Am Mittwoch ging die Ausstellung „Otto Dix: Matthäus-Evangelium“ im Temeswarer Kunstmuseum zu Ende. Wieder einmal ist ein namhafter Künstler des 20. Jahrhunderts dem Temeswarer Publikum durch den Sammler und Kurator Thomas Emmerling nähergebracht worden. Über die Ausstellung, aber auch über Kunst und Ausstellungen in Zeiten der Krise sprach BZ-Redakteurin Ștefana Ciortea-Neamțiu mit Thomas Emmerling .
Otto Dix ist einer der großen Namen der Kunst des 20. Jahrhunderts. Erst vor wenigen Monaten hat eine Ausstellung in Bukarest stattgefunden. Diese in Temeswar hat jedoch einen anderen Schwerpunkt. Bitte erläutern Sie, was der Besucher an Informationen mitnehmen sollte, wenn er sich die Ausstellung angeschaut hat? Was von der Persönlichkeit des Künstlers und seinem persönlichen Bezug zu den biblischen Texten?
Wir zeigen hier die Interpretationen von Otto Dix zum Matthäus Evangelium, die 1960 vom Käthe-Vogl-Verlag in Berlin herausgegeben wurden. Otto Dix stammte ja selbst aus einem Evangelischen Pfarrhaus, wurde aber in seiner Zeit als Frontsoldat im I. Weltkrieg zum Atheisten. Einem sehr frommen Atheisten, wie diese Original-Lithografien zeigen. Er selbst hatte es so erklärt, dass er kein Problem habe mit Religion, aber mit dem Wort „Folge mir nach!“. Zu viele Menschen würden im Krieg folgen und dann töten oder getötet werden. Es geht Otto Dix darum, die kritische Vernunft über den blinden Gehorsam zu stellen.
Was würden sie ergänzend zur Ausstellung sagen (wie in einer virtuellen Tour)?
Die Geschichte beginnt für Dix bei Abraham und Isaak, also im Alten Testament, als Abraham von Gott den Befehl erhält, seinen lang ersehnten Sohn zu töten. Der Besucher wird gleich zu Beginn mit voller Wucht mit dem Thema „Befehl und Gehorsam“ konfrontiert. Isaak ist der, der gewinnt, weil er dem Vater vertraut, alles was der Vater tut ist richtig. Ein Apell Gott zu vertrauen. Die schwarz-weißen Lithografien machen die Werke besonders eindrucksvoll. Es fällt auf, dass immer wieder Figuren in Nazi-Uniformen auftauchen. Dix hatte unter der Nazi-Diktatur in Deutschland sehr gelitten und warnt in seinem Spätwerk vor jeder Form von Intoleranz, absoluten Wahrheitsanspruch und Gewalt. Es ist ein sozialkritisches Werk, das davor warnt, aus populistischen Gründen, jedem Blödsinn blind zu folgen. Gerade heute ein brandaktuelles Thema. Es lohnt sich sehr, die Grafiken unter dem Aspekt anzusehen und sich zu fragen, was hat das heute mit uns zu tun – Glamour, Erfolg (die Wunder Christi, der Einzug nach Jerusalem) aber auch Neid und Hass gegen das Anderssein.
Welches war aus Ihrer Sicht DIE Lithographie, die ganz besonders war in dieser Sammlung?
Kommt man nach dem Rundgang zurück in den ersten Raum, wird man neben der Kreuzigung eine eher seltsame Grafik entdecken. Da erscheint der Schmerzensmann mit Dornenkrone in einer schicken Party-Gesellschaft des Berlins der 20er Jahre. Man will sich amüsieren, nicht gelangweilt werden, Spaß zählt. Da stört der Schmerzensmann, der uns erinnert, wir haben auch Schuld auf uns geladen. Die Frau rechts von ihm schreit ihm ins Ohr, ein Mann mit den Gesichtszügen Adolf Hitlers bringt seinen Unmut zum Ausdruck, seinen Mut Unrichtiges zu tun. Dieser Aspekt steckt auch heute in uns. Wir wollen durch das Leid der Flüchtlinge, der Verfolgten, der Verachteten nicht gestört werden in unserem Amüsement. Otto Dix setzt sich für den Pluralismus ein, für Respekt, Respekt vor dem Leben und ist damit unbequem.
Die Tour durch das Museum ist wegen der Coronavirus-Krise abgesagt worden. Wie ist der Bereich Kultur im Allgemeinen davon betroffen und wie spüren Sie das?
Natürlich spüren wir das, die Kollegen in den Bereichen Theater und Konzert wohl mehr, zumal die Veranstaltungen höhere Besucherzahlen haben und die Leute eng nebeneinandersitzen. Aber auch in der Bildenden Kunst merken wir, dass es heute besser ist vorsichtig zu sein. Für uns bedeutet dies, dass die Ausstellungen, die wir aktuell zeigen in den Museen und Galerien zu sehen sind, dass verstärkt private views, also Einzelführungen nachgefragt werden, aber Gruppenveranstaltungen müssen vorerst verschoben werden.
Wird die Ausstellung länger offenbleiben oder wird sie noch einmal nach Temeswar gebracht?
Nun ist ja die Ausstellung Teil des Programms des Temeswarer Kunstmuseums, so dass dies nicht einzig unsere Entscheidung ist, aber aktuell kann ja die Ausstellung besichtigt werden.
Sie haben schon mehrmals Ausstellungen nach Temeswar gebracht und kuratiert. Was ist demnächst geplant? Vielleicht auch im Hinblick auf 2021?
Aktuell planen wir, was wir 2020 in Temeswar noch zeigen können, aber besonders natürlich im Jahr 2021. Ich bin sicher, dass das Kunstmuseum wieder – und im Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt 2021 im Besonderen – ein sehr interessantes Ausstellungsprogramm aufstellen wird und ich würde mich sehr freuen, wieder ein-zwei Beiträge leisten zu können.