Kein Winter ohne Sakuska!

Viele Kronstädter backen jetzt Gemüse auf öffentlichen Grillplätzen

Rund 50 Kilo Gemüse bereiteten Armenica und IonTroscolan und ihre Nachbarn am Salomonsfelsen zum Konservieren vor. Foto: die Verfasserin

Der Wintervorrat ist manchmal schon im Spätherbst aufgebraucht.

Nur knappe zwei Kilogramm Paprika passen daheim auf dem Grill. Fotos: Hugo Spahiu

Die Sakuska lagert man im Keller oder in der Speisekammer. Foto: die Verfasserin

Der Herbst ist da und somit auch die Zeit zum Vorbereiten des köstlichen Gemüseaufstrichs Sakuska (rum.: zacuscă). Der in mehreren balkanischen Ländern traditionelle Aufstrich, der kalt auf Brot serviert wird oder als Soßengrundlage für Spaghetti, Reis oder andere Speisen, ist ein Muss für die meisten Rumänen. Es gibt wohl nur wenige Omas, die ihre Kinder und Enkelkinder nicht mit dem selbstgemachten vegetarischen Leckerbissen verwöhnen, kaum ein Paket, das aus Rumänien zu den Verwandten nach Spanien, Italien, Deutschland oder England verschickt wird, das neben Speck und vielleicht etwas Schnaps keine Gläser mit Sakuska enthält. Das ist auch kein Wunder, denn sie erinnert an Zuhause und Familie. Außerdem bietet sie in den kalten Wintermonaten, wenn man sich nach Gemüse sehnt, eine herzhafte Alternative.

Zahlreiche Rezepte sind in Kochbüchern oder im Internet zu finden aber auch bei Großmüttern zu erfahren, die meisten jedoch sind Variationen dieses Grundrezepts mit gebackenen Auberginen und (Spitz-, sowie Tomaten-)Paprika, Zwiebeln und Tomaten, Öl, Salz, Pfeffer und Lorbeerblättern. Pilze, Bohnen oder Zucchini können hinzugefügt oder die Auberginen mit einer dieser Zutaten ersetzt werden – je nach Geschmack. Die Rezepte variieren von Ort zu Ort, von Familie zu Familie, ebenso die Konsistenz, püriert oder eher mit kleinen Stücken.

Grillplätze füllen sich mit Leben

Das Einkochen von Sakuska vorzubereiten ist eine Tätigkeit, welche Familie, Freunde oder Nachbarn vereint, jeder packt mit an. Sogar die Kleinsten haben Spaß daran, die Zutaten zu waschen oder auf den Grill zu legen, die Tomaten zu pressen oder die Auberginen zu zerkleinern. Die Zubereitung von Sakuska gehört zu den traditionellen Aktivitäten, die im Frühherbst ganz oben auch der To-Do-Liste Vieler stehen. In Kronstadt/Bra{ov bei-spielsweise füllen sich die öffentlichen Grillplätze von Ende August bis Ende September mit Leben. Der beliebteste ist der Grillplatz beim Salomonsfelsen/Pietrele lui Solomon, wo Hausfrauen aller Altersgruppen, aber nicht nur, aus der ganzen Stadt ihren Wintervorrat zubereiten. Dabei herrscht an manchen Tagen von morgens bis zum späten Nachmittag reger Betrieb unter freiem Himmel. Die frische Luft, der Schatten der hohen Felsen und der Bäume, aber auch das Rauschen des Bachs bieten den perfekten Rahmen, um einen halben oder ganzen Tag lang draußen zu verbringen.

Gemeinsames Backen unter freiem Himmel

Die im Vorjahr von einer Bierfabrik dort angebrachten Feuerstellen zum Grillen eignen sich dank ihrer großen Oberfläche von rund einem Quadratmeter be-sonders gut. „Wir kommen seit Jahren hierher, weil man hier alle Bedingungen vorfindet: der Parkplatz ist sehr nahe, da muss man das Gemüse und alles Nötige nicht so weit tragen, der Bach und eine Quelle sind auch nicht so weit weg wie beim ‘La Iepure’ (Anm.d.Red. ein anderer großer öffentlicher Grillplatz, im Ragadotal/Răcădău. Ein weiterer befindet sich im Noua-Park). Außerdem können wir auf diesem Grill 14 Kilogramm rote Paprika auf einmal grillen” erklärt Armenica Troscolan. In ihrer Wohnung im Astra-Viertel backt sie höchstens drei Auberginen für einen Salat im Backofen, mehr wäre ein Alptraum.

Der Geruch, die Hitze, der Schmutz, der entstehen würde, wären ihr zu viel. Am vergangenen Mittwochnachmittag hat Familie Troscolan, zusammen mit einer Nachbarsfamilie, ebenfalls Rentner, über 50 Kilogramm Gemüse gebacken, gehäutet und entkernt. „Wir bereiten alles hier vor. Zu Hause kochen wir die Hälfte vom Gemüse, machen daraus den Aufstrich, die andere Hälfte legen wir in Tüten als Reserve für den Winter und verarbeiten es, wann immer wir Appetit haben” sagt die 71-Jährige. Gerne hätten sie die Leckereien auch mit ihren Kindern geteilt, doch leben diese in Kanada. Ihre Nachbarn jedoch werden einige Gläser auch für die Kinder beiseite legen, die in Kronstadt leben. „Sie essen es ganz gerne, packen aber nie mit an, sie würden ihre Finger dafür nicht schmutzig machen“, sagt die Frau etwas betroffen.

Obwohl es ein Wochentag ist, sind alle Feuerstellen besetzt, die meisten Menschen haben alle Hände voll zu tun. Ausgerüstet mit Brennholz, Säcken mit Kohle, Eimern, Schüsseln, Töpfen, Tüchern, Plastikfolien zum Schutz der Tische und Bänke, Tellern, Messer, ja sogar mit einer Drahtbürste zum Reinigen des Grillrostes, besetzen sie eine große Fläche rund um Tische und Grill und beginnen den Prozess. Wie ein gut einstudierter Tanz sieht ihre Aktivität aus, jeder weiß ganz genau, wo alles liegt, was jeder zu tun hat.

Armenica und ihr Mann Ion legen die Paprika auf den vom Nachbarn gesäuberten Grill, Ion passt auf, dass sie nicht anbrennen, während seine Frau eine Schüssel mit Wasser und den Tisch vorbereitet. Sie häuten das Gemüse gemeinsam, Ion Troscolan wirft die Schalen in eine blaue Plastiktüte. Ihre Nachbarn arbeiten an dem Tisch nebenan, sie erzählen dies und jenes, lachen, werken ununterbrochen. Wenn die Arbeit vollendet ist, gibt es noch gegrillte Schweinesteaks für alle.

Wenn der Hof  zur Küche wird

Auch aus den Höfen steigt jetzt der Duft von gebackenen Auberginen hoch. Wer Hof und Grill besitzt, kann das leckere Gericht ebenfalls im Freien zubereiten, muss sich nicht in einer Blockwohnung am Herd drängeln. So auch der 50-jährige Gabriel, der sich heuer zum ersten Mal in seinem Leben an diese in seiner Familie nicht traditionellen Angelegenheit traut. Er tut es eher für die Kinder, die Sakuska ständig im Menü haben wollen, und auch weil ihm das Gericht schmeckt. Zudem findet er es günstiger und gesünder, die Sakuska selbst anzufertigen, als sie für 18 Lei das Glas in Bio-Läden zu kaufen. Die billigeren Varianten, die er im Supermarkt für fünf bis zwölf Lei ausprobiert hat, schmecken nicht im geringsten wie der Brotaufstrich, den er aus der Kindheit kennt, meint der zugewanderte Kronstädter. Zudem enthalten manche Sorten Zucker, Konservierungsmittel, zu viel Öl. Den beliebten Geschmack fand er bei einer alten Bäuerin am Dacia-Markt, aber auch da wisse man nicht genau, was die Speise enthalte.

Nur zwei Kilogramm Paprika passen auf Gabriels Grill. Das ganze Verfahren dauert. Erst am frühen Abend sind alle Vorgänge abgeschlossen und die kulinarische Köstlichkeit steht bereit. Der Familienvater plant für diesen Herbst sogar eine zweite Runde, nach einem Rezept mit Zucchini.

Auf dem Balkan beliebt

Angeblich soll Sakuska ursprünglich ein traditionelles armenisches oder georgisches Rezept sein, das auch in der Moldau und danach in Siebenbürgen übernommen wurde. Das Wort stammt aus dem Slawischen und bedeutet „Imbiss” oder „Vorspeise”. „Kus”, die Wurzel des Wortes, steht für schmackhaft, köstlich oder Beißen. Varianten davon gibt es in der gesamten Balkanregion. In Serbien und Mazedonien beispielsweise fehlt die Paprikapaste osmanischer Herkunft namens „Ajvar” bei keiner Mahlzeit. Dessen Bezeichnung als „vegetarischer Kaviar” ist wohl auf das Wort türkischer Herkunft „havyar” zurückzuführen. Auch in Bulgarien wird dieser „Kaviar“, aber auch „Ljutenitza”, in großen Mengen für den Winter konserviert. Die Lipowaner haben sogar ein Rezept mit Fisch erfunden.

Mit oder ohne Auberginen, mit Champignons oder Pfifferlingen, mit oder ohne Lorbeerblättern – Sakuska ist ein wohlschmeckendes Gericht, das an Wintertagen an die Frische und die verzaubernden Farben des Herbstes erinnert. Wer seine Gläser noch nicht zum Füllen bereitgestellt hat, sollte es nun schleunigst tun!

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Sakuska mit Auberginen und roter Paprika

Für 20 Gläser Sakuska  (je 250 Gramm) sind fünf Kilogramm Auberginen, sechs Kilogramm rote Paprika (Spitz- und Tomatenpaprika), anderthalb Kilogramm Zwiebeln, ein halber Liter Öl, ein Kilogramm Tomatensoße nötig, sowie Salz, Pfeffer und Lorbeerblätter zum Würzen. Auberginen und Paprika werden gebacken, geschält, entkernt und abgetropft. Die Paprika mit dem Küchenroboter oder manuell zerkleinern, die Auberginen mit einem Holz- oder Plastikmesser. Die gehackten Zwiebeln werden in Öl weich gedünstet. Auberginen, Paprika und Tomatensaft dazugeben und nach Geschmack würzen; die Lorbeerblätter hinzufügen. Unter ständigem Umrühren mindestens eine halbe Stunde köcheln lassen. Die Komposition in saubere, trockene Gläser füllen, verschließen und im Wasserbad etwa 30 Minuten köcheln lassen, damit sie lange halten. Dann abkühlen lassen und trocknen und kühl aufbewahren, am besten im Keller. Nach dem Öffnen muss der Brotaufstrich im Kühlschrank aufbewahrt oder am besten auf der Stelle verzehrt werden.