Ende Juni gab es denkmalpflegerische Bewegung in den Südkarpaten: Auf der historischen Prejbe-Hütte führte der Verein „Ambulanța pentru monumente“/Verein „Denkmal-Ambulanz“ Sicherungsarbeiten am Dach und am Fundament der Hütte durch. Die Restaurierungsaktion löste auch über die sozialen Medien vielschichtige Reaktionen aus: Ehemalige Absolventen des Brukenthal-Gymnysiums, aber auch Touristen fuhren zur Baustelle, um mit den Freiwilligen zu sprechen und ihre Erinnerungen an diesen besonderen Ort zu teilen.
Warum so viel Aufhebens um eine alte Hütte? Winfried Ziegler ist einer der ehemaligen Brukenthalschüler, die kurz nach dem Bekanntwerden der Sicherungsarbeiten auf die Prejbe fahren. Er will sich den Zustand ansehen, denn seit Jahren verfällt die Holzhütte, auf der er als Jugendlicher an Skilagern teilnahm. Hier lernte er Skifahren, für ihn ist die Prejbe der zweite wichtige Bezugspunkt in den Bergen nach der Hohen Rinne/Păltiniș – auch wegen der intensiven Jugenderinnerungen: „Man war dort komplett herausgelöst von der Alltagswelt, ist einen Tag zu Fuß hochgegangen. Mit Rucksack und Skiern dran festgebunden, mit Skischuhen. Sechs bis sieben Stunden ist man durch den Schnee gestapft, in die Spuren, die der Vordermann gelegt hatte, der meist wesentlich größer war als man selbst. Dann kam man oben an, und wenn man dann den Rucksack abgelegt hat, hatte man plötzlich das Gefühl, man könne fliegen. Das sind Dinge, die einen prägen und die einem bleiben“, erzählt Winfried Ziegler.
Er erlebte die Spätphase der Skilager auf der Prejbe – denn mit der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen wurden die Ausflüge in den neunziger Jahren nach und nach eingestellt. Die Brukenthalschule und andere Hermannstädter Schulen hatten seit den 70er Jahren verstärkt Skilager auf der Hütte organisiert. Mit der Wende ging der Wandertourismus langsam zurück, bis es sich wirtschaftlich schließlich nicht mehr lohnte, die Hütte weiter zu betreiben.
Dabei hat dieser Ort in den Bergen eine längere Tradition: Denn erbaut wurde die erste Prejbe-Hütte bereits Ende des 19. Jahrhunderts durch den Siebenbürgischen Karpatenverein (SKV). Diese brannte 1923 ab und wurde an ihrem heutigen Standort wieder aufgebaut. In den vierziger Jahren wurde die Hütte im Zuge der Enteignungen in den Besitz der staatlichen Tourismus-Organisation „Organizație Națională de Turism“ überführt. Seit den 2000er Jahren habe man wieder begonnen, im Gebirge Wege zu markieren und das Gelände stärker für Wanderer zu erschließen, meint Winfried Ziegler. Er beobachtet in den letzten zehn Jahren einen Aufwärtstrend im Bereich Bergtourismus – denn Wandern und Fahrradfahren lägen wieder im Trend.
Der Besuch der Sicherungsarbeiten habe ihn sehr bewegt, so Winfried Ziegler: „Dass 20 junge Leute, die mehrheitlich noch nie dort oben waren, sich einfach so eingeschrieben haben – und für die Aktion bereit waren, eine Woche im Zelt zu wohnen, sich an der Quelle zu waschen und tagsüber an der Hütte zu arbeiten, ohne jegliche richtige Infrastruktur, das war beeindruckend.“
Vom Verarzten einer historischen Holzhütte
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die „Ambulan]a pentru monumente“ um eine der ehemaligen SKV-Hütten kümmert: Vor drei Jahren nahm sich der Verein bereits der Leaota-Hütte an und rettete sie damit: „Wir sind der Ansicht, dass auch diese Gebäude einen historischen Wert haben“, sagt Architekt und Vereinsvorsitzender Eugen Vaida. Nur seien die Gebäude eben leider nicht denkmalgeschützt. Die Ambulan]a rettet historische Gebäude in ganz Rumänien, darunter Kirchen, Kirchenburgen und alte Häuser.
Es ist ein Gespräch mit seinem ehemaligen Lehrer an der Brukenthalschule, Friedrich Philippi, das Eugen Vaida auf die Prejbe-Hütte aufmerksam macht. Zwei Wochen lang arbeiten insgesamt etwa 50 Freiwillige in zwei Wochenschichten – gemeinsam mit den Handwerkern kümmerten sich rund 70 Personen um die Sicherung der Hütte.
Möglich wurde dies auch durch die Unterstützung des ASTRA-Freilichtmuseums, das 800 Holzschindeln spendete. Damit konnten das Dach und die Vorderfront gesichert und die Hütte damit vor Regen geschützt werden. Auch bei den Bürgermeistern von Zoodt/Sadu und Talmesch/Talmaciu stieß die Sicherungsaktion auf Interesse – teilweise organisierten sie Helfer vonseiten des Forstamts, um die 20 Materialtransporte, die jeweils fünf Stunden in Anspruch nahmen, mit zu unterstützen. Jäger und Holzfäller seien spontan vorbei gekommen, um zu fragen, wie sie die Freiwilligentruppe unterstützen könnten. Der langjährige Verwalter Ilie Rotaru habe die Sicherungsarbeiten besucht – seine Familie kümmerte sich seit 1949 um die Geschicke der Hütte.
Jedes Jahr im März schreibt die Ambulan]a Rettungsaktionen aus. Auf einer Online-Plattform tragen sich dann Interessierte ein – meist Studentinnen und Studenten der Fachrichtung Architektur. Eine von ihnen ist Diana Zaharie. Auch sie studiert in Klausenburg/Cluj-Napoca Architektur. Die Studentin kennt den Ambulanța-Verein seit Jahren und hat bereits an mehreren Aktionen, unter anderem an der Rettung der Leaota-Hütte, mitgewirkt. Als sie von der Sicherungsaktion auf der Prejbe hörte, wollte sie unbedingt dabei sein. Sie gehe oft wandern, kenne die Hütte seit Jahren und sei in gewisser Weise damit verbunden. Vor allem die Atmosphäre und der Gemeinschaftsaspekt innerhalb der Freiwilligengruppe haben es ihr bei den Einsätzen angetan: „Was mir daran am meisten gefällt, sind die Menschen dort. Alle Freiwilligen und die Organisatoren, die dort mitmachen, bilden eine Gemeinschaft und verstehen sich sehr gut. Alle sind zusammen, sitzen abends am Lagerfeuer, arbeiten gemeinsam. Die Stimmung ist wunderschön.“
Die beiden Freiwilligengruppen blieben jeweils eine Woche und übernachteten in Zelten. Herausfordernd sei es gewesen, ein Minimum an Infrastruktur zu errichten, um einen reibungslosen Ablauf der Arbeiten gewährleisten zu können, so Diana Zaharie. So habe die Gruppe Duschen, Toiletten und ein System gebaut, um Wasser aus der Quelle zu leiten, sowie Tische und Stühle.
Mit Fotos von einst in die Gegenwart
Im Teutsch-Haus in Hermannstadt sitzt Friedrich Philippi und klappt den Laptop auf: darauf das Fotoarchiv mit Erinnerungen an die Prejbe-Skilager. Aus den Jahren 1976 bis 1988 hat er Bilder zusammengetragen und geordnet. Die alten Fotos halfen den Freiwilligen bei ihrer Sicherungsaktion – denn der Verein hält sich gerne an das denkmalgerechte Vorbild der jeweiligen Bauten.
Die Fotos zeigen aber auch die Schülerinnen und Schüler der Brukenthal-Schule, beispielsweise zum Auftakt der Skifreizeit: Zu Beginn erfolgte das Probefahren und die Einteilung in „Butzer“, „Semibutzer“ und „Kanonen“ – Anfänger, Fortgeschrittene und Profis. Auf den Fotos zu sehen sind auch Momentaufnahmen vom Hüttenzauber: Tanzabende, Fasching, Misswahlen, Gesellschaftsspiele. Bilder vom sechsstündigen Aufstieg mit Pferden. Die Auszeichnung der besten Skifahrer am Ende der Freizeit. Die Organisation sei logistisch aufwendig gewesen, so Friedrich Philippi. Mit Vorlauf sei jemand zur Hütte aufgestiegen, um die Gruppe anzumelden. Jeder habe einen Vorrat an Proviant im Rucksack mitgeschleppt, aus dem dann der Hüttenwirt das Essen zubereitete. Bis zu 100 Schülerinnen und Schüler waren bei einem Skilager dabei.
Über die Sicherungsarbeiten freut sich auch er: „Ich kann nur sagen, dass ich sehr glücklich bin, dass sich Jugendliche um eine gewesene Hütte des SKV kümmern und versuchen, sie instand zu bringen und dadurch zu erhalten. Denn Generationen von Hermannstädtern und Heltauern haben ihre Erinnerungen an diese Hütte und es wäre schade, wenn sie verschwinden würde.“ Die SKV-Hütten seien immer in freiwilliger Arbeit gebaut worden. Auch sein Onkel habe Ziegel für den Bau der Schuller-Hütte/Julius-Römer-Hütte den Berg hochgeschleppt, erzählt Friedrich Philippi. So steht auch die Rettungs-Aktion der Ambulanța in einer langen Tradition. Vielleicht ist alles so, wie es schon immer gewesen ist.
Die Hütte war so beliebt, dass Franz Breitenstein, lange Jahre Lehrer an der Brukenthalschule, ihr zu Ehren im Jahr 1982 sogar ein Lied dichtete. Hier heißt es: „Nach sechs Stunden seh’n wir matt, eine Märchenhütte leuchten, tief verschneit im Tannenwald.“ Vielleicht gibt es jetzt wieder Hoffnung. Denn wo genug Menschen mit anpacken, kann vielleicht wieder Zukunft gebaut werden. Damit die Hütte bald wieder zwischen den Wipfeln leuchtet. Und vielleicht auch wieder viele Bergbegeisterte beherbergt.