Ein Sommer, tausend Geschmäcker

Ein kulinarischer Streifzug durch Bukarests Terassen und Sommerrestaurants

Der ruhige Innenhof bei „Eshte“ (Strada Doamnei 15) | Fotos: der Verfasser

Gehobene Küche in einem etwas anderen Ambiente: „Kaiamo“ (Str. Emil Pangrati 30A)

Ein Hauch von Mittelmeer und italienisches Flair bei...

... „Belli Siciliani“ (Strada Mătăsari 47)

„Linea – Closer to the Moon“ oder Bukarest aus der Vogelperspektive...

...mit Sonnenuntergang über der Stadt von der Dachterasse (Str. Lipscani 17)

„The Savory Artisan“, ein echtes „Tribal Feast“ mit köstlichen Burgern und Salsiccia-Soße bei „Indigen“

Unter den Bäumen bei „J'ai Bistrot“... und die Welt steht still (Calea Griviței 55)

Wasser, Sand, Natur – nicht am Strand, sondern mitten in Bukarest, am Tei-See: „Indigen“

Bukarest ist keine Stadt, die man auf den ersten Blick ins Herz schließen kann. Sie ist launisch, überfüllt, hektisch, manchmal zu grau, manchmal zu gelb. Aber wenn man ihr Zeit gibt, wenn man sie buchstäblich kostet, beginnt sie, Geschichten zu erzählen. Und eine der köstlichsten davon wird auf Tellern und in Gläsern geschrieben, im Klirren der Bierkrüge und in den beschatteten Gärten der historischen Gebäude oder am Rande eines der Bukarester Seen. Ob aus der Vogelperspektive oder in Hipster-Stimmung, in eleganter Fine-Dining-Kleidung oder bei einem Imbiss am Straßenrand, sei es bei traditionell rumänischen Küche oder aber mit sizilianischen, griechischen, arabischen oder sogar japanischem Zügen, bietet die Food-Szene der Hauptstadt ein kleines bisschen von jedem Geschmack. Und Liebe geht doch auch durch den Magen – oder?

Terrassen, die eine Stimmung vermitteln

Es gibt Orte in Bukarest, die dich nicht zum Essen einladen, sondern zum Durchatmen. Der Garten „Eden” mit seinen unbepflasterten Alleen, vereinzelten Stühlen und Sonnenschirmen aus Blättern scheint wie für Träumer gemacht zu sein. Hier kommt es nicht darauf an, was du trinkst – sei es eine saure Limonade oder ein kühler Weißwein –, sondern darauf, dass du Zeit zum Trinken hast. Es ist eine Terrasse für gemächliche Tage mit Freunden, die nicht alle zwei Minuten auf ihr Handy schauen.

Ebenso beliebt sind auch der Garten der „Grădina Dorobanți“, in einem Hinterhof gleich an der Dorobanți-Straße, oder die „Terasa Verona“, hinter der Cărturești-Buchhandlung, gleich am hektischen  Magheru-Bulevard, oder aber das „Mercato Comunale“, gleich neben der Deutschen Botschaft.

Einen besonderen Vibe verleiht sicherlich das „J’ai Bistrot“. Nicht nur, weil es sich in einem alten Haus mit knarrenden Dielen befindet, sondern weil es die Art von Ort ist, an dem man sich fühlt, als wäre man schon einmal dort gewesen, auch wenn es das erste Mal ist. Die Musik ist immer passend, die Speisekarte scheint sich seit 2017 nicht verändert zu haben (auf eine beruhigende Art und Weise) und die Terrasse ist wie ein bohèmehaftes Wohnzimmer unter freiem Himmel. Ebenso beruhigend ist der Hinterhof von „Suento“, auf der Toamnei-Straße, wo man bei einer köstlichen 1-Liter-Limonade im Dickicht der Bäume die Zeit regelrecht vergisst.

Wer einen guten Kaffee ganz entspannt in der Altstadt genießen möchte, sollte unbedingt das gemütliche „Eshte“ im Hinterhof des Ghika-Palasts (derzeit die Spiru-Haret-Universität) aufsuchen (montags geschlossen). Vielleicht vom französischen Pandemie-Film „8 Rue de l’humanite“ inspiriert, scheint dieser Ort insbesondere am Abend tatsächlich aus einem romantischen Filmset zu kommen.

Und das bereits berühmte „Paque“ am Pache Protopopescu Bulevard bietet nicht nur am späten Nachmittag eine entspannende Antmosphäre, sondern auch an Wochenenden, mit Musik und Tanz bis spät in die Nacht.

Kleine Terrassen mit großem Herzen

Die schönsten Entdeckungen sind oft Zufälle. Eine Straßenecke, ein freundlicher Schatten, der Duft von gutem Kaffee. Orte wie „Beans & Dots“, „Trofic“ oder „Frudisiac“ locken nicht mit leuchtenden Schildern, aber sobald man sie gefunden hat, werden sie zu Lieblingsorten. Der Kaffee ist ehrlich, die Speisekarte ist klein, aber gut, und die Terrasse scheint immer voller Menschen zu sein, die an etwas schreiben – an einem Roman, einer Doktorarbeit, einem Traum.

Das Cotroceni-Viertel rühmt sich auch weiterhin mit der größten Anzahl Hinterhoflokale in Bukarest. Sei es das Teehaus „Ceainăria Infinitea“ mit einem breiten Angebot an unterschiedlichen Teesorten oder das „Throwback Cafe“ und die winzige „Kleine Garage“ mit einem minimalistischen, aber entspannenden Hinterhof. Fast an jeder Ecke dieses historischen Stadtviertels findet man teils romantische, teils ausgeflippte kleine Terassenlokale, die insbesondere an den Wochenenden des „Cotroceni-Straßenbasars“ voller Leute sind.

Unbedingt zu versuchen ist auch die „Ciorbărie“, unweit vom Victoriei-Platz: ein kleines Lokal am Straßenrand, nicht viel größer als ein Wohnzimmer, das sich mit den besten Suppen in Bukarest rühmt. Und nur wenige Minuten entfernt kann man das Hauptgericht auf der entspannten Terasse der „Burgeri și oase“ genießen.

Und wer nicht bis ins Zentrum fahren möchte, kann sich in seiner eigenen Gegend umschauen und sicherlich eine ruhige Terasse finden, wie das „Cinaș“ gleich am Bucureștii Noi Bulevard, das „Shogun“ im Drumul Taberei oder aber im Carol-Park, unter der Brücke, beim bereits ikonischen Restaurant „La Pod“. Auch bei „Zadar” in der Nähe des Nordbahnhofs gibt es immer eine entspannte Atmosphäre und die interessanteste Kundschaft: von Universitätsprofessoren und Wissenschaftlern bis zu Leistungssportlern und Künstlern.

In Parks und an Seen...

… liegen die bekanntesten und teilweise auch teuersten Lokale. „Berăria H“ oder „Hard Rock Cafe“ sind tatsächlich jeden Abend ausgebucht, wobei Genießer einen Fine-Dining-Abend an der „Casa di David“ auf der Nordseite des Sees erleben können. Ein entspannter Abend bietet sich dabei jederzeit in der bereits ikonischen „Herăstrău-Bibliothek“. Und für ein bisschen Musik und Tanz am Abend, vielleicht sogar ein Folkloreprogramm, sorgt das „Pescăruș“-Restaurant mit einer wunderschönen Aussicht auf den See und den Pressepalast.

Im Tei-Park beeindruckt insbesondere der neue Garten „Indigen“, auch wenn die Anfahrt ohne Navi eine echte Herausforderung sein kann. Mit seinem asiatischen Bar-Layout, den holzgeflochtenen Dekorationen und echtem Sand am Seeufer fühlt man sich sicherlich nicht wie in einer Zwei-Millionen-Stadt. Nur die Wohnblocks auf der anderen Seite des Sees und das Riesenrad deuten auf Zivilisation. Und vielleicht die angebotenen Burger, eines der lokalen Hauptgerichte.

Aus der Vogelperspektive

Rooftop-Lokale sind in letzter Zeit auch wie Pilze nach dem Regen in allen Bezirken hochgeschossen. Derweilen sind „18 Launge“ am Presseplatz, das „Nor Sky“ über dem Promenada-Einkaufszentrum oder die TNB-Terasse auf dem Nationaltheater seit Langem keine Einzelgänger mehr.

Mit einem wunderschönen Ausblick auf die Dâmbovița, den Unirii-Platz und den Parlamentspalast bietet „Amethyst Sky Bar“ einzigartige Cocktails und feine Gerichte in einem vornehmen Ambiente. Und hinter dem Victoriei-Einkaufszentrum deutet ein Astronaut auf den versteckten Eingang zur Dachterasse „Linea – Closer to the Moon“, von wo die Dächer der Altstadt und des CEC-Gebäudes wunderbare Insta-Momente bieten. Wer nicht bis in den 25. Stock im „Fork Ana Tower“ hinter dem Messezentrum hinauf möchte, um ein echtes Fine-Dining auf Wolkenhöhe zu genießen, kann ruhig auf tiefer gelegene Dachlokale wie „Deschis – Gastrobar“ im 3. Stock, flußabwärts entlang der Dâmbovița gelegen, oder aber im „Nomad Skybar“ in der Altstadt ein gemütliches Abendessen genießen.

Gehobene Küche, aber ohne Anspruch

Früher waren „schicke” Restaurants einschüchternd. Lokale wie „Lacrimi și sfinți“ oder „Le Bistro Francais“ schienen nur für vornehme Herrschaften zu kochen. Heute sind sie einfach nur elegant und manchmal sogar freundlich. „The Artist“, „Kaiamo“ oder „Noua Bucătărie Românească“ sind Orte, an denen das Essen zu einer Erzählung wird – eine Geschichte, die auf drei Arten erzählt wird, mit einem Wein, der besser zu Ihnen passt als jede Dating-App. Es geht nicht nur um den Geschmack, es geht um das Erlebnis. Darum, wie man sich fühlt, wenn jemand ein Menü wie ein modernes Gedicht komponiert hat.

Wein- und Cocktail-Bars…

...gibt es mittlerweile mehrere. Bei „Abel“ und bei „Corks“ in der Hauptstadt ist es fast immer voll. „Wine Ambasador“, neben dem Radisson Hotel ist für seine organisierten Verkostungen berühmt und die „Ethnic Wine Bar“ im Floreasca-Viertel rühmt sich mit über 800 Weinsorten im Angebot (wovon nur 50 Prozent importiert sind). Auch „Marvin“ in Cotroceni und „Vino Wines“ in der Eminescu-Straße bieten zahlreiche rumänische und internationale Weine an, falls man nicht bis ins Zentrum fahren möchte.

Fazit

Bukarest ist im Grunde genommen ein langer Tisch mit gemischten Stühlen, unterschiedlichen Tellern und Geschichten, die mit vollem Mund erzählt werden. Eine Stadt, die man nicht auf Anhieb versteht, die man aber mit all ihren Geschmacksrichtungen – süß, bitter, scharf, sauer – lieben lernt. Von oben betrachtet wirkt sie chaotisch. Aber wenn man sich in ein Terrassenlokal setzt und sie geduldig Stück für Stück kostet, merkt man, dass sie einen unvergesslichen Geschmack hat.