Deutscher Cellist auf den Spuren seiner banatschwäbischen Familie

Florian Schmidt-Bartha hält Erinnerung an seinen verstorbenen Vater wach

Florian Schmidt-Bartha ist ein deutscher Cellist mit Banater Wurzeln. Seit einigen Jahren wandelt er auf den Spuren seiner Familie. Foto: Gernot Kaspersetz

Florians Vater, Reiner Schmidt, ist als Musiker in den 60er Jahren dem Kommunismus entkommen, indem er während der Pause eines Konzerts seines Streichquartetts in London durch das Fenster der Herrentoilette ausbrach.

Florians Großeltern – Hilda Elisabeth Bauer aus Grabatz und Franz Schmidt, genannt Feri, aus Gottlob

Der Onkel väterlicherseits, Richard Schmidt, (oben ganz rechts) war Handballspieler bei „Știința Lowrin“ aber auch bei „Politehnica Timișoara“. Fotos: privat

Florian Schmidt-Bartha wurde 1991 in Frankfurt am Main als Kind eines Rumäniendeutschen und einer schwedischen Sopranistin mit ungarischen Wurzeln in eine Musikerfamilie geboren. Seit drei Jahren kommt der Cellist jedes Jahr zur Saisoneröffnung des „Eufonia“-Festivals nach Temeswar/Timișoara. Das Land zieht ihn wie ein Magnet an, sagt er. Und das kommt nicht von ungefähr, denn der 34-jährige Musiker ist mit Rumänien seelisch verbunden. Sein Vater, Reiner Schmidt, stammte aus der Banater Ortschaft Gottlob. Als Profimusiker (Geige und Bratsche) ist Florians Vater 1969 aus dem kommunistischen Rumänien geflohen, indem er während der Pause eines Konzerts seines Streichquartetts in London durch das Fenster der Herrentoilette ausbrach. Erst Jahre später konnte er in seine Heimat zur Familie zurückkehren. Über dieses Ereignis habe er seiner Frau, Clarry Bartha, und seinen Kindern, Florian und Arabella, später erzählt. „Musik war für ihn ein Mittel, ein privilegiertes freies Leben zu führen“, erzählt nun der junge Musiker Schmidt-Bartha. Nun aber verspürt er den Drang, wieder auf den Spuren seiner Familie zu wandeln, zumal ihm dies eine Verbindung zu seinem vor einigen Jahren verstorbenen Vater schafft. 

„Ich komme aus einer äußerst musikalischen Familie, die durchaus auch eine komplizierte Geschichte hat“, erzählt Florian Schmidt-Bartha lächelnd. Auf der Terrasse des Timi{oara-Hotels hat der junge Musiker Anfang September knapp eine Stunde Zeit, sich mit der ADZ zusammenzusetzen. Dann heißt es weiter proben und am Abend ein Konzert geben. Doch die Familiengeschichte zu teilen, sei ihm wichtig, lässt er wissen.

In der Familie seines Vaters in Gottlob war es üblich, wie einst im Banat, ein Instrument zu spielen. Doch Reiner Schmidt war der erste, der das auch professionell gemacht hat. Musik kann so viele verschiedene Facetten haben – davon war der Vater von Florian fest überzeugt. Es war eine Möglichkeit, aus dem unterdrückerischen Rumänien sowohl methaphorisch als auch physisch zu flüchten. Den Druck, der auf der deutschen Familie im Kommunismus lastete und die wiederholten Ungerechtigkeiten, denen sie immer wieder ausgesetzt wurden, ließen das Fass langsam überlaufen. 

Die Familie wurde von den Kommunisten enteignet, dann 1951 in den Baragan verschleppt. Über 40.000 Menschen unterschiedlicher Ethnien, davon etwa ein Viertel Rumäniendeutsche, wurden Anfang der 50er Jahre aus dem Grenzgebiet zum damaligen Jugoslawien in die zwischen der Hauptstadt Bukarest und der Donau gelegene B˛r˛gan-Steppe deportiert. Die Verschleppung endete 1956.

1955 kehrte Familie Schmidt zurück ins Banat, hatte aber, wie viele anderen deutsche Familien dort, kein leichtes Leben. Reiner Schmidt, der jüngste Sohn, führte aber seine Leidenschaft zur Musik ein Stück weiter und gewann so an Hoffnung, durch Musik dem oppressiven Regime in Rumänien zu entkommen.

Nachdem er die deutsche Schule in Temeswar besucht hatte, studierte Reiner Schmidt Musik in Klausenburg/Cluj-Napoca und wurde anschließend Mitglied eines rumänischen Streichquartetts. Ende der 60er Jahre fand er damit während eines Konzerts in London die Chance zur Freiheit. Diese Chance nahm der damals fast 30-Jährige ohne Bedenken wahr. „Mein Vater erzählte mir oft: Wir waren als Quartett eigentlich zu neunt, denn jedes Mitglied hatte einen Aufpasser von der rumänischen Securitate und auch diese Aufpasser hatten einen Aufpasser. Ich versuche es mir bloß vorzustellen, wie es war“, sagt Florian Schmidt-Bartha. In der Pause des Konzerts in London konnte Reiner aber aus dem Fenster der Herrentoilette in der Umkleidekabine des Konzertsaals entkommen. So ist er direkt zur deutschen Botschaft gegangen, hat einen deutschen Pass bekommen, ist anschließend nach Deutschland gefahren und hat sich dort niedergelassen. „Allein ein deutscher Pass – das war das einzige, was er besaß. Freiheit war ihm aber sein wertvollstes Eigentum“, erzählt der junge Musiker über seinen Vater.

Die Großeltern in Rumänien wurden für eine Zeit zur Securitate gerufen und befragt, erst einige Jahre später konnte die Familie wieder zusammen sein, denn durch den Freikauf der Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung konnten die Schmidts nach Deutschland auswandern. Auf deutschem Boden angekommen, ließ sich die Familie in München nieder – ein Ort, wo es schon eine Gemeinschaft aus Rumäniendeutschen gab, wo dann die banatschwäbische Kultur weiterhin am Leben erhalten werden konnte. 

„Je älter ich werde, interessiert mich um so mehr, meine Wurzeln zu finden und mehr über die Familien meiner Eltern zu erfahren“, sagt der junge Musiker. Als lebende leibliche Verwandte väterlicherseits hat er nur noch einen Onkel – den Bruder seines Vaters, Richard Schmidt. Der ehemalige Handballer (u.a. für „Politehnica Temeswar“) lebt weiterhin in München, kann Florian noch über die Familie erzählen. Alte Bilder und Familienerinnerungen bewahrt er wie Heiligtümer auf. 

2006 war das Jahr, als Florian zum ersten Mal nach Rumänien kam. Die Reise unternahm er damals zusammen mit seinem Vater. „Es war ihm wichtig, dass wir das gemeinsam machten“, erzählt der deutsche Musiker. So haben sie zusammen Temeswar, die Stadt der Jugend seines Vaters, besucht sowie die Ortschaften Gottlob und Gra-batz, wo die Familie das Haus seiner Großmutter zurückbekommen hat und es weiter als Familiensitz pflegte.

Florian Schmidt-Bartha spielt ein Cello von Jean Baptiste Vuillaume (Paris, 1844) und lebt in Berlin und seiner Heimatstadt Boxberg (Baden), wo er seit 2022 die Rosengartenkonzerte, eine von seinen Eltern vor 25 Jahren ins Leben gerufene Konzertreihe, als künstlerischer Leiter fortführt.

Als Musiker studierte Florian bei Orfeo Mandozzi und Julian Steckel in Würzburg, Rostock und München. Mentoren für ihn waren renommierte Cellisten wie Heinrich Schiff, David Geringas, Natalia Gutman, János Starker und Wolfgang Boettcher. Während seiner Studienzeit war er Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Seine Tätigkeit als Kammermusiker und Solist führte ihn bisher durch fast ganz Europa, nach Russland, in die Türkei, nach Australien und in die USA, in die wichtigesten Konzerthäuser und –Säle der Welt. 

Zu den zahlreichen Festivals, Musikevents und Projekten, an denen er sich aktiv beteiligt, zählt nun seit einigen Jahren auch das „Eufonia“-Festival in Temeswar. „Durch Eufonia bin ich mit der Barockmusik in Kontakt gekommen, aber was ich am meisten liebe, ist es, dass das Festival so stark mit der Stadt verbunden ist und es ein starkes soziales Konzept fördert – wir spielen auf Dörfern, in Schulen, in Kinder- und Altenheimen. Das ist mir als Musiker wichtig: Mit und für Menschen zu spielen“, schließt Florian Schmidt-Bartha. Jedes Jahr markiert das „Eufonia“-Festival den Saisonbeginn für den Musiker. Auch 2025 ist Florian Schmidt-Bartha in Temeswar wieder mit dabei.