Anfang des Sommers 2025 feierte der Dokumentarfilm „Pro Musica – Vreme trece, vreme vine“ seine Premiere – ein beeindruckendes filmisches Porträt über die legendäre rumänische Rockband Pro Musica und ihre über 50-jährige Geschichte (die ADZ berichtete). Im Zentrum steht Gründungsmitglied und Gitarrist Ilie Stepan, der nicht nur die musikalische DNA der Band maßgeblich geprägt hat, sondern auch als Zeitzeuge durch ein halbes Jahrhundert rumänischer Musik-, Kultur- und Zeitgeschichte führt. Im folgenden Interview, das die ADZ-Redakteurin Andreea Oance im Vorfeld der Premiere führte, spricht Stepan über emotionale Rückblicke, künstlerische Überzeugungen, den langen Weg durch Zensur und Diktatur – und über die Kraft der Freundschaft und Musik.
Ilie Stepan, wir sind im Jahr 2025 und blicken zurück auf 52 Jahre Pro Musica-Geschichte – in Form eines Dokumentarfilms. Was bedeutet das für Sie?
Zunächst einmal ist es ein Gemisch aus Freude und Nostalgie. Ein tief empfundenes, innerliches Gefühl, das jetzt in hohem Maße gewachsen ist. Die 52 Jahre der Band waren auch pionierhaft – in Musik, in Kunst –, aber wir mussten uns auch der niederträchtigen kommunistischen Zensur stellen, der Engstirnigkeit eines Systems, das die Menschenrechte kaum oder gar nicht verstand, ebenso wenig das Recht der Jugend, Musik zu machen für die Gesellschaft, in der sie lebte. Und zugleich erlebten wir auch außerordentlich schöne Dinge. Diese Erfahrungen haben zusammen eine sehr dauerhafte, künstlerische Freundschaft zwischen uns gegründet.
Die 52 Jahre, die im Film reflektiert werden – ist auch eine Chronik der Zeit.
Ja, absolut. Die Produktion des Films ist für uns alle, die Teil von Pro Musica waren, ein Anlass zur Freude. Es ist die Chronik einer Epoche. Wir sprechen ja von 1973, dem offiziellen Gründungsjahr der Band, doch alles begann viel früher – schon ab etwa 1967 wurden wichtige Stücke wie „Glossa“ oder „Plecările“ komponiert. Diese Songs, insbesondere „Cocorii“, schließen auch den Film ab. Auch viele Bands aus Schul- und Jugendzeiten wie Rivoli Group 4, Marțienii oder Arheopterix flossen schließlich in unsere Geschichte. Im Oktober 1972 entstand auf einem Schulblatt der Name Experimenții Supercubub, als Vorläuferidee von Pro Musica. Der erste offizielle Auftritt war dann am 15. Januar 1973 am Pädagogischen Gymnasium.
Der Film hat uns die Dimension dessen offenbart, was in den 52 Jahren passiert ist. Das ist wirklich sehr wichtig: Der Umfang dessen, was wir getan haben, wird greifbar. Leider gibt es so viele Dinge, die aus Platzgründen nicht im Film Platz gefunden haben: In diesen etwa 98 Minuten Laufzeit inklusive Abspann sind bei Weitem nicht alle Themen abgehandelt worden, die man hätte erwähnen können. Doch es wurde ausgewählt, was gesagt werden musste – und manches hätte es verdient, erzählt zu werden. Dennoch vermittelt der Film einen Rahmen, eine Dimension unseres gesamten Schaffens. Und das schafft Zufriedenheit – nach all den Jahren, mit Höhen und Tiefen, echten Leistungen und auch Dingen, die wir nicht realisiert haben. Eine Besonderheit unserer Band war, dass es kaum Konflikte untereinander gab, keine Streitereien – was man bei anderen Bands durchaus kennt.
Ja, es gab Trennungen: einige wichtige Bandmitglieder verließen das Land vor 1989 mit Pass, viele flohen. Es gab schmerzhafte Abschiede, auch von Freunden, die inzwischen verstorben sind. Solche Verlustgefühle sind Teil dieser Geschichte – doch sie formen den vollständigen Rahmen dessen, was geschehen ist.
Was war schwieriger: eine Band über so viele Jahrzehnte lebendig zu halten oder der künstlerischen Entwicklung treu zu bleiben?
Eine sehr gute Frage. Die Antwort wäre sehr umfassend, aber kurz gesagt: Es war ein anspruchsvoller Balanceakt. Das emotionale Schreiben eines Stücks – ein oder mehrere Songs – prägt letztlich den Stil unserer Band, den wir mit allen Mitgliedern kreiert haben. Viele haben komponiert, nicht nur ich. Trotz innerer und äußerer Widerstände gelang es uns, Stil und Identität zu bewahren.
Rückblickend war vieles damals nicht schwer erscheinend – doch heute, mit der Erfahrung und dem Lebensalter, fällt einem die Verarbeitung dieser Zeit deutlich schwerer. Doch wir haben damals Dinge in ihrer Zeit getan – mit jugendlichem Elan, trotz Einschränkungen durch das kommunistische Regime. Auch eine Rock-Oper in den 80ern wurde elfmal von der Zensur geprüft und mehrfach gekürzt – dennoch: wir blieben standhaft und machten weiter.
Jetzt, nach über einem halben Jahrhundert, ist es eine existentielle Etappe, die ich stark spüre. Ich denke über das zurückgelegte Leben nach – und dieses Interview hilft dabei, Erinnerungen zu ordnen. Pro Musica war stets ein präziser Beobachter der Zeit. Im Doku soll besonders jüngeren Generationen vermittelt werden, wie das Leben früher war in Rumänien – manche sind nostalgisch nach etwas, das sie nicht selbst erlebt haben.
Was würden Sie jungen Musikern noch mit auf den Weg geben, vor allem wenn es um begeisterte Musiker geht?
Ich sage: Arbeit. Vertrauen in sich selbst. Seid ehrlich im Ausdruck und vergesst nie den Respekt vor dem Publikum. Der Weg zum Ruhm ist hart – und noch schwerer ist es, sich zu halten. Es gibt heute enorme Budgets, der Wettbewerb mit massentauglicher Musik ist groß. Trotzdem: nicht aufgeben. Wertschätzt eure Energie, kanalisiert sie und bewahrt euren frischen Blick. Die Gemeinschaft rund um Pro Musica war immer ein Kraftfeld – Freundschaft, Glaube, Liebe – sie tragen und prägen. Ich hoffe, das spürt das Publikum.
Wie haben sie sich die Reaktion des Publikums zum Film vorgestellt?
Ich wäre sehr glücklich, wenn das Publikum – besonders die, die uns lange begleitet haben, den Einsatz wertschätzt. Und für die jungen Zuschauer, die uns vielleicht nur aus Erinnerungen oder Berichten kennen: Ich hoffe, sie sehen die Freundschaft, die Wahrheit und den positiven Geist, den wir mit unserer Musik vermitteln wollten. Wir haben es nicht bloß als Programm gedacht, sondern gelebt.
Wie war es für Sie, sich selbst im Film zu sehen? Ihre persönliche Lebensgeschichte auf der Leinwand?
Besonders bewegend waren die Dokudrama-Szenen, in denen jüngere Schauspieler mich zwischen 32 und 42 Jahren dargestellt haben – großartige Performances, etwa von Claudiu Dugaru und Adam Suma. Diese Szenen waren emotional tief berührend. Ich habe mich in den beiden Darstellern wiedergefunden. In jedem einzelnen von ihnen. Ich hatte das Gefühl, mit ihnen dort zu sein. Ich danke ihnen und allen, die zu diesem Film – der nur über ein begrenztes Budget verfügt hat, beigetragen haben, mit Leib und Seele dabei waren.