Wenn Regina Lochner aus der rumänischen Küche an ihrem neuen Einsatzort Izmir in der Türkei etwas vermissen wird, dann die „Sarmale“. Natürlich ist das eine Nebensache, wenn es um den diplomatischen Dienst der noch in Temeswar und Westrumänien amtierenden deutschen Konsulin geht, doch wenn etwas diese Diplomatin auszeichnet, die auch vom Demokratischen Forum der Deutschen im Banat mit der Ehrennadel in Gold ausgezeichnet wurde, so ist es ihre Menschlichkeit und die Nähe, die sie zwischen sich und den Banatern entstehen hat lassen. Am Freitag hat Regina Lochner ihren ersten Arbeitstag in der neuen Dienststelle, im Bereich Verwaltung- und Visaangelegenheiten des Deutschen Generalkonsulats in Izmir, der Perle der Ägäis, angetreten. Ein Fazit, das die Höhepunkte und vielleicht auch den ein oder anderen kritischen Blick auf die Deutschen in Westrumänien wirft, ist folgendem Gespräch kurz vor Amtszeitende mit ADZ-Redakteurin Astrid Weisz zu entnehmen.
Beim Abschiednehmen diese Tage wiederholten Sie einige Male, man solle Sie nicht vergessen. Warum ist Ihnen das wichtig?
Ja, weil ich auch hier niemanden vergessen werde und ich würde gerne den Menschen in guter Erinnerung bleiben.
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Es begann mit der schrecklichen Pandemie, die es schon schierig machte überhaupt hier anzukommen, weil alle möglichen Flüge erstmal abgesagt wurden. Bei der Kennenlernrunde war es gerade mal wieder eine Phase, wo man die Maske nicht so ganz häufig tragen musste und man konnte nur ein paar Veranstaltungen machen. Den ersten 3. Oktober, also im Jahr 2021, konnten wir gar nicht feiern – das fand ich alles ganz schrecklich. Das erste Jahr ist mir dadurch fast verloren gegangen. Doch im Jahr 2022 ist es dann ja langsam besser geworden und die Zeit seither habe ich als eine sehr beglückende Zeit wahrgenommen, denn ich konnte dienstlich hier so viele Dinge tun. Ich habe so viele interessante Menschen kennengelernt, so viele interessante Gegenden bereist, Dinge gelernt, dass das noch lange in meinem Gedächtnis bleiben wird.
Was war das, was Ihnen als Aufgabe hier besonders Spaß bereitet hat?
Die vielen kulturellen Veranstaltungen, aber auch Besuche in Schulen, Kontakt mit jungen Leuten, Besuche in anderen Gegenden, die mir sonst schwergefallen wären zu bereisen, denn man kommt nicht einfach so nach Sathmar oder nach Großwardein oder nach Reschitza. Ich habe so viele interessante Menschen kennengelernt, mit denen mich auch was verbunden hat und immer noch verbindet. Und von daher war das einfach die eindrucksvollste Komponente.
Sie haben gesagt, Sie haben auch viel gelernt. Was zum Beispiel?
Also ich hatte vorher nur so eine ungefähre Ahnung von der deutschen Siedlungsgeschichte hier und bin natürlich jetzt vielleicht auch immer noch kein Experte, aber ich weiß zumindest eher Bescheid. Und natürlich lernt man, wenn man hier länger lebt, nicht nur die Geschichte und Kultur der Banater Schwaben oder der Berglanddeutschen oder der Sathmarer kennen, sondern auch etwas über die anderen hier: die Rumänen, die anderen Minderheiten. Von vielen hatte ich vorher auch nur eine ungefähre Vorstellung. Und das ist wie so ein kleines Puzzle, was sich so zusammensetzt und dann irgendwann kriegt man ein Bild, was doch, denke ich, vielfältiger ist als das, was viele andere Menschen haben, die nicht die Gelegenheit hatten, hier ein bisschen länger zu leben oder Kontakte mit Menschen von hier zu haben.
Wie haben Sie die Banater Deutschen erlebt?
Ich habe durchgehend positive Erfahrungen gemacht. Alle waren immer sehr nett zu mir und haben mir auch vieles von sich mitgeteilt. Und sie haben mich auch teilhaben lassen an ihren Veranstaltungen, an Projekten. So denke ich, habe ich damit ein gutes Bild gewonnen von den vielfältigen Aktivitäten.
Inwiefern ist denn das deutsche Konsulat in Temeswar für die deutsche Minderheit hier zuständig?
Wir sind vor allen Dingen hier angetreten, um auch die deutsche Sprache zu fördern. Das ist der Bereich, in dem wir am meisten handeln, durch Zuschüsse zu allen möglichen Dingen, also für Vereine, für Zusammenschlüsse. Wir sind verantwortlich für die deutschen Lehrer, die hier an den Schulen unterrichten, die die deutsche Sprache ja auch tatsächlich mit fördern. Und diese Sprach- und Kulturförderung ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit derjenigen, die sie in Anspruch nehmen.
Wo sehen Sie die Stärken und wo die Herausforderungen der deutschen Minderheit in Westrumänien?
Die Stärke ist sicherlich das Geschichtsbewusstsein, das unbedingte Bewusstsein, dass das auch eine wertvolle Sache ist, dass man die Traditionen, die Kultur und die Sprache bewahrt. Das Problem kommt mit der abnehmenden Zahl der Mitglieder dieser Gruppe und dass damit das ganze Gefüge auch etwas unter Druck gerät. Und wenn es eben nicht mehr selbstverständlich ist, dass man Deutsch spricht, dann ist das der erste Schritt in eine schwierige Situation, wo vieles nicht mehr selbstverständlich ist. Deswegen ist es so wichtig, diese deutsche Sprache auch zu bewahren, nicht nur in Brauchtumsveranstaltungen, sondern im täglichen Leben. Und die Angehörigen dieser Minderheit tun auch gut daran, diese Sprache ein bisschen selbstbewusster zu sprechen.
Ich war gestern bei einer Vernissage. Die zeigte Werke einer Künstlerin, die jetzt einzuordnen gar nicht so leicht ist, denn sie ist Angehörige der ungarischen Minderheit, ist hier geboren, lebt aber in Deutschland. Die Veranstaltung war in drei Sprachen: Alle sprachen das, was sie am besten konnten, Ungarisch, Deutsch, Rumänisch. Und alle haben einander verstanden oder hatten zumindest eine ungefähre Ahnung davon, was die anderen beiden Sprachen jeweils angeht. So soll es eigentlich sein! Das wird niemals so hundertprozentig umgesetzt werden können. Aber man kann es trotzdem anstreben, dass Menschen, die hier leben, sich selbstverständlich auch in anderen Sprachen mitteilen können. Wenn das erreicht werden könnte, wäre das fantastisch.
Wie sehen Sie diese Vielfalt in Kultur und Sprache, auch Ethnie?
Das ist natürlich ein großer Schatz, den die Menschen haben. Und ich würde mir wünschen, dass sie diesen Schatz auch wirklich bewahren und nutzen. Dass es hier so eine große Vielfalt gibt, ja auch schon innerhalb der katholischen Bevölkerung, aber natürlich leben neben der Mehrheitsbevölkerung, die rumänisch-orthodox ist, auch Protestanten jeder Couleur, also Lutherische und Calvinisten und Freikirchen und so weiter, also schon eine sehr, sehr große Bandbreite, die anderswo vielleicht nicht so sichtbar ist. Hier in Temeswar ist sie auch schon deswegen sichtbar, weil es so viele schöne Kirchtürme gibt. Und man muss natürlich auch bewundernd zugeben, dass das Miteinander dieser verschiedenen Konfessionen hier vorbildlich ist. Denn alle kommen, bis auf sicherlich manche Detailfragen, doch einigermaßen gut miteinander aus. Es gibt auch viele konfessionsverschiedene Ehen und Familien. Aber das wird – so jedenfalls mein Empfinden und mein Erleben – nicht zum Drama. Das ist anderswo durchaus nicht normal.
Man sieht hier doch, dass der Austausch und eben das Mit-einander stärker ist, als es die Unterschiede sind. Was auch ein sehr beeindruckendes Faktum ist, ist, dass die jüdische Gemeinschaft, so klein sie jetzt hier ist, ihren Platz hat und dass sie auch in diesem Umfeld des Austausches, der Ökumene, auch mittut, obwohl das natürlich nicht ihre Gemeinschaft ist und sie sich dem auch bewusst aussetzt.
Sie haben Temeswar als Kulturhauptstadt erlebt, aber auch die Zeit davor und danach. Wie war das?
Es war, denke ich, für alle, die daran mitgewirkt haben, eine ziemliche Kraftanstrengung, in diesem einen Jahr so viele Veranstaltungen durchzuführen, so viele Projekte zu starten, auch so viel Aufmerksamkeit irgendwo zu erhalten. Es ist jetzt nicht so, dass dieses eine Jahr Kulturhauptstadt Temeswar nachhaltig verändert hätte. Aber es hat Dinge angestoßen, und ich glaube, mehr kann man auch fast nicht verlangen. Ich denke, das Bewusstsein dafür, dass man für Kultur und Kulturveranstaltungen auch ein bisschen werben muss, das ist geblieben, zumal schon deutlich feststellbar ist, dass mehr über Kultur geschrieben wird, mehr mitgeteilt wird, auch mehr berichtet, auch hier und da kritisch betrachtet wird. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit internationaler Art für Temeswar ist gewachsen, aber ich glaube, da kann man noch nicht ganz zufrieden sein.
Was in Temeswar selber feststellbar ist, ist, dass aktiv dazu beigetragen wird, dass sich das Gesicht der Stadt ein bisschen aufhübscht, denn so viele Gebäude sind renoviert worden. Es wird so viel an neuen Anstrichen gemacht, die auch teilweise historische Vorbilder aufnehmen, sodass das Bild der Stadt auch sehr viel schöner geworden ist.
Wie präsent waren „deutsche“ Veranstaltungen in dieser Zeit?
Wir haben einiges gemacht. Darüber gibt ja der Konsularische Kulturkalender zuverlässig Auskunft. Wenn man in der Rückschau sieht, wie viele Veranstaltungen tatsächlich dann zusammengekommen sind, bei denen deutsche Dinge irgendwas, irgendeine Bedeutung haben, kann man ja nur beeindruckt sein.
Sie haben in Ihrer Amtszeit das Konzept von „Kaffee, Kuchen und Kultur“ eingeführt. 13 Mal haben solche Treffen stattgefunden, wo Sie gerade die Leute zusammengebracht haben, die hier deutschsprachige Kultur fördern und das im weitesten Sinne: in der Theater- oder Musikszene, im Bildungswesen oder bei den deutschsprachigen Wirtschaftsleuten. Sie haben alle Akteure an einem Platz zusammengebracht. Ist das Konzept aufgegangen?
Ich denke, das war eine der erfolgreicheren Veranstaltungen, die wir gemacht haben, „Kultur bei Kaffee und Kuchen – KKK“. Wir spielen mit diesem KKK. Ich mag das gerne, denn das hat noch eine andere Konnotation, das, was Frauen eigentlich mal tun sollten – Kinder, Küche, Kirche. Aber wir machen daraus eben entweder den Konsularischen Kultur-Kalender oder Kultur bei Kaffee und Kuchen. Es kostete nicht sehr viel, aber an einem genialen Ort, einem Café hier in der Gegend, mit einer sehr, sehr leistungsfähigen Gastronomie und in einer Atmosphäre, die es offensichtlich ermöglichte, dass diejenigen, die kamen, gerne miteinander geredet haben und gerne auch neue Menschen kennengelernt haben, neue Ideen aufgenommen haben und so einfach auch diesen Austausch gefördert haben. Ich denke, das war eine sehr, sehr gute Gelegenheit und wir haben das nicht überstrapaziert, zumal die Treffen einmal im Vierteljahr stattgefunden haben.
Was schätzen Sie oder würden Sie als Highlights Ihrer Amtszeit hier in Temeswar bezeichnen?
Der Besuch des Herrn Bundespräsidenten, das muss für jeden Konsul ein Highlight sein. Das waren schon verrückte eineinhalb Tage und natürlich hat uns die Arbeit davor schon ziemlich angestrengt, aber es war ein großes Erlebnis. Vor allen Dingen deswegen, weil dieser Besuch in einer Atmosphäre stattfand, die nicht besser hätte sein können: mit einem wunderbaren Wetter, guten Temperaturen, alle Leute waren freundlich, fast alles hat wunderbar funktioniert. Und der hohe Gast hat es auch genossen. Was kann schöner sein?!
Die Banater Heimattage waren ein Höhepunkt, zweimal habe ich sie mitgemacht. Eigentlich war jede Kirchweih irgendwo ein Höhepunkt. Die große Liebe, mit der die Trachten gepflegt werden und auch der Volkstanz, Volksmusik, wunderbar. Ich würde mich noch mehr freuen, wenn es noch ein bisschen darüber hinaus ginge, denn nicht alle Jugendlichen mögen den Volkstanz. Wir müssen sie auch irgendwo noch in einer anderen Weise an die deutsche Kultur he-ranbringen. Aber da habe ich sowohl in Temeswar als auch im ganzen Amtsbezirk auch mit anderen Aktivitäten, Theaterspielen der Jugendlichen oder Wettbewerben so schöne Erlebnisse gehabt. Das werde ich nicht vergessen.
Als praktizierende Katholikin haben Sie sich in der Banatar Glaubensgemeinschaft auch eingebracht und waren nicht nur zu Gast bei den Messen, sondern haben diese, ob nun im Dom, in Radna oder bei Messen, bei den zahlreichen Kirchweihfesten, bei denen Sie auch anwesend waren, mitgestaltet, indem Sie Lesungen übernommen haben oder mitgesungen haben. Warum, Frau Konsul?
Na ja, Sie sagen es. Ich bin in den bescheidenen Möglichkeiten, die ich habe, katholisch. Ich habe keine Schwierigkeiten, das zuzugeben und den Glauben auch, soweit es mir möglich ist und soweit ich es hinbringe, zu praktizieren. Deswegen gehe ich halt zur Kirche. Und es ist irgendwann einmal so gewesen, noch in der Übergangskirche, St. Katharina, als der Dom renoviert wurde, dass ich gebeten wurde, eine Lesung zu übernehmen. Und das hat sich dann irgendwie weiter so eingebürgert. Und ich mache es gerne, muss ich auch sagen. Ich bin gerne ein Lektor. Ich bin das aber auch eigentlich fast nur hier gewesen, denn anderswo hat mich niemand gebeten, das zu tun. Und ja, das Singen, das ist mir halt gegeben.
Haben Sie dadurch auch mehr Anschluss zur katholischen Glaubensgemeinschaft oder den deutschen Katholiken hier in im Banat gefunden?
Oh ja, ganz sicher. Denn die Menschen, die sonntags die Messe besuchen, hätte ich sonst vielleicht nicht kennenlernen können. Es ist ja nicht so, als ob man dann danach noch irgendwelche großen Dinge zusammen tut. Aber so vom Sehen und vom einen oder anderen Wort, was man miteinander wechselt, kenne ich sie halt doch. Und das war auch immer schön.
Ist man dann leichter hier angekommen?
Ich denke schon, ja.
Und wie ist das mit dem Weggehen jetzt?
Das Weggehen ist auch Teil meines Berufs. Ich kann es nicht ändern. Seitdem ich im Auswärtigen Dienst bin, seit 1982, also 43 Jahre, ist es immer so gewesen, dass ich sehr streng begrenzte Zeiten des Verweilens hatte. Man konnte es früher vielleicht ein bisschen besser als heute noch ausdehnen, wenn man irgendeinen guten Grund hatte. Ich habe es hier auch versucht, aber mein Ministerium wollte nicht. Die wollten mich jetzt eben woanders hinschicken. Und da kann ich nur sagen, wie ein Soldat, der dorthin geht, wo man es ihm sagt, muss ich auch gehen.
Fällt es Ihnen schwer?
Ja.
Mit welchen Erwartungen treten Sie Ihre neue Arbeitsstelle an?
Ich weiß nicht, ob ich mich zu Erwartungen versteigen würde. Ich habe Hoffnungen, dass erst mal alles einigermaßen glatt geht, da hinzukommen und sich zu installieren. Ich hoffe, dass ich auch dort nette Menschen finde, mit denen ich Kontakt haben kann, dass ich auch dort ein bisschen Kultur machen kann, im bescheidenen Rahmen dessen, was mir möglich ist. Ich werde dort als Stellvertreterin des Generalkonsuls und Leiterin der Verwaltung tätig sein. Das ist eine verhältnismäßig große Dienststelle mit über 60 Mitarbeitern, deren Aufgaben ziemlich andere sind als die der Vertretung hier, mehrheitlich eine Frage der Erteilung von Visa und ganz wenig Kultur.
Wir danken für den Einsatz, die Offenheit und das Gespräch!