„Die Projekte sollten von der Jugend für die Jugend organisiert werden“

Seit Mai 2025 ist Corina Stănese die neue Vorsitzende der ADJ

Corina Stănese Foto: Aurelia Brecht

Gerade kommt sie von einem Festival, jetzt sitzt sie im Büro, wo sie der Alltag wieder hat. Zwischen Laptop und stetig aufblinkendem Handy nippt sie zwischendurch am Kaffee, überlegt sorgsam, bevor sie ihre Antwort formuliert. Corina Stănese, im Mai 2025 zur Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen (ADJ) gewählt, wirkt, als könnte sie nichts aus der Ruhe bringen. Die ehemalige Brukenthalerin trat dem Jugendforum des Hermannstädter Forums bereits als Jugendliche bei. Später engagierte sich immer wieder im Bereich der Forums-Jugendarbeit. Zunächst studierte sie Architektur und Restaurierung in Hermannstadt/Sibiu, 2016 ging sie nach Wien: Sie wollte etwas Neues versuchen, arbeiten, sich ausprobieren. Sieben Jahre bleib sie, studierte dort „Marketing und Sales“. Irgendwann zog es sie wieder zurück nach Hermannstadt. Hier arbeitet sie außerdem als Kulturreferentin des Siebenbürgenforums. Über ihre neue Rolle bei der ADJ hat sie mit ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht gesprochen.

Sie sind schon länger in der Forumsarbeit aktiv. Wie kam es dazu?

Ich bin in der neunten Klasse der Jugendgruppe des Forum beigetreten. Auch aus dem Bedürfnis heraus, eine Gruppe zu haben und an etwas teilzunehmen, bei dem man neue Leute und neue Sachen kennenlernen kann. Hinzu kam, dass ich damals gerade die Schule wechselte und auch deshalb auf der Suche nach einer neuen Gruppe war. Dass ich beigetreten bin, kam über Freunde zustande, die schon länger in der Tanzgruppe des Hermannstädter Jugendforums aktiv waren: Diese Brukenthaler, die ich damals kennengelernt habe, öffneten mir die Tür. Dort habe ich meine jetzigen Freunde kennengelernt – wir waren damals eine sehr starke Gruppe. Nach dem Abitur habe ich dann sehr viel Jugendarbeit gemacht, war auch bei der Organisation des ersten Holzstock-Festivals in Holzmengen/Hosman dabei. Das, was mich daran am meisten angezogen hat, war die Zusammenarbeit. Es war damals sehr ausgeprägt, die Projekte gemeinsam zu organisieren – wir wurden nicht zu irgendetwas eingeladen, sondern haben die Veranstaltungen selbst gestaltet. Es hieß: Die Finanzierung gibt es – was möchtet ihr damit machen? Denkt euch was aus.

Sie haben länger in Österreich studiert. Wie hat Sie ihr Aufenthalt dort beeinflusst?

Am meisten hat es mich in meiner Art zu denken beeinflusst und darin, wie ich jetzt Dinge priorisiere. Ich bin dort auf eine extreme Offenheit gestoßen – der Umgang mit Menschen, im Beruflichen und im Persönlichen, war ein bisschen anders als in Rumänien. So habe ich dort nach und nach verstanden, wo meine Grenzen liegen. Meine Erwartung, dass die Leute alle gleich sind und immer dasselbe denken, hat sich verändert. Ich glaube, in Wien bin ich auf eine Heterogenität gestoßen, bei der ich merkte: Da gibt es eine Menge sehr unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Backgrounds, die trotzdem sehr gut zusammenarbeiten. Im Studium dort habe ich meine Grenzen entdeckt, weil es sehr streng und auch anstrengend war. Die drei Jahre Bachelor in Wien waren viel kompetitiver als das Studium hier.

Was macht Ihnen an Ihrer Tätigkeit besonders Spaß?

Als Vorsitzende der ADJ möchte ich den nächsten Generationen dazu verhelfen, mit einer Gruppe zu wachsen, mit der man selber Sachen gestalten kann. Dieser Wunsch hat mich dazu motiviert, hier wieder in die Jugendarbeit einzusteigen. Denn es war für mich in meiner Jugendzeit so wertvoll, Dinge auszuprobieren und dabei im Grunde auch Jobs auszuprobieren: Weil wir ja Projekte durchgeführt haben oder an Jugendschulungen teilgenommen haben. Nach einer dieser Schulungen konnte ich mich als Campleiterin internationaler Work-Camps ausprobieren und habe so Menschen aus der ganzen Welt getroffen. Das hat mir schließlich die Chance eröffnet, zu erkennen, was ich machen will, was mir gefällt, und zu erkennen, wer ich bin. Von meiner Erfahrung ausgehend habe ich selber meine Ideen entwickelt, wie man Dinge umsetzen und auch besser machen könnte.

Und zwar?

Ich möchte versuchen, die Zielgruppe der elften, zwölften Klasse und der Studenten durch Projekte zu unterstützen, ihre große Bandbreite von Fähigkeiten und Kenntnissen zu entwickeln. Damit die jungen Menschen im Moment ihrer beruflichen Wegfindung nicht allein gelassen werden. Sie sollen verstehen, dass es verschiedene Fähigkeiten gibt, die sie auch mitbringen, die in den unterschiedlichsten Jobs willkommen sind. Ich wusste damals nicht, wie das, was ich kann, mit einem Job zusammenpassen könnte und man eigentlich nicht nur Medizin, Jura oder Ingenieurswesen studieren kann. Ich habe erst mit der Zeit und durch Ausprobieren verstanden, in welchen Bereichen ich gut bin. Deshalb möchte ich versuchen, die Leute abzuholen. Ich möchte ihnen ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten vorstellen und Projekte so gestalten, dass sie ein bisschen hinter die Kulissen schauen können. Das ist auch die Zielgruppe, die uns gerade am meisten fehlt. Im Bereich Kinder- und Jugendarbeit stehen wir sehr gut da – aber es gibt diesen Cut bei den jungen Erwachsenen.

Wo liegen die Schwierigkeiten in Ihrer Tätigkeit?

In der Jugendarbeit der ADJ führen wir einen Kampf um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen. Heutzutage gibt es so viele Medien, die einen ablenken. Dieses Zugehörigkeitsgefühl, das ich damals als Jugendliche gesucht habe, weil ich weniger Optionen hatte, gibt es jetzt vielleicht nicht mehr so direkt. Als Jugendlicher kann man sich heute auch zu Hause allein „entertainen“. Vielleicht fühlen sich Jugendliche heutzutage auch nicht genug verstanden und lenken sich deswegen ab. Wir kämpfen schon damit, dass die Jugendlichen ein bisschen rauskommen aus ihrer digitalen Welt.

Was bedeutet die deutsche Minderheit für Sie?

Die deutsche Minderheit war immer sehr stark präsent und damit eine Normalität für mich: Mein Vater ist in Hermannstadt neben dem Erlenpark aufgewachsen und als er ein Kind war, lebten dort sehr viele Siebenbürger Sachsen. Dadurch ist mir die Geschichte sehr bewusst. Die Siebenbürger Sachsen haben hier in der Stadt Strukturen geschaffen, von denen auch ich profitiert habe: Ich hatte zum Beispiel die Möglichkeit, das Brukenthal-Lyzeum zu besuchen. Das ist eben meine Gemeinschaft, auch wenn ich mit ihr nicht blutsverwandt bin. Die Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe, haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin.

Welche Projekte organisieren Sie aktuell?

Bei der ADJ fand gerade das zweite Kindersprachferienlager statt. Wir machen zu Beginn und am Ende des Sommers eins, weil die Anfrage so hoch ist, wir nie genug Plätze haben und wir deshalb leider immer Leuten absagen müssen. In einer Woche kommen dabei 60 bis 65 Kinder zusammen: Es gibt ein Ferienlagerprogramm mit Spielen, Teambuilding und Wanderungen. Danach organisieren wir das Tanzgruppentreffen: Das ist unsere meistbesuchte Veranstaltung. Da gab es Jahre mit 200 Teilnehmern und ein Publikum von über 300 Personen. Es bringt unsere Volkstanzgruppen aus ganz Rumänien zusammen – dort werden neue Tänze, auch moderne Tänze gelernt. Am Schluss wird gezeigt, was man gelernt hat. Ende des Jahres organisieren wir die Jugendschulung, bei der unsere aktivsten Jugendlichen Weiterbildungen machen können – man ist zusammen, hat Spaß und lernt etwas dabei.

Was möchten Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzende der ADJ bewegen?

Ich möchte Jugendlichen vermitteln, wie Projektorganisation funktioniert. Sie zum Mitmachen animieren, ihnen Verantwortung übertragen. Damit sie genau wissen, warum sie etwas organisieren und wie sie sich über dieses Engagement selber besser kennenlernen können. Damit wir auch die Projekte anbieten können, die auf die jetzige junge Generation zugeschnitten sind.

Was möchten Sie mit der Jugendarbeit der ADJ erreichen und vermitteln?

Mir ist wichtig, dass man etwas gemeinsam erschafft und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird. Aber ich möchte ein Beispiel geben: An der Uni in Österreich sollte ich in meiner mündlichen Englischprüfung frei über das Thema „Toleranz“ sprechen. Die Lektorin, die selber nicht aus Österreich stammte, hat mich gefragt, ob ich denke, dass ich privilegiert bin, weil ich als Rumänin in Österreich lebe und aussehe wie die Österreicherinnen. Es hat mich ziemlich verwirrt, dass so eine Frage in einer Prüfung vorkam. Ich habe geantwortet, dass ich nicht weiß, wie Menschen außerhalb von Rumänien sich vorstellen, dass ein Rumäne typischerweise aussieht, aber dass ich aus einem Land und vor allem aus einer Region komme, wo es viele „mixed ethnicities“ gibt und dass ich kein Bild von dem Rumänen zeichnen könnte. Es ist auch irgendwie schön, aus so einer Gegend zu stammen: Ich glaube schon, dass es für mich damals als Teilnehmerin am Jugendforum und auch jetzt wichtig ist, sich auch mit der deutschen Minderheit zu identifizieren und sich darüber im Klaren zu sein, dass man in einem multiethnischen Kontext zusammenkommt.

Wo liegen Ihre persönlichen Stärken und wie könnten Sie diese in die Jugendarbeit einbringen?

Ich glaube ich bin recht kreativ, bringe aber auch eine analytische Komponente mit. So kann man einen guten Weg finden, Ziele auch zu erreichen. Ich bin sehr interessiert an Menschen, an dem, was sie denken oder fühlen, und ich glaube, ich kann sehr gut mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren. Ich bin neugierig auf ihre Interessen. Ich fühle mich sehr frei, wenn ich mit ihnen zusammen bin, weil ich ab und zu selber noch in diese Gefühls- und Gedankenwelt zurück möchte. Es ist wichtig für mich, dieses Gefühl möglichst lange beizubehalten.

Wie sieht derzeit die Zusammenarbeit von Forums- und Jugendarbeit aus? Wie kann sie weiterentwickelt werden?

Zurzeit ist die Jugendarbeit ziemlich unabhängig vom Forum. Natürlich gibt es gemeinsame Ziele. Aber ich glaube, es ist auch wichtig, dass die Jugendlichen selber darüber entscheiden können, was ihnen wichtig ist. Die Projekte sollten von der Jugend für die Jugend organisiert werden. Was noch fehlt, ist die Gestaltung des Übergangs von der Teilnahme an der Jugendarbeit zum späteren Engagement und zur aktiven Teilnahme im Forum. Wir müssen uns die Frage stellen: Was können wir anbieten, damit die Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiter an der Arbeit des Forums interessiert bleiben?

Würden Sie dort etwas ändern wollen?

Wenn man vielleicht mehr Themen behandelt, wie etwa Nachhaltigkeit, Natur und Wandern, dann kann man damit alle ansprechen – und auf diesem Weg zivilgesellschaftliches Engagement fördern.

Wo möchten Sie in den nächsten Jahren Akzente setzen?

Ich würde wirklich gerne das Eis mit den Studenten brechen und ihnen die für sie wichtigen Themen anbieten. Denn wenn man diese Zielgruppe anspricht und zusammenbringt, könnte man die Publikumslücke zwischen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen schließen. Dann müsste man, wenn eine Generation geht, nicht immer wieder von vorne anfangen, neue Leute anzusprechen, damit sie sich engagieren, sondern es gäbe einen Art Kreislauf.