Maria, Mutter der Heimat

Seit 15 Jahren findet in Maria Radna die Deutsche Wallfahrt statt

Bischof Josef Csaba Pál zelebriert das Pontifikalamt anlässlich der Deutschen Wallfahrt in Maria Radna.

Am Portiunkula-Tag, dem 2. August, versammeln sich die Banater Deutschen in Maria Radna. Die Kirche ist auch in diesem Jahr voll. | Fotos: Raluca Nelepcu

Von feierlichem Gesang bis zu ergreifender Andacht: Mehr als 300 Gläubige pilgerten am 2. August zur Wallfahrtsbasilika in Maria Radna, wo am Portiunkula-Fest die Deutsche Wallfahrt stattfindet – ein Fest des Glaubens, der Erinnerung und der Gemeinschaft. 

Kurz nach 10 Uhr beginnt sich die Basilika von Maria Radna langsam mit Menschen füllen. Während sich Pilger aus Rumänien, Deutschland, Österreich, Luxemburg und den Vereinigten Staaten ihren Platz suchen, füllen Marienlieder das weite Kirchenschiff. Das gemeinsame Singen verleiht der Atmosphäre etwas innig Familiäres. Viele der Gläubigen haben lange Wege auf sich genommen, getragen von der Sehnsucht nach Heimat, nach Begegnung – und nach der Gottesmutter Maria, die hier in Radna seit Jahrhunderten verehrt wird. Hoch oben über dem Altar thront das Gnadenbild der Mutter Gottes, das in warmem Licht erstrahlt und den Blick der Ankommenden sofort auf sich zieht. Still und betend richten viele ihre Augen auf das Bild, das ihnen Trost, Schutz und Nähe verheißt.

Als um Punkt 11 Uhr die Kirchenglocken ertönen, wenden sich alle Blicke dem Eingang zu. Der römisch-katholische Bischof von Temeswar/ Timișoara, Josef Csaba Pál, Hauptzelebrant des Festgottesdienstes, zieht gemeinsam mit mehreren Priestern und Ministranten feierlich in die Kirche. Ein angenehmer Weihrauchduft erfüllt den Raum. Der Festgottesdienst beginnt.

Ein Pontifikalamt in Verbundenheit

Es ist bereits das 15. Mal, dass die Deutsche Wallfahrt in Radna veranstaltet wird. 2011 wurde die Deutsche Wallfahrt auf Wunsch der Banater Schwaben von Bischof Emeritus Martin Roos wieder ins Leben gerufen und am Portiunkula-Tag angesetzt – aus bestimmten Gründen, wie der Seelsorger in Radna, Pfarrer Andreas Reinholz, immer wieder betont. Der 2. August ist das franziskanische Fest der Portiunkula-Kapelle Santa Maria degli Angeli bei Assisi, wo Franziskus den bekannten Portiunkulaablass erbat. Maria Radna ist historisch eng mit dem Franziskanerorden verbunden: Die Franziskaner siedelten sich im 16. Jahrhundert hier an, als sie vor den Osmanen flohen. Bereits im 14. Jahrhundert hatten sie die Pastoration in Lippa versehen, in der vor 700 Jahren erbauten Pfarrkirche des Hl. Ludwig von Toulouse, der ebenfalls Franziskaner war. Die Wallfahrtskirche trägt damit ein starkes franziskanisches Erbe, das auch beim Besichtigen des Museums in Maria Radna hervorsticht. 

Im Mittelpunkt der Deutschen Wallfahrt steht auch in diesem Jahr ein feierliches Pontifikalamt, zelebriert von Josef Csaba Pál, dem römisch-katholischen Diözesanbischof von Temeswar/Timișoara. Gemeinsam mit zahlreichen konzelebrierenden Priestern aus Rumänien und Deutschland, unter anderem Pfarrer Günther Loch (Astheim-Trebur-Geinsheim), Pfarrer Paul Kollar (St. Gerhards-Werk und Südostdeutsches Priesterwerk), Pfarrer Josef Hell (Trockau/Pegnitz), Pfarrer Robert Dürbach (Uhingen), Generalvikar Johann Dirschl, Domherr em. Andreas Reinholz (Maria Radna) und Pfarrer Ioan Cădărean (Lippa/Neudorf), wird das Hochamt zu einem eindrucksvollen Zeichen grenzüberschreitender Seelsorge und Verbundenheit. Aus dem Banat beteiligen sich auch Domherr Adalbert Jäger (Temeswar-Fratelia), Domherr Zoltán Kocsik, Direktor des Gerhardinum-Lyzeums, Domherr János Kapor (Chișineu-Criș – Schimonyidorf/Satu Nou), Domherr em. Peter Szabó, Mates Dirschl (Neuarad), Martin Jäger (Pankota) und László Balogh (Arad-Mikelaka/Glogowatz). Sie alle haben, genau wie die meisten Pilger, eine enge Verbindung zu diesem Wallfahrtsort und das schon aus früher Kindheit. Die Predigt hält Pfarrer Günther Loch. 

Die musikalische Umrahmung der Messe ist, wie jedes Jahr, ein Höhepunkt: der Banater Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz an der Orgel, Wilfried Michl als Solist und weitere musikalische Gäste verleihen der Liturgie einen feierlichen Glanz. Viele der Pilger singen mit, denn auf den Bänken liegen ausgedruckt die Lieder bereit, die in der Messe erklingen sollen. Der Klang der Orgel mischt sich mit den Stimmen der Gläubigen und ein Gefühl von Gemeinschaft breitet sich aus. 

Ehrengäste aus Nah und Fern

Die Deutsche Wallfahrt nach Maria Radna ist nicht nur ein religiöses Ereignis, sondern auch ein Treffen der Gemeinschaft. Eine Vielzahl an Ehrengästen und Vertretern deutscher Einrichtungen nehmen jedes Jahr daran teil. Anwesend sind heuer, u. a., Christine Neu (stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben), Richard Jäger (Landesvorsitzender Baden-Württemberg und Heimatortsgemeinschaft Neupanat/Horia), Dr. Franz Metz (Geschäftsführer des Gerhardsforums Banater Schwaben e.V.), Anni Fay (Vorsitzende des Gerhardsforums), Dr. Hella Gerber (Stadträtin in Augsburg und Vorsitzende der HOG Nitzkydorf), Theresia Reiter (HOG Sanktanna), Franz Magamol (HOG Lowrin), Erwin Josef Țigla (Vorsitzender des Demokratischen Forum der Banater Berglanddeutschen), Dietlinde Huhn (Vorsitzende des DFD Großsanktnikolaus), Caritas-Direktor Herbert Grün sowie mehrere Vertreter der Heimatortsgemeinschaften mit Fahnenabordnungen. Eine Aufzählung aller Beteiligten macht zum Schluss des Gottesdienstes Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin, der seit Jahren an der Organisation der Deutschen Wallfahrt mitbeteiligt ist. 

Die Präsenz der Vertreter der Banater Schwaben von Fern und Nah erinnert daran, dass diese Wallfahrt nicht nur ein spirituelles Ereignis ist, sondern auch ein kulturelles Bekenntnis zur Geschichte und Identität der Banater Schwaben – in all ihrer Vielfalt und weltweiten Verzweigung. „Für mich persönlich ist Maria Radna ein Ort, um meinen Glauben wieder zu bestätigen und Kraft zu schöpfen. Ich bin schon als Kind hierhergekommen. Mein Onkel war Pfarrer in Guttenbrunn und da haben wir, ich und meine Cousine, ganz oft die Sommerferien verbracht und dann sind wir mit der Haushälterin nach Maria Radna gekommen“, erinnert sich Christine Neu, stellvertretende Landsmannschaftsvorsitzende. Viele Erinnerungen an Radna hegt sie seit ihrer Kindheit. „Sie haben uns damals viele Bilder gezeigt, die gespendet wurden. An ein Bild erinnere ich mich ganz besonders. Da ist ein Kind umgekommen durch Strom oder Blitzschlag. Man hat es dann in Sand eingegraben und es ist wieder zu sich gekommen. Das war für mich ein Rätsel. Ich konnte mir das als Kind gar nicht vorstellen, dass so Sachen passieren können. Es war ein Wunder. Die Danksagung haben sie dann in Maria Radna gemacht“, erzählt Christine Neu. „Auch für mich persönlich ist es ein Dank-Sagen an die Hilfe, an das Leben, an das Glück, das man hat, dass man gesund ist und auch die ganze Familie gesund ist“, fügt sie hinzu.

Der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Țigla, ist seit der ersten Deutschen Wallfahrt jedes Jahr am 2. August in Maria Radna dabei. „Es ist ein Beweis der Verbundenheit, nicht nur meinerseits, sondern der gesamten Gemeinschaft hier, der Banater Deutschen, eine Verbundenheit zu einem geschichtsträchtigen Ort. Es ist die Geschichte unserer Vorfahren, die Geschichte unseres Daseins auf diesem Boden. Maria Radna ist für die Banater deutsche Gemeinschaft das geistliche Herz ihrer Wallfahrtstradition. Ich finde es besonders wichtig, dass man eben an diesem 2. August alle Jahre an der Tradition anknüpft“, sagt Erwin Josef Țigla. 

Ebenfalls aus dem Banater Bergland ist Helmuth Kierer, der Vorsitzende des Kreisverbands Schweinfurt der Landsmannschaft der Banater Schwaben, mit seiner Ehefrau angereist. Der aus Lowrin stammende Banater Schwabe kommt ebenfalls jedes Jahr am 2. August nach Maria Radna. „Ich bin schon in meiner Kindheit und Jugend nach Radna gefahren – von Arad mit der Bimmelbahn. Ich schaue mir heute noch die Häuser an, wo wir damals übernachtet haben“, erzählt er. „Radna ist uns, Banater Schwaben, so wichtig wie Altötting in Deutschland auch“, sagt er. „Man kann hier in Ruhe nachdenken, über die Vergangenheit und die Zukunft“, fügt er hinzu.  

Gemeinschaft am Tisch und am Kalvarienberg

„Ihr dürft dieses Gnadenbild nicht nach Hause nehmen, aber die Mutter Gottes schon“, sagt Diözesanbischof Josef Csaba Pál lächelnd, bevor die Festmesse abklingt. „Wir können uns in der Hoffnung stärken, wenn wir wissen, dass die Mutter Gottes mit uns ist. Ihr Geist, ihre Seele ist in unserem Leben. Wir sollten uns so benehmen, wie sie sich benehmen würde. Und dann können wir die volle Hoffnung haben, dass uns Jesus aus unserer Not helfen wird“, sagt der Bischof.  

Nach dem Gottesdienst folgt ein gemeinsames Mittagessen im Kloster. Im Refektorium und auf der Seitenterrasse wird nicht nur gespeist, sondern auch ausgetauscht, erinnert und gelacht – wie es gute Wallfahrtsgemeinschaften eben tun.

Am Nachmittag finden sich die Gläubigen an der Lourdes-Grotte zur Kreuzwegandacht ein. Das eindrucksvolle Holzkreuz am Fuß des Kalvarienbergs hinterlässt bei so manchem Pilger einen bleibenden Eindruck. Der Weg hinauf zum Kalvarienberg – bei heißem Wetter, aber in großer innerer Sammlung – ist geprägt von Stille, Gebet und dem Mittragen der Kreuze der Welt: Krankheit, Verlust, Heimatferne, aber auch Hoffnung, Frieden und Dank. Der Kreuzweg ist frisch renoviert, ein weiterer – der seltenere „Glorreiche Weg“ – soll ebenfalls saniert werden, wie Pfarrer Andreas Reinholz bekannt gibt.
Kultureller Ausklang mit geistlicher Musik

Den Abschluss der Deutschen Wallfahrt bildet ein Konzert in der Basilika. Werke von Liszt, Bach, Mendelssohn und Banater Komponisten, vorgetragen von Musikern wie Franz Metz, Ildiko Hadar-Babenco, Julia Szabo, Sara Busuioc und Wilfried Michl, lassen den Tag würdig ausklingen. Musik und Glaube vereinen sich dabei wie selbstverständlich – wie es in Maria Radna eigentlich schon seit Generationen geschieht. „Die Banater Schwaben sind schon immer mit ihrer Not, mit ihren Schwierigkeiten hierhergekommen und dann leichter nach Hause gegangen. Nachdem sie gemeinsam gebetet haben, haben sie bemerkt, dass ihre Probleme gelöst wurden. Wenn mehrere Leute zusammenbeten, dann ist das Gebet stärker“, bekräftigt Bischof Josef. 

Die Deutsche Wallfahrt in Maria Radna ist mehr als ein fester Termin im kirchlichen Jahreskreis – sie ist ein lebendiges Zeichen der bleibenden Bindung an Herkunft, Glaube und Gemeinschaft. Auch in diesem Jahr ist dies deutlich spürbar: in Liedern, Gebeten, Gesprächen, Umarmungen.