„Die schönste Flussenge Europas“

Eine Schifffahrt auf den Donaukesseln am Eisernen Tor

Auf der Donauprinzessin ins Abenteuer | Fotos: George Dumitriu

Hingestreute Dörfer, Flussmündungen oder kleine Golfe ziehen am Ufer vorüber.

Auf der Strecke liegt auch das im 16. Jh. gegründete und nach der Revolution wieder aufgebaute Kloster Mraconia.

Kein historisches Monument, aber immerhin die größte Statue Europas: das Felsgesicht von Dakerkönig Decebal

Das Kloster Sfânta Ana in Orschowa

Dort, wo die smaragdgrüne Donau durch schroffe Felswände bricht, wo die Sonne bewaldete Ufer in gleißendes Licht hüllt und vom Stausee gezähmte Wirbel leise gluckern… Dort flüstern sich die Wellen Geschichten zu: Vom Einmarsch der Römer ins Dakerland; vom Stifter des Kloster auf der Anhöhe über Orschowa, dem Zeitungsverleger Pamfil Șeicaru, als Dank dafür, dass er an jener Stelle im Ersten Weltkrieg eine Explosion überlebte; von den Verzweifelten, die aus der Düsternis des kommunistischen Regimes flüchtend, hier einen kalten, nassen Tod fanden, und vielleicht ein namenloses Grab auf serbischer Seite; von der von den Wassermassen verschlungenen sagenhaften türkischen Insel Ada Kaleh...

Leise tuckert die „Prințesa Dunării“ an der Stelle der versenkten Insel vorbei. Diese und 18 Siedlungen hat der 1972 befüllte Stausee zum Eisernen Tor – der größte hydrotechnische Bau Europas, erzählt der Kapitän – unter sich begraben, darunter auch das alte Orschowa. Wir gleiten den lichtgrünen Flusslauf hinan in Richtung der Kleinen und Großen Donaukessel durch die wildromantische Donauenge (rum. „Clisura Dunării“). Die Ufer säumen Pensionen, Hotels, Strände und Bootsanlegestellen. Stimmungsvolle Musik tönt aus dem Bordlautsprecher, während links und rechts bewaldete Ufer, Sandsteinküsten, schroffe Felsen, hingestreute Dörfer, Flussmündungen oder kleine Golfe vorüberziehen. Über allem ein blitzblauer Himmel mit weißen Wattewölkchen, als wäre hier nie etwas anderes geschehen als Kameraklicken und Füßegetrappel zwischen Mittel- und Oberdeck auf der Suche nach dem besten Fotomotiv. Nur der Wind bläst uns trotz Sommerhitze die Haare vom Kopf.

Die dreistündige Schifffahrt lohnt sich. Ganz anders als von der Straße, viel grüner und idyllischer, präsentiert sich die Donaulandschaft zwischen Rumänien und Serbien vom Wasser aus. Auf serbischer Seite erstreckt sich das Timoc-Tal der Woiwodina. Weiße Kreuze am Rande eines Dorfes erinnern an ertrunkene Flüchtlinge aus Rumänien. So mancher Schwimmer hat sich aber auch von den Lichtern der eigenen, gewundenen Küste täuschen lassen und in Orschowa um Asyl angesucht… Rechts taucht jetzt Eșelnița Nouă auf, auch eine dem Stausee gewichene, versetzte Ortschaft. „Hier kann man Urlaub machen wie in Griechenland, man hat Berge, Boote, alles“, schwärmt der Kapitän.

Gleich gleiten wir in den Kleinen Donaukessel hinein, vorbei an der Trajanstafel auf serbischer Seite. Auf dieser hat der römische Kaiser seinen ersten Angriffskrieg auf das Dakerreich im Jahr 101/102 dokumentiert. Zwei weitere Tafeln liegen unter Wasser und sind nicht mehr lesbar – zwei Anläufe, dann hatten die Römer 106 Decebals Truppen besiegt. Direkt dahinter markieren zahlreiche Wirbel die Einfahrt in den kleinen Kessel. Die folgende, acht Kilometer lange Strecke hat „National Geographic“ als „die schönste Flussenge Europas“ bezeichnet.

Wir gleiten in den Kleinen Donaukessel, den das in Fels gehauene Gesicht von Decebal majestätisch überblickt. Nein, er stammt nicht aus der Dakerzeit, sondern wurde erst im letzten Jahrhundert vom Geschäftsmann Iosif Constantin Drăgan gestiftet. „Der einzige, der Rumänien nicht ausgebeutet, sondern dem Land etwas geschenkt hat“, bemerkt der Kapitän. Und, dass Drăgan auch noch einen Trajan in Fels schlagen lassen wollte, doch weil er 2007 verstarb, blieb auch der Decebal unvollendet – mit 55 Metern Höhe und 27 Metern Breite sei er dennoch die höchste Statue Europas.

Auf der serbischen Seite gegenüber taucht jetzt einer der fünf alten Schiffsnavigationstürme auf. Die dort noch sichtbare riesige Kugel regelte einst die Schiffahrt: War sie hochgezogen, wurde donauabwärts gefahren, war sie heruntergelassen, donauaufwärts.

Spektakulär ist der Dreh des Ausflugsschiffs kurz vor der Ausfahrt des Großen Donaukessels: Rasch den Filmkasten zücken und das 360-Grad-Panorama einfangen! Es ist dies wohl der schönste Ort der gesamten Strecke, umgeben von Bergen, auf denen sich der Nationalpark Eisernes Tor erstreckt. Und der tiefste: an der mit 92 Metern engsten Stelle der Donau geht es hier doppelt so tief hinunter!

Auf der Rückfahrt plaudert der Kapitän noch ein wenig über das Schiff: Die Donauprinzessin (www.vaporprintesadunarii.ro) ist derzeit mit 120 Plätzen das größte Ausflugsschiff in Orschowa und wurde in der Ukraine gebaut. Eingesetzt war sie lange Zeit in der Nordsee. Am Ufer von Orschowa aber wimmelt es von Ausflugsschiffen- und booten, die Fahrten in die Donaukessel anbieten.

Nach der Schifffahrt bietet sich ein Besuch des orthodoxen Klosters Sfânta Ana auf dem Dealu Moșilor an, der sich leicht mit dem Pkw und recht mühselig mit einem Reisebus erklimmen lässt. Oben angekommen, eröffnet sich einem ein gigantisches Blütenmeer! Die Samen der vielfältigten Blumen wurden von regelmäßigen Besuchen aus Regensburg mitgebracht, erzählt die Oberin des Nonnenklosters, Maica Justina Popovici, die übrigens sehr gut deutsch spricht. Vor der Klosterkirche ist der Kirchenstifter, Pamfil Șeicaru, Journalist und Gründer der Tageszeitung „Curentul“ mit einer Auflage von einst 300.000 Exemplaren, begraben: 2005 wurde sein Leichnam aus Dachau, wo er zuletzt im Exil gelebt hatte, hergebracht. Sein Schicksal dokumentiert das Klostermuseum: 1916 als junger Unteroffizier im Ersten Weltkrieg an dieser Stelle von einer Explosion verschüttet, nahm er sich vor, hier später zum Dank ein Kloster zu stiften. 1937, inzwischen zu Geld gekommen, war es so weit: drei Jahre dauerte der Bau, doch die Weihe musste 50 Jahre warten. Im Kommunismus wurde der Komplex als touristisches Vergnügungszentrum missbraucht. Während des Zweiten Weltkriegs war Șeicaru von Marschall Ion Antonescu nach Spanien entsandt worden, um Friedensverhandlungen vorzubereiten, doch während seiner Reise ereignete sich der Seitenwechsel Rumäniens und er musste im Exil verbleiben. Er lebte bis 1975 im Ausland, wo er, seines Vermögens verlustig geworden, bei verschiedenen Freunden wohnte und 1975 in Deutschland verstarb.

Hinter der Klosterkirche entschädigt ein überwältigender Ausblick auf die in zartes Abendlicht getauchten Donaukessel für die geballte Ladung an tragischer Geschichte. Und es ist die gleiche Sonne, die schon Decebals Reich beschienen hat, und die gleiche Donau...