Will man verstehen, wie im Hermannstädter Stadtrat Entscheidungen getroffen werden und welches die wichtigsten Themen auf der Agenda der Stadtverwaltung sind, muss man einfach
Diana Mureșan in den sozialen Medien folgen. Die 37-jährige Stadträtin schreibt in ihrer politischen Tätigkeit Transparenz mit Großbuchstaben. Die in Mediasch geborene Unternehmerin ist auf den verschiedensten Ebenen zivilgesellschaftlich aktiv, leitet die Lokalfiliale der Union Rettet Rumänien (USR) und setzt sich zugleich auch für nachhaltige Lokalprojekte ein. Mit Diana Mure{an sprach ADZ-Redakteur Roger Pârvu.
Man kennt dich als sehr aktive Frau. Ist es ein innerer Drang, den du immer verspürt hast, oder gab es in deinem Leben Vorbilder, die dich in diese Richtung beeinflusst haben?
Ich habe schon früh, als Jugendliche, erkannt, dass ich in einem gewissen Maß privilegiert bin, dadurch, dass ich in eine Familie hineingeboren wurde, die sich um mich und meine Erziehung gekümmert hat. Wir hatten keine ernsthaften finanziellen Mängel, oder nur die üblichen, wie sie, glaube ich, fast jede Familie in Rumänien in den 90er-Jahren erlebt hat.
Später, während des Studiums, als ich auch als Reiseleiterin gearbeitet habe, und insbesondere dann, als ich gemeinsam mit meinem Mann das Reiseunternehmen „Siebenbürgen Reisen“ gegründet habe, wurde uns sehr viel Vertrauen entgegengebracht. Sogar von Menschen, die wir oft nur flüchtig kannten. Dieses Vertrauen hat mich tief beeindruckt. Durch diese positiven Erfahrungen und die Erkenntnis, dass mir vieles im Leben geschenkt wurde, habe ich immer das Gefühl verspürt, dass ich auch etwas zurückgeben möchte: der Gesellschaft und meinen Mitmenschen. In meinen jüngeren Jahren geschah das in Form von ehrenamtlichem Engagement und heute zeigt sich das in meiner politischen Tätigkeit. Diese Haltung wurde sicher auch geprägt durch die Zeit, die ich in der evangelischen Jugendgruppe in Mediasch verbracht habe, die vom Pfarrerehepaar Servatius-Depner geleitet wurde. Die Nähe zur Evangelischen Kirche hat meine Persönlichkeit entscheidend geprägt. Hier habe ich das freiwillige Engagement kennengelernt. Ich bin mit den Jahren selber von der einfachen Teilnehmerin zur freiwilligen Mitwirkenden herangewachsen. Die deutsche Kultur in Siebenbürgen hat in meinem Werdegang eine sehr wichtige Rolle gespielt.
Du hast irgendwann gesagt, dass deine Entscheidung, politisch aktiv zu werden, sich nicht unbedingt der Zustimmung der Familie erfreut hat. Kannst du uns kurz deine damaligen Beweggründe und die ersten Schritte auf der politischen Bühne schildern?
Dass meine Entscheidung, politisch aktiv zu werden, nicht unbedingt die Zustimmung meiner Familie gefunden hat, hatte vor allem mit Sorge um mich zu tun. Wie bei vielen anderen Rumänen hatten auch die Mitglieder meiner Familie sehr wenig Vertrauen in die politische Klasse – manche hatten dieses sogar ganz verloren. Es war ihnen bewusst, dass das politische Umfeld kein einfaches ist, dass man dort mit vielem rechnen muss. Dass nicht alle nett und freundlich zu einem sind. Vor meinem Beitritt in die USR im Jahr 2016 habe ich das politische Geschehen zwar schon länger beobachtet, aber es gab bis dahin keine Partei, mit der ich mich wirklich identifizieren konnte. Keine, die mich dazu bewegt hätte, diesen Schritt in die parteipolitische Tätigkeit zu wagen. Die USR war für mich deshalb besonders attraktiv, weil sie eine echte Grassroots-Partei war, mit vielen Mitgliedern, die sich schon vor ihrer politischen Aktivität gesellschaftlich für wichtige Themen, die auch mir am Herzen lagen, engagiert hatten. Wie sich da die Dinge ändern können, kann ich am Beispiel meiner Mutter veranschaulichen. Bevor ich selber politisch aktiv wurde, war das politische Geschehen nicht unbedingt ein Thema für sie. Jetzt, zehn Jahre später, ist sie selber auf ihrer Ebene politisch aktiv geworden: sie sammelt Unterschriften, äußert sich in den sozialen Medien zu politischen Themen usw. Politik ist zur Selbstverständlichkeit in unseren Gesprächen geworden. Der zentrale Beweggrund, parteipolitisch aktiv zu werden, war und ist für mich folgender: Ich bin überzeugt, dass Rumänien ein riesengroßes Potenzial hat. Leider wird dieses Potenzial oft nicht erreicht – aufgrund von Korruption und einem Mangel an tiefgreifenden Reformen. Ich wollte und will weiterhin mit meinem Beitrag helfen, dass Rumänien dieses Potenzial ausschöpfen kann.
Siehst du dich selber als Politikerin?
Inzwischen ja. Es war in den ersten Jahren etwas schwieriger, mich selber als Politikerin zu verstehen, da ich aus dem zivilgesellschaftlichen Aktivismus komme. Der Übergang von der einen Ebene in die andere geschah nicht einfach mit meiner Beitrittserklärung zur USR. Es geschah etappenweise.
Du bist sowohl Unternehmerin, zivilgesellschaftlich aktiv und politische Vertreterin. Gibt es in deinem Wirken Momente, in denen du dich zwischen Positionen, die du auf verschiedenen Ebenen vertrittst, entscheiden musst? Und wenn ja, wie triffst du diese Entscheidungen?
Natürlich wünscht man sich als Unternehmerin, so wenige Steuern wie möglich an den Staat zu zahlen. Vor allem in einem Staat, in dem der Staatshaushalt oft desaströs verwaltet wird. Aber als Politikerin darf man das Gesamtbild nie aus den Augen verlieren: Es muss allen besser gehen, nicht nur einigen wenigen. Ich glaube, dass es für Unternehmer oft sogar wichtiger ist, dass der Staat eine gewisse Vorhersehbarkeit bietet. Stabile Rahmenbedingungen, auf die man sich verlassen kann. In Krisenzeiten müssen alle Mitglieder der Gesellschaft Hand anlegen, um die schwierigen Situationen gemeinsam zu meistern. Aber gerade da fehlt es bei uns oft an guter Kommunikation. Besonders wenn Maßnahmen getroffen werden, die nicht populär sind. Kommunikation ist der Schlüssel, um die Bevölkerung mit an Bord zu ziehen. Ja, es gibt Momente, in denen ich abwägen muss zwischen verschiedenen Rollen. In solchen Momenten frage ich mich: Was dient langfristig dem Gemeinwohl? Diese Perspektive hilft mir bei der Entscheidungsfindung.
In einem Interview hast du gesagt, dass die Stadträte nicht anonym bleiben dürfen. Du betontest, dass das Amt eine kontinuierliche Kommunikation mit den Bürgern verlangt. Setzt du deswegen so sehr auf Transparenz?
Idealerweise sollte ein Politiker oder eine Politikerin in einer Demokratie ein Diener des Volkes sein. Und um ein Diener zu sein, muss man die Bedürfnisse der Menschen kennen. Das geht aber nur, wenn man eine gute und kontinuierliche Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern pflegt. Kommunikation ist entscheidend zum Beispiel in Zeiten von Krisen, wie wir sie heute erleben. Man muss den Menschen in einer klaren Sprache, die sie auch verstehen, erklären, warum manche Maßnahmen getroffen werden müssen. Ich bin überzeugt, dass genau diese Verbindung, also echte Nähe und Austausch, entscheidend ist, damit das Vertrauen in die politische Klasse wiedergewonnen werden kann. Deshalb setze ich so sehr auf Transparenz. Ohne sie ist echte Demokratie nicht möglich.
Wie hat sich deine Perspektive betreffend der Stadtverwaltung verändert, nachdem du „die Seiten gewechselt“ hast?
Meine Perspektive hat sich teilweise verändert, weil man als Stadträtin vieles besser versteht und Projekte aus der Nähe verfolgen kann. Man bekommt mehr Einblick und versteht besser, wie Dinge funktionieren oder eben nicht funktionieren. Aber vom Gefühl her bin ich eigentlich nicht wirklich „auf der anderen Seite“. Wenn man in der Opposition ist, steht man nicht direkt an der Quelle, man hat keinen direkten Zugang zu allen Informationen. Wir müssen Informationen punktuell anfordern, und oft ist es schwierig, genau zu wissen, wonach man überhaupt fragen soll, weil man eben nicht im Zentrum der Entscheidungen sitzt.
Eine rumänische Feminismus-Forscherin erklärte, dass Frauen in der Politik zu Männern werden, also die gleiche Politik wie diese betreiben und ihre Interessen im Bereich der Frauenproblematik den politischen Parteiinteressen opfern. Kannst du dieser Aussage zustimmen? Wie siehst du die Rolle der Frau in der Politik?
Es ist eine Beobachtung, die ich teilweise für korrekt halte. Aus meiner bisherigen Erfahrung kann ich auch eine Erklärung dafür geben: Es ist einfach schwieriger, ernst genommen zu werden in einem politischen Umfeld, das weiterhin von Männern dominiert wird, wenn man sich hauptsächlich mit Themen aus dem Bereich der Frauenproblematik beschäftigt und sich dafür einsetzt. Diese Haltung, dass solche Themen weniger „wert“ seien, ist völliger Schwachsinn, und ich bin überhaupt nicht einverstanden damit. Aber leider ist das noch immer Realität in der rumänischen Politik. Es ist auch schade, dass die Beteiligung von Frauen in der Politik weiterhin so gering ist. Das spiegelt sich deutlich darin wider, dass so wenige Frauen in wichtigen Positionen vertreten sind. Wenn wir uns zum Beispiel die aktuelle Regierung anschauen: In ihr sind nur zwei Frauen, und beide kommen von der USR. Die anderen Parteien haben nicht einmal eine Frau für ein Ministeramt vorgeschlagen.
Ich glaube, dass hier sowohl von den Parteien wie auch von den Politikern ein großer Fehler gemacht wird. Denn gerade weil die Interessen von Frauen oft nicht vertreten werden, gehen viele Frauen gar nicht wählen. Und wenn man als Partei Stimmen gewinnen will, dann muss man eben auch auf die Bedürfnisse und Nöte von Frauen achten.
Würde in dieser Richtung die Einführung einer Frauenquote in der rumänischen Politik helfen?
In den ersten Jahren meiner politischen Laufbahn hätte ich mit „Nein“ geantwortet. Jetzt hat sich meine Perspektive geändert. Wir brauchen mehr Frauen in der Politik. Jetzt würde ich die Einführung einer Frauenquote, auch wenn nur für eine begrenzte Zeitspanne, begrüßen. Es wäre eine Möglichkeit, Frauen zu ermutigen, parteipolitisch aktiv zu werden. Man muss ihnen diese Chance geben, damit sie beweisen können, ob sie fähig sind oder nicht. Die eher konservative rumänische Gesellschaft bietet ihnen diese Chance noch nicht wirklich. Ein Blick in die Wirtschaft zeigt uns, dass viele kompetente Frauen Entscheidungsfunktionen innehaben. Warum sollten sie es dann nicht auch in der Politik schaffen? Dafür muss man aber eine Mentalitätsänderung anschieben und ich glaube, dieses wäre mittels der Einführung der Frauenquote möglich. Es würde zu einer Selbstverständlichkeit werden, auch Frauen zu wählen. Dann könnte man die Quote wieder abschaffen. Ich wünsche mir aber eine viel differenzierte politische Vertretung im Allgemeinen, weil nur so die unterschiedlichsten Interessen vertreten werden könnten.
Wenn du jetzt die gute Fee treffen würdest und du dir wünschen könntest, dass ab morgen ein Projekt in Hermannstadt Wirklichkeit ist, welches wäre dieses?
Eine ähnliche Frage wurde mir in den vergangenen Tagen gestellt und sie ist nicht so einfach wie sie klingt. Eines der großen Probleme in Hermannstadt bleibt der Verkehr. Inklusive mit den ganzen Nebeneffekten, die bis zur Qualität der Luft in der Stadt reichen. Es wären zwei Projekte, die ich mir wünschen würde: entweder die irgendwann mal angedachte Autounterführung beim Continental-Hotel oder die Einführung einer S-Bahn, die die Umgebung mit der Stadt verbinden würde.