cafe und einen kleinen Souvenirladen. Hier gibt es unter anderem Bücher rund um Schmetterlinge, Kühlschrankmagneten, die von einem lokalen Designer gestaltet wurden und köstliche Lebkuchen in Herzform.
Strandbäder
In den beiden Strandbädern kann man in Salzwasserpools schwimmen. Wer in Salzwasser badet, tut sich Gutes: das Immunsystem wird gestärkt, die Schleimhäute in den Atemwegen befeuchtet, gereinigt und geschmeidig gemacht, der Zellstoffwechsel angeregt und das vegetative Nervensystem gestärkt. Wichtig: Nach dem Bad nicht abduschen, damit das Salzwasser gut in die Haut einwirken kann. Danach sich eine halbe Stunde ausruhen.
Wandern
Ein mit gelbem Punkt markierter Wanderweg führt durch das Tal des Harom-Flusses und steigt bis auf den höchsten Gipfel in der Region: Piatra [iclodului (1028 m). Die sieben Kilometer legt man in knapp zweieinhalb Stunden zurück.
KOROND
Keramik als Familientradition
Knapp 11 Kilometer entfernt liegt das Dorf Korond, wo in kleinen Läden am Straßenrand handgemachte Keramikteller und -Töpfe verkauft werden. In einem schönen großen Hof finden wir neben den traditioneller Keramik aus der Gegend ganz besondere Teller. Es sind Malereien auf großformatigen Platten, die die Geschichte Ungarns darstellen. Jozsa János hat sie angefertigt. Er ist ein Meister der traditionellen szeklerischen Keramik und führt das geerbte Familiengeschäft seit Jahrzehnten. Jozsa empfängt uns in seiner Werkstatt. Sein Schwiegersohn modelliert den Ton am Rad, seine Frau und Nichte malen Tonobjekte. Er setzt sich an seinen Platz und malt einen Keramiktopf mit dem spezifischen Korond-Blau. Mit seinen über 80 Jahren steht er noch immer gerade, wie eine Tanne, seine Hand zeichnet genaue Linien. Und er erzählt über seine Ausbildung, die Materialien, mit denen er arbeitet, die Liebe zum Handwerk.
Der Papageien-Garten
Im „Garten der exotischen Vögel“ aus Korond leben rund 40 Ziervögel.
Eine junge Frau führt uns durch den Garten und gibt Details zu den Papageien, Pfauen und Fasanen. Es sei eine Leidenschaft ihres Ehemannes. Weiße und Harlekin-Pfauen und Fasanen stolzieren in ihren Gehegen, Nilgänse baden mit Mandarin- und Amazonas-enten im Teich.
Doch das Highlight des ungewöhnlichen Gartens ist ein Großer Alexandersittich. Er grüßt uns höflich auf Englisch: „Hello!“ Auch auf Ungarisch kann er einige Worte, versichert uns seine Besitzerin.
SOWATA
Die Stadt der sechs Salzseen
Sowata wird für die Behandlung der dermatologischen und gynäkologischen, der lokomotorischen, der Herzkrankheiten sowie für die Behandlung von Rheuma empfohlen. Hier befindet sich der einzige heliothermale Salzsee in Europa: der Bärensee. Das Wasser dieses Sees ist zu einer Besonderheit des Kurortes geworden. Dank der Sonnenhitze, die auf die Oberfläche des Sees strahlt, wird das Salzwasser in Schichten erhitzt. So beträgt die Temperatur des Seewassers 10–20° C an der Oberfläche, 30–40° C in 1 m Tiefe und 40–60° C in 1,5 m Tiefe. Das im von der Sonne erwärmten See befindliche Chlor-Natrium-Mineralwasser wird als natürlicher Heilfaktor betrachtet. Auch der Heilschlamm aus dem See hat therapeutische Wirkung.Sowata ist sowohl für den Erholungs- als auch für den aktiven Tourismus zu empfehlen. Im Winter kann man hier auch Ski fahren!