Ein Buch und einen Apfel. Das hatte der Mann empfohlen, dass ich mitbringen soll. Wir hatten bei Facebook einen kurzen Dialog, der mit „Willkommen im Taxi mit Bonbons“ begonnen hatte, einen angenehmen Eindruck hinterließ und ganz aufmunternd verlief. Jetzt ist es schon dunkel und ich muss mich beeilen, nicht bevor ich kurz den Rucksack noch einmal überprüfe. Ich mache mich auf den Weg. Ich weiß nicht was mich erwartet und habe keine Erwartungen.
Vor unserem Treffpunkt am Kinderkrankenhaus Alfred Rusescu sehe ich schon eine kleine Gruppe von Menschen neben einem gelben Auto. Darauf ist ein Clown abgedruckt. Mit seinem buschigen Schnurrbart und den verschränkten Armen wirkt er eher skeptisch. In der Mitte der Gruppe erklärt ein großer, heiterer Mann den neuen Volontären die Projekte des Vereins, den er leitet. Cristian Roman hatte die Idee für „Taxiul cu bomboane“ (Taxi mit Bonbons). Die Frauen rund um ihn wirken begeistert und sind gesprächig. Ich nähere mich der Gruppe, und bevor ich mich vorstelle, bekomme ich im Nu eine Umarmung und ein Abzeichen mit dem Clown. „Jetzt bist du eine von uns“ scheint die Botschaft zu sein und ich schäme mich, als ich um mich blicke. Die anderen haben bunte Märchenbücher mitgebracht und ich denke an das Tacitus-Buch in meinem Rucksack...
Ein paar Minuten später sind wir schon drinnen, ich mache Notizen, alle anderen bereiten sich vor: Eine junge Frau legt sich ein rosa Band mit flauschigen Öhrchen auf den Kopf, während Roman bunte Hüte und lustige Fliegen verteilt. Aus seiner Tüte hört man ab und zu Geräusche wie Hupen. „Bitte den Kopf umdrehen, wenn ich meine Socken ausziehe“, sagt er im Spaß. Am Eingang wartet eine Handvoll Menschen, als der Mann sich umzieht. Und jetzt steht ein Clown vor uns. „Sagt mir nicht, dass ich nicht elegant bin!“, scherzt dieser, als er sich die rote Nase aufsetzt. „Die Nase hätte länger sein können“, erwidert ein Wächter schmunzelnd. Die Taschen sind voll mit Süßigkeiten, der erste Leseabend kann beginnen.
Unsterbliche Märchen
Mit seinen überdimensionierten bunten Clown-Schuhen ist jeder Schritt Romans ein lustiges Hupen, damit will er selbstverständlich seine Anwesenheit ankündigen. Auf dem Flur des Spitals wird er von lächelnden Krankenschwestern empfangen. Er scheint ihnen vertraut zu sein. Hinter ihm eine kleine Armee von begeisterten Freiwilligen, die sich auf die Kinder freuen und allmählich in den Zimmern verschwinden. Roman betritt einen Raum nach dem anderen, bringt Kinder zum Lachen, schenkt ihnen, der Reihe nach, eine rote Clown-Nase und Süßigkeiten,während die Eltern das ganze Geschehen mit ihren Smartphones fotografieren. „Wer will hier bleiben?“, fragt der er die Volontäre anschließend. Es dauert ein wenig, bis alle Freiwilligen ein Zimmer zugeteilt bekommen haben.
In einem Raum wird „Die Schöne und das Biest“ im engen Kreis gelesen, in einem anderen eine Geschichte aus dem Buch „Unsterbliche Märchen“. Die Vorleserin macht Pausen und erklärt den Kindern Wörter, die sie nicht verstehen. Sie fragt immer wieder, wie die Kinder an Stelle der Hauptfiguren reagieren würden.
Ana Maria hat heute Abend zum ersten Mal an dem Projekt des Vereins als Freiwillige teilgenommen und aus der Sammlung „Unsterbliche Märchen“ vorgelesen: „Es ist wunderbar, wenn man sich mit Kindern beschäftigt, besonders weil es etwas ist, was man jeden Tag tun kann. Das vermittelt ein gutes Gefühl!“ Irina, eine Volontärin, die seit Längerem aktiv im Rahmen der NGO ist, hat Cristian Roman kennengelernt, als es das Projekt mit den Leseabenden in Kinderkrankenhäusern noch nicht gab - vor anderthalb Jahren. „Wir gingen jeden Samstagmorgen zu den Kindern ins Krankenhaus Marie Curie und brachten ihnen Obst, Süßigkeiten und Bücher mit“, erinnert sie sich.
„Irgendwann habe ich eine Pause gemacht, die emotionale Belastung war ziemlich groß. Danach habe ich weitergemacht, denn ich hatte das Gefühl, dass es gebraucht wird“. Besonders beeindruckt ist Irina von den Freiwilligen. „Wenn ein Volontär sagt, dass es ihm gefällt, das zu machen, dann bedeutet das, dass diese Person eine Berufung hat. Manche können nicht mal ein Krankenhaus betreten“, setzt sie fort. Irina findet, dass es schwer ist, sich als Freiwillige in einem Krankenhaus zu betätigen. Manchmal liest sie Märchen oder schießt Fotos, unterhält sich mit den Müttern oder zeigt den Kleinen, wie die Fotokamera funktioniert: „Unsere Anwesenheit ist wie eine Therapie – sie wissen und fühlen, dass jemand an sie denkt“, schlussfolgert sie.
Die Leseabende mit den Kindern in den Krankenhäusern finden folgendermaßen statt: dienstags im Krankenhaus Alfred Rusescu, mittwochs im Krankenhaus Grigore Alexandrescu und donnerstags im Krankenhaus Marie Curie. An manchen Abenden voriges Jahr kamen bis zu 50 Freiwillige.
Die Metapher hinter dem Taxi
In weniger als einem Jahr wurden über 25.000 Bücher Kindern geschenkt. „Wir sehen im Schnitt 700 Kinder pro Woche“, sagt Roman. Er meint, Kinder kommen an Feiertagen ins Krankenhaus, weil sie wissen, dass sie Geschenke bekommen. „Es gibt Zeiten, in denen die Krankenhäuser überfüllt sind“, fügt er hinzu. Die Aktivität der NGO hat 2015 begonnen - im Dezember, dem Monat der Geschichten in Kinderkrankenhäusern. „Jeden Tag wurden Geschichten im Krankenhaus Marie Curie gelesen. Wir sammeln Bücher für die Kinder in Krankenhäuser, die sie dann nach Hause mitnehmen“, sagt er, als er eine Pause macht und sich auf die Treppen des Krankenhauses setzt.
Wird er nach der Motivation seiner Taten gefragt, so gibt er eine klare Antwort: „Jemand musste das tun. Es ist meine Art und Weise, mich bei Gott zu bedanken – für alles was ich habe“. „Taxiul cu bomboane“ war anfangs ein normales Taxi - mit einem alten Taxifahrer, der Bonbons verschenkte, setzt er fort. „Diese Phase habe ich hinter mir, das Taxi mit Bonbons ist jetzt eine Metapher. Es ist der Ort, an dem alle Platz haben und es ist das umweltfreundlichste Fahrzeug auf der Erde – unser Taxi fährt auf der Basis von Liebe“, schmunzelt er.
„Taxiul cu bomboane“ ist jetzt eine dynamische Organisation und kein physisches Taxi mehr. Der Verein verfügt über ein „Bombo-Mobil“ und bald wird auch ein „Bombolent“ eröffnet – ein 100-Quadratmeter-Raum für Aktivitäten mit den Kindern, kündigt Roman an. Er erzählt von den Ausflügen mit Kindern aus Sonderschulen nach Konstanza. Dort konnten ein paar Dutzend Kinder Therapie mit Delfinen machen. Während des Gesprächs kommen viele Verwandte der Kinder und fotografieren Roman – sie wollen ein Foto von dem Erlebnis heute Abend. „Wie du sehen kannst, bin ich sehr hübsch und alle wollen ein Foto mit mir machen“, scherzt er.