Als Tochter eines Forstingenieurs und Besitzer eines Obstgartens bekommt man früh mit, dass im Herbst und Frühjahr, ja sogar noch in den letzten milderen Winterwochen Arbeiten an Sträuchern, Hecken und Bäumen anstehen. So rabiat das oft aussieht, so nützlich ist gerade der Rückschnitt. Eine ordnungsgemäße Beschneidung fördert gesundes Wachstum, verbessert die ästhetische Erscheinung der Pflanze und verhindert Krankheiten und Schäden. Doch wann, was, womit und wie ist oft von Pflanze zu Pflanze, vom Baum zu Baum und nicht zuletzt von Ort zu Ort unterschiedlich, zumal das Wetter und das Klima ihr Wörtchen mitzusprechen haben.
Timing
Im Februar regt sich im Garten wieder Leben: Schneeglöckchen und Winterlinge sind die ersten Zwiebelpflanzen, die ihre Blüten zeigen. Wer versäumt hat, im Herbst Zwiebeln zu setzen, kann sie, wenn der Boden nicht gefroren ist, vorsichtig in ausgehobene Pflanzlöcher ins Beet setzen. Dank der doch relativ niedrigen Temperaturen und teils der Schneedecke befinden sich Sträucher und Bäume noch in der Ruhephase und sind kahl. So lässt sich gut beurteilen, ob sie einen Rückschnitt benötigen. Damit Wunden schnell wieder zuwachsen und um Faulstellen zu vermeiden, ist die richtige Schnittführung sehr wichtig. Geschnitten wird (eine Ausnahme gilt für Rhododendron) kurz über einer Knospe oder bei größeren Schnitten über einer Abzweigung. So kann sich das Wundgewebe gut entwickeln. In Deutschland dürfen laut Bundesnaturschutzgesetz Bäume, Hecken und Sträucher zum Schutz von Vögeln nur bis Ende Februar stark beschnitten werden, so auch der starke Rückschnitt bis kurz über den Boden.
Im Spätwinter von Januar bis Anfang März sollte man Kugelbäumen, Stein-, Kern- und Beerenobst an den Leib rücken, sofern kein weiterer Frost ansteht. Beim Beschneiden im Winter sieht man die Äste besser und die Bäume sind randvoll mit Reservestoffen. Später im Jahr (nicht nach August!) lichtet man nur die Kronen aus und beseitigt dabei hauptsächlich senkrechte Wasserschosse. Ein regelmäßiger Rückschnitt sichert bei Obstbäumen den Ertrag und sorgt für eine gleichmäßige Belichtung aller Astpartien.
Achtung: Der Schnittzeitpunkt für Kirschen liegt im Sommer während oder nach der Ernte, für Pfirsiche im Frühjahr beim Austrieb. Als Faustregel gilt: Bei Frühjahrsblühern wie Forsythien, Mandelbäumchen und Brautspieren erst nach der Blüte zur Schere greifen und bei Sommerblühern im Spätwinter oder zeitigen Frühjahr, denn diese blühen am intensivsten an den im Frühjahr gewachsenen Trieben.
Das passende Schneidwerkzeug
Die Gartenschere kommt bei dünnen Zweigen zum Einsatz, bis zu drei Zentimeter dicke Äste beschneidet man mit der Astschere, wobei sich Modelle mit Getriebemechanismus auch durch dickere Zweige beißen können, allerdings erkauft man sich die zusätzliche Kraft mit einem längeren Hebelweg – also mehr Platz, um die Astschere komplett öffnen zu können. Arbeiten am frischen Holz sollten mit Scheren mit Bypass-Schneidtechnik durchgeführt werden, denn bei ihnen gleiten die beiden Klingen wie bei einer normalen Haushaltsschere aneinander vorbei. So bleiben keine kurzen Zweigstummel stehen. Bei Scheren mit Amboss-Schneidtechnik hingegen werden die Triebe von der Schneide gegen ein Widerlager aus Kunststoff oder Weichmetall (den „Amboss“) gepresst und dabei mehr oder weniger stark gequetscht, was bei abgestorbenen Ästen und sehr hartem Holz Vorteile birgt. Steht der Kauf einer neuen Gartenschere an, so sind scharfe und robuste Klingen bei allen Scheren das wichtigste Kaufkriterium, damit die Schnittwunden nicht zerfasern und schneller heilen. Sollen höhere Bäume vom Boden aus geschnitten oder dichte Sträucher an der Basis ausgelichtet werden ist auch eine Astschere am Stiel sehr hilfreich.
Bei sehr dicken Ästen kommt die Baumsäge zum Einsatz: In dichtem Geäst arbeiten Klappsägen auf Zug, also bleiben sie in feuchtem Holz nicht stecken und es gibt saubere Schnitte. Bügelsägen arbeiten dafür meist auf Zug und Druck und eignen sich für richtig dicke, gut zugängliche Äste.
Bei allem Werkzeug gilt: Wer an einer kranken Pflanze geschnitten hat, sollte die Schere unbedingt desinfizieren, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
Viel Ertrag – weniger Äste
Im Obstgarten gibt es zwei Sachen, die jährlich gemacht werden müssen: Auslichten und Einkürzen. Beim ersten werden ganze Äste bis zu ihrem Ursprung am Stamm oder einem größeren Ast entfernt. Das reduziert die Gesamtgröße des Obstbaumes, verbessert seine Struktur und fördert eine gleichmäßige Verteilung des Gewichts in der Krone. Verbleibenden Früchte werden größer, da sie mehr Nährstoffe bekommen. Wasserschosse und Sauger müssen also unbedingt entfernt werden, um die Kraft der Pflanze zu bündeln. Schmale Gabelungen gehören entfernt, da sie anfälliger für Schäden sind. Beim Einkürzen wird das Wachstum an der Spitze eines zentralen Stamms gehemmt. So entwickeln sich Seitentriebe, was zu einer dichteren Verzweigung führt. Diese Technik ist ideal, um eine ausgewogene und stabile Aststruktur zu fördern.
Ein Schnitt im Frühjahr kann, wenn es sich um starkwüchsige Bäume handelt, sinnvoll sein, denn dadurch verlieren die Gehölze etwas Flüssigkeit – eine Art „Aderlass“ für den Baum. Das bremst den unkontrollierten Austrieb. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich bereits Triebe bilden und es ist leichter zu erkennen, welche Äste Blüten und welche lediglich Blätter ausbilden. Auch abgestorbene Zweige lassen sich um diese Jahreszeit leichter identifizieren.
Äste sollten sauber am Stamm oder dem Seitentrieb abgeschnitten werden, damit ja keine Aststummel, die sogenannten Huthaken, stehen bleiben. Solche treiben nicht mehr aus, sie sterben mit der Zeit ab und können Schädlinge eindringen lassen. An Huthaken droht Fäulnis, die sich bei geschwächten Bäumen im schlimmsten Fall sogar bis in den Holzkörper des Stamms fortsetzen kann.
Mehr Blüten auf den Rosen
Das Frühjahr ist der ideale Zeitpunkt, um Pflanzen wie Rosen, Gartenhibiskus und Sommerflieder zurückzuschneiden. Da diese Pflanzen am diesjährigen Holz blühen, besteht keine Gefahr, Blütenansätze abzuschneiden. Den Schnitt schräg etwa fünf Millimeter oberhalb einer nach außen zeigenden Knospe ansetzen. Der schräge Schnitt ist wichtig, damit sich kein Wasser sammeln kann und kein Nährboden für Krankheitserreger entsteht. Wildrosen können ein Stück zurückgeschnitten werden, damit die restliche Pflanze besser versorgt wird. Bei Strauch- und Kletterrosen nur das tote Holz entfernen. Teehybriden benötigen hingegen einen stärkeren Schnitt als Kletterrosen. Für Beet- und Edelrosen gilt: Schwache Triebe stark zurückschneiden, die starken Triebe jedoch nur wenig stutzen. Schneiden sollte man, um eine ausgewogene und symmetrische Form zu erreichen, indem man schwaches oder übermäßiges Wachstum entfernt, um die Energie auf die stärksten Äste zu konzentrieren. Nach dem Schnitt brauchen Rosen einen ausgewogenen Dünger und eine Schicht Mulch, um die Feuchtigkeit zu bewahren, nicht von Unkraut eingenommen zu werden und eine konstante Bodentemperatur zu haben. Während der Saison sollte man verblühte Rosen entfernen, um eine kontinuierliche Blüte zu fördern.
Hortensien, je nach Art
Einige Hortensien sind dankbar für einen Frühjahrsschnitt. Ein falscher Schnitt und der falsche Zeitpunkt können allerdings dazu führen, dass Hortensien keine oder nur wenige Blüten bilden.
Neben den alten Blütenständen können auch neue, aber schwache Knospen entfernt werden. So kann die Pflanze ihre Energie in die kräftigen Triebe stecken. Aber: Schneidet man etwa bei der Bauernhortensie zu viel, blüht die Pflanze nicht mehr so üppig, denn die Blüten werden bereits im Vorjahr angelegt.
Der Feigenbaumam Balkon
In milden Regionen oder an idealen, geschützten Standorten gedeihen Feigenbäume auch bei uns. Damit sie kräftig wachsen, benötigen Feigen einen Rückschnitt. Der richtige Zeitpunkt ist vor dem Austrieb. Je nach Witterung ist das etwa Ende Februar/Anfang März. Geschnitten werden sollte aber erst dann, wenn kein anhaltender Frost mehr zu erwarten ist. Bei in Kübeln gepflanzten Feigen schneidet man die Triebe, wenn es Zeit für den Umzug ins Freie ist. Am besten geeignet ist ein Tag mit bedecktem Himmel, so heilen die Wunden am schnellsten. Feigen bilden ihre Früchte sowohl an den Vorjahrestrieben als auch am neuen Austrieb. Allerdings reifen Früchte an jungen Trieben später, wenn überhaupt. Als Erstes sollten erfrorene Triebe geschnitten werden, was durch vorsichtiges Kratzen an der Rinde zu erkennen ist, denn ist das Innere trocken, ist der Trieb erfroren. Beim Schneiden zur Sicherheit Handschuhe tragen, denn der austretende Milchsaft kann zu allergischen Reaktionen der Haut führen. Geschnitten oder ganz entfernt werden sollten, wie bei anderen Bäumen, Äste, die ins Bauminnere wachsen, sich gegenseitig behindern oder aneinander reiben. Damit alle Früchte genug Sonne zum Reifen und Wachsen bekommen, soll die Krone nicht zu dicht wachsen: Dafür kann man einige Seitentriebe der Haupttriebe komplett entfernen. Sehr lange Seitentriebe sollten auch gekürzt werden. Die Garten- oder Astschere stets oberhalb eines – am besten nach außen weisenden – Auges ansetzen.
Zeigt sich die Feige nicht mehr vital, kann sie auch radikal zurückgeschnitten werden. Die Pflanze treibt in der Regel immer wieder neu aus, bildet dann aber im selben Jahr keine Früchte.
Finger weg von Hecken, Walnuss und Ahorn
Im Frühjahr verlieren diese Gehölze beim Schneiden sehr viel Flüssigkeit, da in der Pflanze um diese Jahreszeit viel Saft aufsteigt. Mit dem Schnitt sollte man daher bis zum vollen Laubaustrieb im Juni warten. Auch Hecken sollten erst im Frühsommer rund um den Johannistag geschnitten werden, denn ab da wachsen sie nicht mehr so stark und behalten die gewünschte Form.
Und noch ein Hinweis: Nadelgehölze treiben nicht wieder aus, wenn man sie bis ins unbenadelte Holz schneidet. Einzige Ausnahme sind die schnittverträglichen Eiben.
Fazit
Die Schnittbedürfnisse variieren je nach Pflanzenart und Standort. Bei großen oder komplexen Schnittarbeiten sollte ein Gärtner konsultiert oder beauftragt werden, um so zu einem gesunden und schönen Garten beizutragen. „Learning by doing“ ist auch bei diesen Arbeiten der beste Weg zum grünen Daumen, vor allem, wenn man sich die Tipps und Tricks direkt beim Experten abschaut.