„Der nächste Planet wurde von einem Säufer bewohnt. Sein Besuch war nur sehr kurz, doch versenkte er den kleinen Prinzen in eine tiefe Traurigkeit: ‘Was machst du hier?’, sprach er zu dem Säufer, den er stumm sitzend vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen vorfand. ‘Ich trinke’, antwortete der Säufer mit düsterer Miene. ‘Und warum trinkst du?’, fragte der kleine Prinz. ‘Um zu vergessen’, antwortete der Säufer. ‘Was willst du vergessen?’, fragte der kleine Prinz, der ihm schon leid tat. ‘Ich will vergessen, dass ich mich schäme’, gestand der Säufer und ließ den Kopf hängen. ‘Über was schämst du dich?’, fragte der kleine Prinz beharrlich weiter, denn er wollte ihm helfen. ‘Ich schäme mich, weil ich saufe!’, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.“ Mit diesem kurzen Kapitel schafft es Antoine de Saint-Exupéry in seinem allerseits bekannten Buch die ganze Problematik der Sucht zusammenzufassen.
Der Problematik des Missbrauchs von psychoaktiven Substanzen und den gesellschaftlichen Folgen, die dadurch verursacht werden, war der achte Runde Tisch der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) am Freitag den 27. September 2024 gewidmet.
Der Runde Tisch der EKR wurde im Rahmen der Migranten-Krise von der Referentin für Migration Erika Klemm ins Leben gerufen. Mit der Zeit wurden hier unterschiedliche Themen wie zum Beispiel Menschenhandel, Gewalt gegen Frauen, aber auch viele mehr, angesprochen und bearbeitet. Über die Jahre hat sich ein harter Kern an Mitarbeitern etabliert, zu dem Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen hinzukommen. So kamen auch beim achten Runden Tisch, welcher dem Thema: „Konsum von psychoaktiven Substanzen – Prävention der damit verbundenen Risiken in der Gemeinschaft“ gewidmet war, knapp 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Hans-Bernd-von-Haften-Tagungshaus der Evangelischen Akademie Siebenbürgen zusammen, dabei waren staatliche Institutionen, kirchliche Einrichtungen und NGO´s vertreten.
Als Ausbilder wurden der Psychologe Mihai Cop²ceanu und Dr. Holger Lux eingeladen. Mihai Copăceanu ist Psychologe, Mediziner, Verfasser von Fachbüchern und Studien, sowie Suchtspezialist. Dr. Holger Lux ist als langjähriger Leiter des „Blauen Kreuzes“ und durch die Tätigkeit dieses Vereins im Bereich der Suchttherapie bekannt. Eröffnet wurde das Treffen von Dr. Carmen Schuster, Landeskirchenkuratorin der EKR, welche sich in ihrer Ansprach fragte, was sie, wenn sie in einer Situation der Sucht wäre, erwarten würde. Sie nannte zweierlei: die Chance einer Perspektive und ein unterstützendes Umfeld, welches einen nicht mit seiner Schuld konfrontiert. Beides, meint Dr. Schuster, wären Aufgaben und Wirkungsmöglichkeiten für die Kirche als solche in ihrem Auftrag in der Gesellschaft.
In der Einleitung seines Moduls konfrontierte Mihai Cop²ceanu die Anwesenden mit überraschenden Tatsachen: so zum Beispiel schockiert in der rumänischen Gesellschaft der wachsende Drogenkonsum, doch gibt es eine sehr große Toleranz gegenüber Alkohol und Zigaretten, wobei diese Toleranz teilweise auf der Ebene der Familie am stärksten ist. Besorgniserregend sind hier die Zahlen bei der Jugend: umfassende Studien zeigen, dass in Rumänien einer von fünf Jugendlichen wenigstens einmal Alkohol probiert hat. Die Studie zeigt, dass in einem Ranking, in dem 44 Länder untersucht werden, Rumänien beim Alkoholkonsum bei Elfjährigen einen unrühmlichen vierten Platz einnimmt, wobei sich unser Land bei den Dreizehnjährigen sogar auf dem dritten Platz befindet. Der Referent stellte auch fest, dass der Konsum sehr früh beginnt und sehr früh ansteigt. Problematisch findet er auch, dass es in Rumänien keine Einrichtungen oder Institutionen gibt, die der positiven Haltung zu Alkohol und Zigaretten entgegenwirken könnten. An diesem Punkt setzte der praktische Teil ein, indem der Frage nachgegangen wurde, wie man die Jugendlichen ansprechen könnte, um eben diesem positiven Bild entgegenzuwirken. Dabei sollte bedacht werden, dass Bilder, die auf emotionale Reaktionen anspielen, nicht wirken, das Informationen alleine Verhaltensweisen nicht ändern und dass sich Jugendliche wegen der Erfahrung anderer nicht ändern. Mihai Cop²ceanu stellte in diesem Kontext die Schlüsselelemente, die berücksichtigt werden müssen, vor und erklärte, welche Ressourcen notwendig seien. Dieses wurde auch anhand von praktischen Übungen untersucht und ausprobiert.
Dr. Holger Lux stellte den Anwesenden anhand bildlicher Darstellungen den Weg in die Sucht und aus der Sucht heraus dar, wobei er betonte, dass man realistisch bleiben müsse: Nicht alle, die Suchtstoffe einmal probieren, verfallen in eine Missbrauchssituation, von diesen fallen nicht alle in die Abhängigkeit und wiederum von diesen erleben nicht alle starke psychische Störungen. Weiterhin betonte der Leiter des Blauen-Kreuz-Vereins, dass in der Behandlung von Sucht immer Zeit vonnöten sei: eine „Turbo-Therapie“ wurde noch nicht erfunden.
Mit so manchem Werkzeug in der Hand gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weg, doch allen war bewusst, dass hier nur ein Weg beginnt, wobei das Bewusstsein erweckt wurde für die Tatsache, dass man nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im persönlichen Umfeld aktiv werden kann.