Die in Siebenbürgen geborene Inge Goos schreibt gerade ihre persönliche Erfolgsgeschichte auf internationalen Bühnen: Nachdem sie kürzlich beim „Internationalen Speaker Slam“ in Dresden mit dem „Excellence Speaker Award“ ausgezeichnet wurde, wurde sie für Herbst 2026 zu einem Symposium nach New York City eingeladen. Am 1. August moderierte sie in Freck/Avrig die Premiere des Schlagerfests „Siebenbürgische Nacht in Weiß“. Das Lieblingsthema der begeisternden Speakerin, aber auch in ihrer Rolle als Seelencoach: Selbstverantwortung. „In einer Gesellschaft, in der viele die Schuld im Außen suchen, begleite ich Menschen liebevoll, locker und lösungsorientiert in ein Leben voller Freude, Freiheit und innerer Klarheit.“ Bevor Inge Goos dieser Berufung folgte, war sie viele Jahre im Bank- und Hotelwesen tätig. Über ihren Lebensweg und beruflichen Neustart spricht sie mit ADZ-Chefredakteurin Nina May.
Frau Goos, Sie sind in Bukarest aufgewachsen – und zwar ausgerechnet im Gebäude des früheren deutschen Kulturinstituts, das heute die Residenz des deutschen Botschafters darstellt. Wie kam es dazu?
Meine Eltern sind in Siebenbürgen geboren, haben aber in Bukarest gearbeitet. Im Februar 1978 bin ich in Agnetheln geboren, wohin sich meine Eltern wegen der familiären Unterstützung für die Schwangerschaft und Geburt zurückgezogen hatten. Kurz danach kamen wir aber nach Bukarest zurück. Im neu eröffneten Goethe-Institut – das damals nicht so heißen durfte, es nannte sich „Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland“ – wurde ein Hausmeisterehepaar gesucht. Und weil meine Mutter lange Zeit bei Angehörigen des diplomatischen Corps gearbeitet hatte, hatte sie davon erfahren, und so haben sich meine Eltern beworben. Im Sommer 1979 sind wir dann in diese Dienstwohnung eingezogen – da war ich stolze 1 1/2 Jahre alt – und haben bis zur Auswanderung 1989, noch vor dem politischen Umbruch, da gewohnt.
Woran erinnern Sie sich aus der Bukarester Kindheit? Was war prägend für Sie?
Vor Kurzem erst habe ich eine Reise nach Bukarest gemacht und war erstaunt, wie präsent die Erinnerungen nach 36 Jahren noch sind. Ich erinnere mich an den deutschen Kindergarten, den ich vormittags besuchte – und an den rumänischen, im zweiten Haus neben dem Goethe-Institut, wo ich am Nachmittag zum Spielen hingehen durfte und wo ich Rumänisch gelernt habe, weil ich ja in einem 100 Prozent deutschen Umfeld aufgewachsen bin. Ich erinnere mich an meine Schule, das heutige Goethe-Kolleg, das hieß damals „Liceul industrial n. 34“, nicht etwa deutsche Schule, aber es wurden alle Fächer auf Deutsch gelehrt. Die Räumlichkeiten und sogar die Namen von Lehrern sind mir noch präsent. Ich habe auf dieser Reise Herrn Töpfer (Anm. Red.: Leiter der Bukarester Filiale des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien) kennengelernt, der sagte mir, erst vor ein paar Tagen sei meine damalige Klassenlehrerin in den Ruhestand verabschiedet worden. Beinahe hätte ich sie noch getroffen!
Hatten Ihre Eltern keine Schwierigkeiten mit der Securitate wegen ihrer Nähe zum Goethe-Institut?
(Lacht laut auf): Für mich als Kind war klar, was meine Eltern vor mir sagen, das bleibt unter uns und in der Familie... Aber, natürlich, im Goethe-Institut waren Leute, gezielt eingesetzt, von dem ein oder anderen wusste man es, bei anderen war man sich nicht sicher. Woran ich mich erinnere: Ein Lehrer in der Schule hatte mich gebeten, Lernmaterial aus der Goethe-Bibliothek rauszusuchen und zu kopieren. Ich hab das dann mitgebracht in die Schule und dachte: Wieso kommt der nicht einfach selber und kopiert sich das? Mein Vater hat mir dann kindgerecht erklärt, dass man einen Antrag stellen müsse... und vielleicht sei der nicht genehmigt worden, warum auch immer...
Wie kam es dann zur Auswanderung? Und was war der Grund?
Der Grund war wie bei den meisten: Meine Eltern wollten für mich eine freiere, bessere Zukunft. Eine, die ich selbst gestalten kann, so wie ich es möchte. Mein Vater kannte Deutschland von Dienstreisen im Rahmen des Goethe-Instituts.
Dienstreisen – als Hausmeister?
Ja, mein Vater war ein Allroundtalent, ein gelernter Maurer, ein guter Handwerker, vielseitig einsetzbar. Er durfte mit auf Geschäftsreisen.
Wie war dann das Ankommen in Deutschland für Sie – ein Kulturschock?
Absolut! Doch den ersten Schock hatte ich schon vorher. Ich war elf und hatte mir schon immer gewünscht, nach Deutschland zu fahren, weil ich die Fotos von den Dienstreisen kannte. Dann kam der Tag, wo meine Eltern mit mir reden wollten. Ich saß auf dem Schoß von Papa, die Mama daneben. „Wir fahren nach Deutschland“, sagten sie. „Oh, toll – übers Wochenende?“ „Nein.“ „Dann eine ganze Woche? - Noch besser!“ „Nein.“ Stille. Und auf einmal kamen die zwei Worte: „Für immer.“ Da ging ein Tränenmeer los! Meine erste Frage war, was aus meinen Freunden werden würde? Irgendwie hat es da in meinem Kinderherz etwas zerfetzt. Später fand ich mein sonniges Gemüt wieder und hab mich gefreut.
Wir sind dann mit dem Zug ausgereist, Schlafwagen, Bukarest – Wien. In Wien mussten wir umsteigen und weiter nach Nürnberg. Dort mussten alle ins Auffanglager, sich anmelden. Nach einem Monat sind wir dann in der Nähe von Heilbronn in einem kleinen Dorf abgesetzt worden. Da waren wir die ersten zwei Jahre. Weil der älteste Bruder von Papa 1985 nach Baden-Württemberg ausgereist war, konnten wir den Wunsch äußern, auch dort hin zu gehen.
War das Ankommen eher Abenteuer oder Trauma?
Eine Mischung. Ich kam schon mit dem Abenteurerherz her und es gab immer den Blick nach vorne, nie hab ich gesagt, ich will zurück. Dennoch war es eine schwierige Zeit. Ich war zum Beispiel gewohnt, in der Schule mit erhobenem Zeige- und Mittelfinger zu warten, bis der Lehrer mir ein Zeichen gab, dann aufzustehen, in einem bestimmten Winkel vom Tisch, und erst zu reden, wenn der Lehrer nickte. Das dauert, bis man solche Verhaltensmuster abgelegt hat.
Auch so ein Punkt, den ich nicht verstanden habe, war: In Rumänien waren wir quasi „Aussätzige“, weil wir Deutsche waren – und als wir hier ankamen hieß es, ihr seid ja rumänisch...
Irgendwie hatte ich lange Zeit eine gewisse Scham über meine Biografie. Das hat sich erst über die Jahre gelegt, das konnte ich erst später als Geschenk annehmen.
War diese Erfahrung, dieser Perspektivwechsel, nicht wertvoll für das, was Sie heute machen?
Absolut. Hundert Prozent! Seit ein paar Jahren kann ich das als Bereicherung betrachten, kann eine wunderbare Besonderheit darin erkennen. Auch stelle ich fest, dass bei den Menschen um mich herum, privat oder beruflich, plötzlich immer wieder Ahnen-Themen aufploppen. Spannend – weil das bei mir auch gerade der Fall war. Ich habe Freunde, die auch aus Siebenbürgen stammen und diesen Bruch durch Auswanderung oder Flucht erlebt haben. Vor zwei Jahren war ich dann zum ersten Mal nach 34 Jahren mit meinen Eltern wieder in Rumänien. Diese Jahr hatten wir ein Riesen-Familienfest in Hundertbücheln, neben Agnetheln. Da habe ich diese Verwurzelung sehr intensiv gespürt. Ich spüre, dass es doch noch eine Verbundenheit mit Rumänien gibt, mit Siebenbürgen und auch mit Bukarest. Seit diesen Reisen fühle ich mich vollständiger. Davor hatte es mich nicht interessiert, ich sagte immer, die Welt ist groß, es gibt andere schöne Länder...
Wie lief es dann mit der Karriere in Deutschland?
Ich bin direkt aufs Gymnasium gekommen und kam vom Stoff her mit allem super klar, in Mathe war ich dem Lehrplan um Längen voraus, nur in Englisch hinkte ich hinterher und war froh, als ich es später abwählen konnte. Nach der Schule habe ich mich für eine Ausbildung entschieden, weil ich schon damals ehrlich zu mir war: für ein Studium war ich viel zu inkonsequent und lotterlich. Dann hab ich gemacht, was ich nie, nie, nie machen wollte: ich ging zur Bank, aus freien Stücken. Habe bei der Sparkasse eine Ausbildung gemacht und später den Bankfachwirt. 24 Jahre war ich dort, immer „vorne am Markt“, sprich, in der Kundenbetreuung. Das war meine Welt. Und doch habe ich irgendwann gemerkt: Du kommst irgendwie nicht voran, du willst mehr.
Mehr Karriere – oder mehr seelische Entwicklung?
Von allem mehr. Auch mehr Karriere. Zum Schluss war ich stellvertretende Leiterin von einem zehnköpfigen Serviceteam. Und dennoch war da so das Gefühl, ich hatte da nicht wirklich meinen Platz. Da kam der Punkt, wo ich entschieden hatte, zu gehen. Abzuschließen mit der Bank: Haken dahinter. Dann bin ich in ein mittelständisches Hotelunternehmen in Heilbronn, das in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen war und jemanden aus dem Bankwesen zum Aufbau der Finanzabteilung gesucht hat. Auch da hab ich viel gelernt, meine Kunden waren Hoteldirektoren, es war ein wundervolles Miteinander, bis ich auch da wieder an dieselbe Grenze gekommen bin.
Innovation: ja, hieß es, Ideen: ganz toll! Aber immer nur bis zu einem Punkt. Dann wurde wieder gedeckelt. Und ich hab mich hingesetzt und mir gesagt: Das Spielchen kannst du fünfmal machen und es wird immer wieder passieren. Kreativität und ein anderer Blickwinkel – das wurde immer als verrückt angesehen. In der Sparkasse hieß es oft, „Mensch, was die Frau Goos da macht klingt echt crazy, aber es hat funktioniert.“ Und so wollte ich keine Zeit mehr verlieren.
Wie kam die Idee zu dem, was Sie heute machen?
Ich hab einen Lehrgang besucht, ich bin zertifizierter Seelencoach. Wie alles ist mir das zufällig begegnet und ich wollte das zuerst nur für mich machen. Als ich den Lehrgang begonnen habe, waren wir zu fünft. Unser Mentor, Jürgen Lubig aus der Schweiz, hat diese Methode vor 40 Jahren selbst entwickelt, und er sagte uns, wir seien weltweit die ersten fünf, die außer ihm lernen, mit dieser Technik zu arbeiten. Das fühlte sich für mich so besonders an. Da habe ich gewusst, dass das was für mich ist.
In so einem Lehrgang ist viel Technik und Wissen, aber auch viel persönliche Entwicklung dabei. In dieser Phase, wo ich noch in dem Hotelunternehmen war, fragte ich mich auf einmal: Wieso läuft das hier so komisch? Was machst du da überhaupt noch? Und dann setzte ich alles auf eine Karte, weil, halbtags arbeiten und parallel ein Gewerbe aufbauen, das war nichts für mich.
So hab ich mich Anfang dieses Jahres entschieden, diesen Schritt zu gehen. Ich bin also im Aufbau.
Was kann man zu der Methode sagen?
Ich arbeite 1:1 und ausschließlich mit Gesprächstherapie. Der Klient gibt alles vor: Was für ein Thema er hat oder glaubt, zu haben. Wenn mich einer anruft und sagt, ich bin neugierig, kannst du mir sagen, was wir besprechen, dann wird das nichts. Und die Gesprächstherapie ist sehr individuell. Der eine braucht eine Brille, um sein Leben klarer zu sehen, der andere einen Lichtschalter. Und ich bin eben diese Brücke.
Ein ganz konkretes Beispiel?
Ein persönliches, aus meiner Bukarester Zeit: Mit vier Jahren hat mich mal eine fremde Frau mitgenommen und ich hatte ein Trauma, ohne es zu wissen, und das wuchs über die Jahre hinweg unbewusst. Es zeigte sich mal als Bild, mal als Gefühl, mal stärker, mal weniger stark, jedenfalls ging es mir sehr oft schlecht, wenn ich alleine war. Gefühlt brauchte ich immer jemanden um mich herum, damit es mir gut ging. Und wenn mich jemand gefragt hat, hast du Kinder, bist du Mama, dann bin ich – egal in welchem Alter – in Tränen ausgebrochen. Da war so eine tiefe Verletzung oder Narbe, dass ich in diesem Zusammenhang kinderlos bin. Und ich hab viel Zeit und Geld investiert, um dieses Trauma zu bearbeiten und loszuwerden. Beim Lehrgang war dann genau dieses Thema mein erstes! Und über diese Form der Therapie habe ich das für mich für immer und ewig emotional wegradieren können. Die Erinnerung ist vorhanden, die Bilder sind noch da, jedoch kann ich so wie jetzt, klar darüber reden, ohne Kloß im Hals und ohne Tränen. Was diese Arbeit macht, ist quasi, die Emotionen löschen. Dadurch wird die Erinnerung leichter, freier, man kann aufrechter gehen und tiefer durchatmen.
Kann man damit auch Phobien auflösen?
Ja, ich hab das auch auf meiner Webseite stehen: „Von der Angst zur Freiheit“ – auch zum Beispiel Spinnen. Da sprech ich auch von mir, ich bin ausgetickt, wenn ich wo ´ne Spinne gesehen hab. Und meine Eltern: „Ach komm, die frisst dich doch net!“ Das war früher undenkbar, dass ich eine größere Spinne mit dickeren Beinchen mit einem Glas fange und rausbringe. Aber das ist alles durch diese Arbeit möglich. Das sind dann so Momente, wo ich sag, dieses Gefühl möcht ich mit der ganzen Welt teilen, weil ich weiß, wie viel leichter das Leben dadurch wird. Ich bin da voll mit dem Herzen dabei!
Was unterscheidet Ihre Herangehensweise von anderen Therapien?
Durch diese Techniken, die ich selber erfahren habe, durch die Arbeit an mir selbst – bestimmt ist das jetzt 13 Jahre her –, da hab ich begonnen, mich selber zu verändern. Und ich habe den Eindruck gewonnen, bei anderen Therapieformen rühren die immer im alten Brei herum. Die gehen her und rühren in einem Wasserglas mit ordentlich Dreck drin – aber das Wasser bleibt dreckig.
Ich komme quasi mit der Kanne mit sauberem Wasser und schütte nach. Und das Glas läuft über und spült auch etwas Dreck raus, bis es eben immer klarer wird.
Alles ist möglich, das ist mir in den letzten Jahren erst richtig bewusst geworden. Ich hab schon als Kind immer gesagt, wenn jemand meinte, das geht so nicht: Hä – wieso soll das nicht gehen? Vielleicht, weil ich das Leben aus einem anderen Blickwinkel sehe: Ich sehe Probleme nicht als Probleme, in meiner Wahrheit ist ein Problem eine Lösung, die sich in der Entstehungsphase befindet. Deswegen ist meine Art, zu arbeiten, auch sehr lösungsorientiert. Weg von der Angst, dem Zweifel, dem Glaubenssatz, hin zu dem, was ich werden möchte.
Welche Menschen suchen Ihren Rat als Coach? Mit welchen Problemen kommen sie?
Die älteste Dame ist 74 und mein jüngster Klient war 13, mittlerweile ist er 15. Die Bandbreite ist groß und ein Teenie hat andere Themen als eine 70-Jährige. Meist sind es Lebenskrisen: die sogenannte Midlifecrisis, ich merke, es läuft was verkehrt. Oder Orientierungskrisen: Ich weiß gar nicht, was ich machen möchte. Da arbeite ich dann mit kinesiologischen Muskeltests und das führt relativ schnell zu einem Ergebnis, was Berufswahl betrifft, Entscheidungen wie Schule oder Studium. Bei den älteren Leuten ist es oft dieses „ich hab die Schnauze voll, zu irgendwelchen Ärzten zu gehen, es liegt doch alles an mir“ – und das stimmt, man kann sich selbst am besten heilen. Aber der erste Funke ist vorher schon in den Köpfen der Menschen, sonst finden die mich gar nicht.
Sie werden bald in New York auf der Bühne stehen. Worüber werden Sie sprechen?
Das Thema steht noch nicht fest, aber wenn ich die Wahl habe, dann über genau dieses Thema: Selbstverantwortung, denn da fängt für mich alles an. Indem ich Verantwortung für das übernehme, was ich bisher gelebt und umgesetzt habe oder auch nicht. Darüber spreche ich gerne, sehr humorvoll und mit Leichtigkeit, weil: Das Leben ist wirklich leicht, nur wir haben gelernt, es uns schwer zu machen!