„Musik wirkt und tut uns gut“

Angelica Postu bringt seit sieben Jahren Musiktherapie nach Temeswar

Angelica Postu gilt als führende Vertreterin der Musiktherapie in Rumänien. Sie arbeitet als Musiktherapeutin an der Charité in Berlin und promoviert an der Universität der Künste Berlin über die Entwicklung der Musiktherapie in Rumänien. 2017 gründete sie den ersten rumänischen Musiktherapieverband und etablierte den ersten Hochschulkurs für Musiktherapie an der Nationalen Universität für Musik in Bukarest. Mit Abschlüssen in Psychologie, Musiktherapie und Klavier wirkt sie als Dozentin und Trainerin im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und emotionales Wohlbefinden von Musikern. Neben ihrer klinischen Arbeit forscht und publiziert sie international und ist eine gefragte Referentin bei Konferenzen in ganz Europa. | Fotos: Dana Moica

Als Pianistin erkannte Angelica Postu die Notwendigkeit, sich auch mit der Seele und Psyche zu befassen. So entdeckte sie eine Disziplin, die beides verbindet: Musiktherapie.

In großen deutschen Kliniken (z. B. Charité Berlin) gehört Musiktherapie fest zum Behandlungskonzept.

Vom Klavier zur Psychologie und dann zur Musiktherapie – der Weg von Angelica Postu zeigt, wie Klang zur Brücke zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Fragilität und Gleichgewicht werden kann. Die Bukaresterin lebt in Berlin, wo sie seit fast einem Jahrzehnt in einer psychiatrischen Klinik arbeitet, bleibt jedoch über den Rumänischen Musiktherapie-Verein „Asociația Română de Muzicoterapie“ und über Projekte zur emotionalen Gesundheit von Musikern eng mit Rumänien verbunden. 

Klänge des Klaviers und von anderen Instrumenten erklingen aus den Räumen jeweiliger Kliniken in Deutschland. Es ist weder ein Konzert noch eine Probe, sondern eine Therapiesitzung. In einem ruhigen Raum des Charité-Universitätsklinikums in Berlin sitzt meistens die rumänische Musiktherapeutin Angelica Postu am Klavier. Seit fast zehn Jahren verbindet sie Musik und Psychologie miteinander, um Heilung dorthin zu bringen, wo Worte nicht mehr ausreichen. 

Ihr Weg begann am Klavier, vor dem Publikum in Konzertsälen, doch hinter der scheinbaren Schönheit der Bühne verbargen sich schon immer innere Kämpfe. „Für Musiker ist es eine mühsame Reise. Auf der Bühne wirkt alles wunderbar, aber im Hintergrund laufen viele innere Prozesse ab, die auch ich durchlebt habe“, erzählt sie. Ihre Suche führte sie zunächst zur Psychologie, dann zur Psychotherapie. Und doch fehlte etwas: „Mir fehlte die Musik sehr, und ich fragte mich: Gibt es nicht eine Form von Therapie, in der ich sowohl sprechen als auch musizieren kann?“ Zwischen den beiden Leidenschaften – Musik und Psychotherapie – entdeckte Angelica Postu eine Disziplin, die beides vereint: die Musiktherapie. 

An der Universität der Künste in Berlin lernete Angelica, dass diese Disziplin einen soliden akademischen Rahmen und eine gut in das deutsche Gesundheitssystem integrierte Praxis besitzt.

Was ist Musiktherapie?

„Musiktherapie ist eine Form von Psychotherapie durch Musik. Wir nutzen den musikalischen Klang als Ausdrucksmedium“, erklärt die 36-jährige Pianistin, Psychologin und Musiktherapeutin. Im Berliner Charité-Krankenhaus, einer der größten Universitätskliniken Europas, arbeitet Angelica mit Patienten, die an Depressionen und anderen schweren Störungen leiden. 

Die Therapiesitzungen umfassen musikalische Improvisation, das Erkunden von Schlagzeug, Tastenin-strumenten oder asiatischen Klangkörpern, das Hören von Musik oder sogar, die eigene Stimme zu einfachen Ausdruckswegen zu bringen. „Die Patienten brauchen keine musikalischen Vorkenntnisse. Ich lade sie ein, eine Stimme der Emotionen zu entdecken – eine Stimme, die sie bisher nicht ausdrücken konnten. Meine Rolle ist es, sie zu begleiten und ihnen Mut zu geben, diese zu erforschen“, erklärt Angelica Postu die Musiktherapie. 

Die Bühne und ihre unsichtbaren Lasten

Dieselbe Herangehensweise wendet sie auch bei professionellen Musikern an. Beim Eufonia-Festival in Temeswar/Timișoara, wohin sie jedes Jahr zurückkehrt, arbeitet Postu mit Künstlern, die unter dem Druck der Bühne stehen: „Wir sehen sie auf der Bühne und denken, alles sei schön. Doch hinter dem Konzert stehen Emotionen, Bauchschmerzen, Schlaflosigkeit, Gedanken voller Unsicherheit. Der Leistungsdruck ist real: Man muss seine beste künstlerische Form abliefern, und das ist schwer auszuhalten“. Vor ihr lernen die Künstler, dass Verletzlichkeit keine Schwäche, sondern eine Form von Authentizität ist. „In der Sichtweise der Musiktherapie gibt es kein Richtig oder Falsch. Es gibt den gegenwärtigen Moment, in dem ich mich so zeige, wie ich bin“, erzählt die Musiktherapeutin.

Obwohl Musiktherapie heute fester Bestandteil der Behandlungen in großen deutschen Krankenhäusern ist, hat sie in Rumänien noch keinen offiziellen Status. Angelica Postu erklärt jedoch, dass sich dies gerade ändert: „In Deutschland wird Musiktherapie an Universitäten studiert, es gibt Bachelor- und Masterstudiengänge, und in Krankenhäusern ist sie ein anerkannter Beruf mit klaren Normen und Standards. In Rumänien stehen wir noch am Anfang, aber das Interesse wächst. Es gibt Krankenhäuser, die begonnen haben, über die Einführung dieser Therapieform zu diskutieren, und es gibt bereits einige Kollegen, die sie in Großwardein/Oradea, Bukarest oder Klausenburg/Cluj-Napoca praktizieren“. 

Erster Verein für Musiktherapie in Rumänien

Um diesen Prozess zu beschleunigen, gründete Angelica Postu 2017 den Rumänischen Verein für Musiktherapie, über den sie Konferenzen, Schulungen und Informationsveranstaltungen organisiert. „Wir müssen bekannt machen, dass Musik nicht nur Unterhaltung oder Darbietung ist, sondern auch ein Instrument für die Gesundheit. Musiktherapie ist eine ernstzunehmende Disziplin mit wissenschaftlich validierten Ergebnissen. Jeder Ton hat eine Rolle, jede Improvisation erzählt eine Geschichte“, sagt die Musiktherapeutin. 

Diesen Ansatz wendet sie nicht nur im Krankenhaus an, sondern auch in der Arbeit mit Musikern, insbesondere im Rahmen des Eufonia-Festivals in Temeswar. In den hier abgehaltenen Workshops wird der Probenraum zu einem Laboratorium der Emotionen. Junge Künstler, die es gewohnt sind, stundenlang für ein Konzert zu proben, lernen, innezuhalten und auf ihre eigenen Gefühle zu hören. „Manche sind überrascht, wenn sie erkennen, dass der Druck nicht von außen kommt, sondern von innen, von den unmöglichen Standards, die sie sich selbst auferlegen. Die Musiktherapie bietet ihnen einen Raum, in dem sie nicht perfekt sein müssen, in dem sie auch ihre Verletzlichkeit erkunden können“, erklärt die rumänische Musikerin und Therapeutin.

„Musik als Spiegel der Seele“

Das Ergebnis, sagt Angelica, ist eine größere Authentizität im künstlerischen Schaffen. Das Publikum hört nicht nur eine korrekte Interpretation, sondern spürt auch die echte Emotion des Interpreten. „Darin liegt die Schönheit der Musik: in ihren menschlichen Unvollkommenheiten, in den Schwingungen, die die Seele berühren. Wenn es einem Künstler gelingt, präsent und aufrichtig zu sein, dann wird der künstlerische Akt sowohl für ihn als auch für die Zuhörer zu einer heilenden Erfahrung“. 

Angelica Postu ist als Musiktherapeutin jedes Jahr seit der zweiten Ausgabe des Eufonia-Festivals in Temeswar präsent. In diesem Jahr, bei der 8. Ausgabe des Festivals, entschied sie sich, über Glück zu sprechen. „Glück ist nicht der glücklichste Moment im Leben eines Menschen, ein Moment, der vorbei ist, sondern eine kontinuierliche Suche. So wie der künstlerische Akt niemals abgeschlossen ist, sondern sich jedes Mal neu erfindet“, erzählt Angelica. Die Veranstaltung richtete sich an alle, die kreativ tätig sind – sei es im Bereich der bildenden Kunst, der Musik oder der darstellenden Kunst – und versuchte, die Frage zu beantworten: „Ist Glück im kreativen Schaffen ein echtes Versprechen oder eine Illusion, die notwendig ist, um den Weg weiterzugehen?“ Ausgehend von Konzepten aus der Psychologie der Kreativität, den Neurowissenschaften und der existentiellen Ästhetik rückte die Konferenz die Emotionen in den Vordergrund, die der Künstler auf seinem von Zweifeln, Frustrationen und der Konfrontation mit den eigenen Grenzen geprägten Weg empfindet. „In diesem Zusammenhang ist Glück eher ein Nebeneffekt des Kampfes mit der Kunst und mit sich selbst“, sagt die Musiktherapeutin. 

Ob in Berlin, in einem Krankenhaus, wo Instrumentenklänge sich mit den eiligen Schritten der Ärzte verweben, oder in Temeswar in einem Festsaal, erzählt Angelica Postu stets dieselbe Geschichte: dass Musik mehr ist als Kunst, sie ist ein Spiegel der Seele. „Ich versuche, Musiker zurück zu ihrer eigentlichen Berufung zu bringen: das Schöne der Musik zu vermitteln und gleichzeitig ihre Individualität zu bewahren“. Hinter ihrer Arbeit steht eine einfache, aber tiefgründige Vision: Musik ist eine universelle Sprache, die Menschen, Kulturen und Innenwelten verbinden kann. Für Angelica Postu öffnet jeder Klavierakkord, jeder zaghafte Trommelschlag oder jeder achtsame Atemzug ein Tor zum Gleichgewicht. „Musik tut uns gut – und meine Mission ist es, diese Botschaft so weit wie möglich zu verbreiten.“