„Es gibt sehr viel, auf dem wir aufbauen können“

Gespräch mit der deutschen Botschafterin in Bukarest, Angela Ganninger, zum Tag der deutschen Einheit

Seit Juli ist I.E. Angela Ganninger als Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien und tritt damit die Nachfolge von S.E. Dr. Peer Gebauer an. Die studierte Volkswirtin aus dem Taunus hat in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche Auslandseinsätze absolviert, u.a. in Côte d’Ivoire, Mali, Israel, an der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU in Brüssel, in Griechenland und zuletzt als Botschafterin in unserem Nachbarland Moldau, das gerade spannende Parlamentswahlen hinter sich gebracht hat. Außerdem blickt sie auf Erfahrungen im Bundespräsidialamt (2014-2018) als Leiterin des Referats für die Beziehungen zu Europa, Zentralasien und dem südlichen Kaukasus und im Bundeskanzleramt (2022-2025) als stellvertretende außenpolitische Beraterin und Leiterin der Gruppe Globale Fragen, Subsahara-Afrika, Entwicklungspolitik, Auswärtige Mi- grationspolitik, zurück. Über ihre ersten Eindrücke in Rumänien, Pläne zur Kooperation und Schwerpunkte in ihrem Mandat spricht sie zum Anlass des Tags der Deutschen Einheit (3. Oktober) mit ADZ-Chefredakteurin Nina May.

Sie sind seit Juli in Bukarest, welche Reisen haben Sie bereits unternommen und welche Eindrücke haben Sie von Land und Leuten gewonnen?

Ich hatte schon Gelegenheit, nach Siebenbürgen zu fahren, war beim Sachsentreffen in Zeiden/Codlea, sowie in Deutschkreuz/Cri] bei der Haferlandwoche und auch schon in den Bergen mit dem Bundesumweltminister Carsten Schneider. Dieser hatte großes Interesse daran, die Urwälder Rumäniens und die Problematik des illegalen Waldeinschlags kennenzulernen und sich zu diesem Thema auszutauschen. Deshalb habe ich ihn begleitet und das war eine sehr schöne Reise. 

Dann war ich noch auf der Luftwaffenbasis Kog²lniceanu, wo derzeit die deutsche Luftwaffe zur Unterstützung der NATO-Mission enhanced Airpolicing South stationiert ist.

Mein Eindruck vom Land: Es ist sehr vielfältig! Wenn man in die Berge kommt – wunderbare Natur! Aber auch das kulturelle Erbe ist beeindruckend, etwa die sächsischen Kirchenburgen. Ich war auch davor schon als Touristin im Land, in Jassy/Ia{i und bei den Moldauklöstern in der Bukowina, ein wahrhaft beeindruckendes Weltkulturerbe. Rumänien ist auch in diesem Aspekt sehr spannend.

Sie hatten auch schon Berührungspunkte und Gespräche mit der deutschen Minderheit in Rumänien. Worum ging es da?

Ich habe den Vertreter der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, den Abgeordneten Ovidiu Gan], kennengelernt und pflege auch regelmäßigen Austausch mit ihm, wie natürlich auch mit dem Vorsitzenden, Herrn Porr, und anderen Mitgliedern des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), vor allem in Siebenbürgen. 

Ein Thema ist natürlich der Minderheitenschutz, auch die finanzielle Ausstattung der Minderheiten, aber auch die Förderung der deutschen Sprache. Außerdem spielen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Rumänien eine große Rolle. Es gibt ein breites Spektrum an Themen, die wir besprechen.

Die deutsche Minderheit gilt als Brückenbauer zwischen den Ländern. Inwiefern wird das für Sie eine Rolle spielen?

Das ist sie ganz sicher, denn es gibt zahlreiche Kontakte, die weit über das Offizielle hinausgehen: Private, aber auch wirtschaftliche Kontakte, die über die Vertreter der deutschen Minderheit geführt werden. Es gibt die deutschen Wirtschaftsclubs, die vielfältigen Beziehungen im Bereich Kultur. Es gibt sehr viel, auf dem wir aufbauen können und wo auch unsere Beziehungen jenseits der offiziellen Kontakte zwischen Botschaft und Gastland hilfreich sind. 

Aber auch die rumänische Minderheit in Deutschland, die immer zahlreicher wird und die beide Seiten und Länder kennt, ist im Anbahnen von Kontakten und Geschäftsbeziehungen in jeder Hinsicht hilfreich.

Vor rund zwei Wochen haben Sie in Zeiden an der Podiumsdiskussion zum Motto des 35. Sachsentreffens, „Freiheit macht den Unterschied“ teilgenommen. Da wurden Sie gefragt, was Freiheit für Sie bedeutet. Können Sie das kurz noch einmal erläutern?

Sehr gerne. Erst einmal muss man sagen, es war ein sehr schönes Treffen, sehr reich nicht nur an kulturellen Aspekten. Die Podiumsdiskussion war auch sehr spannend. Zum Thema Freiheit habe ich insbesondere darauf hingewiesen, dass Freiheit auch Verantwortung bedeutet, Verantwortung für die Politiker, aber auch für uns alle, die wir uns engagieren müssen, um sie zu erhalten. Das ist ein Auftrag an uns, uns zu engagieren, jeder in seinem Bereich und wie er kann – auch um die Demokratie zu schützen und zu bewahren, gerade in diesen Zeiten.

Sie hatten in diesem Zusammenhang drei Prioritäten der Bundesregierung genannt... 

Ja, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand – das sind die Prioritäten der Bundesregierung. Da ist Freiheit mit dabei, das umfasst auch die Freiheit für ziviles Engagement, für Entfaltung, auch der Minderheiten. Es ist ein sehr breiter Begriff, der ein sehr vielfältiges gesellschaftliches Engagement abdeckt, damit wir uns insgesamt ein gutes Umfeld erhalten. 

Wie werden sich diese Prioritäten in Ihrem Mandat wiederfinden? 

Zum Thema Sicherheit habe ich schon die militärische Präsenz der Luftwaffe erwähnt. Das wird ein großes Thema bleiben für unsere beiden Länder, auch im Sinne der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit hier im Land, beim Schutz der Südostflanke der NATO, beim Schutz Rumäniens und des rumänischen Luftraums. 

Auch rüstungspolitische Zusammenarbeit ist ein immer größeres Thema. Es gibt deutsche Firmen, die mit rumänischen Unternehmen kooperieren wollen, die zum Teil auch hier produzieren wollen. Das Interesse ist auf jeden Fall groß. 

Wohlstand ist natürlich auch Wirtschaftsförderung, konkret die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu fördern. Wir sehen, wie schwierig die Haushaltslage in Rumänien im Moment ist. Reformen stehen an. Die Reformen sind wichtig, damit die Perspektive für die Wirtschaft günstiger wird, damit sich das Leben für die Menschen verbessert und sie von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Wirtschaftskontakte zu fördern, ist auch Teil meiner Arbeit. Wir haben einen großen Wirtschaftstag in Stuttgart im November geplant.

Was haben Sie sich sonst noch vorgenommen in Ihrem Mandat?

Für mich wird es wichtig sein, die sehr guten Beziehungen, die auch durch den Besuch von Präsident Dan in Deutschland sehr früh in seiner Amtszeit Ausdruck fanden und die sicherlich durch weitere hochrangige politische Kontakte in den nächsten Wochen und Monaten weiter vertieft werden, zu festigen in allen Bereichen, die relevant sind. Ich weiß, dass ich hierfür in Rumänien sehr gute Voraussetzungen habe.

Wenn wir von Rüstungskooperation sprechen, schwingt das Thema Ukrainekrieg und Bedrohung seitens Russland mit. Die Rechtspopulisten in Rumänien aber wollen die Unterstützung der Ukraine durch Rumänien infrage stellen, u.a. durch ein Referendum. Welche Konsequenzen hätte das aus Ihrer Sicht, wenn diese Unterstützung eingestellt würde?

Ich glaube, dem liegt ein grundsätzliches Missverständnis oder eine Fehlperzeption zugrunde. Es ist wichtig, dass wir die Ukraine weiterhin unterstützen. Rumänien hat eine direkte Landesgrenze mit der Ukraine. Wenn man sich vorstellt, dass dort eine Art „russisches Regime“ installiert würde, dann wäre das der Sicherheit dieses Landes nicht förderlich. Es liegt aus meiner Sicht im gemeinsamen Interesse, die Sicherheit der Ukraine, ihre Verteidigungsbemühungen und die Menschen dort weiterhin zu unterstützen.  Die Ukraine verteidigt auch unsere Werte und Interessen. Insofern sollte man die Unterstützung nicht infrage stellen.

Kommen wir zum Tag der deutschen Einheit, der am dritten Oktober gefeiert wird – eine Folge des Falls des Eisernen Vorhangs. Auch Rumänien hat dadurch viel gewonnen: Freiheit, Öffnung, den EU-Beitritt. Nur – mit der Zeit scheinen die Menschen zu vergessen... Es gibt in beiden Ländern antidemokratische Bewegungen. Wie sehen Sie diese Situation im Vergleich, welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, die vielleicht auch hier andenkbar wären?

Ja, es gibt schon Parallelen. Wir haben auch diese populistischen Bewegungen in Deutschland und diese stützen sich zum Teil auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, auch in Bezug auf die wirtschaftliche Lage. Das bereitet den Boden, auf dem so etwas wachsen kann. Ein Element, dagegen zu arbeiten, ist, die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Es wäre aber auch gut, wenn wir wieder dahin kämen, dass wir ein gemeinsames Verständnis von Fakten haben. Das ist mittler-weile schwierig geworden, weil so viel Desinformation kursiert und auch bewusst gestreut wird, um die Gesellschaften zu spalten. Das sind alles schwierige Entwicklungen, aber wir müssen versuchen, Sachinformation zu transportieren, Entwicklungen verständlich zu machen und dabei auch die legitimen Anliegen der Bevölkerung in der Politik aufzugreifen.

Die Parlamentswahlen in der Moldau sind gerade gelaufen – auch ein unmittelbares Nachbarland. Sie waren von 2018 bis 2022 Botschafterin in der Moldau. Wie bewerten Sie den Ausgang dieser Wahlen für Europa, für Deutschland und Rumänien, für die gesamte Lage der Region – auch vor dem Hintergrund, dass die EU Georgien wohl verloren hat?

Ich freue mich, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Republik Moldau mit einem klaren Votum den proeuropäischen Weg gewählt hat. Die Republik Moldau hat trotz russischer Destabilisierungsversuche bemerkenswerte Fortschritte bei Modernisierung und EU-Annäherung gemacht. Ein anderer Wahlausgang hätte den europäischen Weg möglicherweise in Frage gestellt. So aber bleibt eine künftige EU-Mitgliedschaft der Republik Moldau die beste Rückversicherung für eine stabile, demokratische Entwicklung des Landes. Auch für die Partner ist der Wahlausgang wichtig. Für Rumänien und die Ukraine, die sich einen pro-europäischen, keinen pro-russischen Nachbarn wünschen. Einen Partner, dem man vertrauen kann und der unsere gemeinsamen Werte und Anliegen teilt. Und natürlich begleitet auch Deutschland den Beitrittsprozess der Republik Moldau zur EU konstruktiv. 

Welche Botschaft möchten Sie zum Tag der deutschen Einheit Ihren Gästen auf dem Empfang und den Leserinnen und Lesern der ADZ übermitteln?

Ich werde Bezug nehmen auf die obengenannten Schwerpunkte der Bundesregierung, Sicherheit, Wohlstand und Freiheit – aber auch auf das, was uns verbindet: Dieses Jahr feiern wir 145 Jahre deutsch-rumänische diplomatische Beziehungen. Dieses Jahr haben wir auch den Schengen-Vollbeitritt Rumäniens gefeiert. Jetzt arbeiten wir gemeinsam daran, dass im nächsten Jahr der von Rumänien angestrebte Beitritt zur OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gelingt. Es gibt viele Dinge, an die man erinnern kann, die wir gemeinsam erreicht haben oder noch erreichen wollen. Nicht zuletzt gilt es natürlich auch, 35 Jahre Wiedervereinigung und die Transformationsleistung der ostdeutschen und osteuropäischen Gesellschaften zu würdigen. Vor 35 Jahren wurde die Spaltung Europas überwunden. Dass wir heute ein geeintes Europa sind, ist keine selbstverständliche Entwicklung gewesen.