Wo keine Schule, da kein kritischer Geist. Wo kein kritischer Geist, da keine Kultur. Wo keine Kultur, da keine Bildung. Wo keine Bildung, da keine Demokratie. Wo keine Demokratie, da keine Politik. Wo keine Politik, da keine Schule. Eine Syllogismusschlange, die sich in den Schwanz beißt.
Jeden Einzelnen dieser Schlüsselbegriffe kann man ins Zentrum einer Analyse stellen, durch die nachweisbar ist, dass das Fehlen auch nur einer dieser Begriffe definitorisch sein kann für die sozial-politische Misere, die Rumänien erlebt. Der tragische Don Quijote an der Regierungsspitze Rumäniens, dem so viel Lebenskenntnis nachgesagt wird, dass man ihn schon als lebens- oder wenigstens landesfremd bezeichnen kann – so von seiner Sanierungsmission des Landes durchdrungen er auch auftritt, man darf und muss (angesichts der Opposition, die er stur gegen sich und seine – durchaus richtigen, aber für Rumänien viel zu geradlinig vertretenen – Überzeugungen aufbaut) davon ausgehen, dass er scheitern wird. Byzantinismus, Mentalitäten der Levante, die Bukarest beherrschen, können ausschließlich mit Mitteln des Byzantinismus und der Levante bekämpft werden. Der Einzelne ist verdammt, machtlos gegen das System Bukarest zu sein, wenn/weil er anders denkt und/oder vorgeht.
Schule und kritischer Geist, Kultur und Bildung, Demokratie und Politik werden im (moskowitisch-)byzantinisch-levantinisch geprägten Osten und Süden Rumäniens ganz anders verstanden, als es ein Siebenbürger, ein Banater oder einer aus dem Partium oder der Marmarosch versteht. Wir reden von völlig verschieden aufgefassten semantischen Sphären dieser Wörter. Huntingtons Bruch(linie) der Zivilisationen gilt. Und wirkt.
Es ist in etwa so, wie Bertrand Russell (1872-1970) es vorlebte, nachdem er der sich durchgesetzten „Allgemein“-Meinung widersprach, dass sich der Mensch, mit zunehmendem Alter, immer konservativer und politisch mehr rechts orientiert. Sich Gott immer mehr zu nähern bemüht. Russell blieb auch 98-jährig ein Linker und ungezügelter Atheist. Dass er auch überzeugt war, dass „Demokratie auf Neid fußt“, klingt paradox, ist aber aus dem spezifisch englischen Usus von Politik heraus zu verstehen – England/Großbritannien braucht bis heute keine Verfassung (plus Verfassungsrichter und -hüter usw.), um ein demokratisches Land zu sein. Heißt: Neid wie Politik haben Grenzen, die sich die Menschen als Politiker selber setzen (können). Oder: die obige Syllogismusschlange kommt nicht bis zum Beißen in den eigenen Schwanz.
Anders in den Landesteilen, die man geflissentlich meidet, sie Walachei zu nennen. Russells bewusst zweideutige Formulierung über Neid und Demokratie (sicher ist, dass Neid ein kräftiger Motor der Konkurrenz, auch in der Politik, in der Stimulierung des kritischen Denkens und Geistes sein kann – womit wir zurück zu obigen Syllogismen gelangen) wandelte sich im Dominanzraum der Sowjet„demokratie“ zum Ruch des Verrats und der offiziell geförderten Bespitzelung, nach dem Motto: Wenn der/die es irgendwie besser hat oder kann, stimmt doch dort was nicht… Neid im byzantinisch-levantinischen Raum entspricht dem typisch rumänischen geflügelten Wortfluch: „Krepieren soll die Ziege des Nachbarn!“ (S² moar² capra vecinului!). Der Ansatz sozial-ökonomischer und kultureller Hierarchien, fußend auf Arbeit und Meritokratie, musste im Keim erstickt werden, um ein plattwalzend gleichmachendes Untertanensystem aufzubauen. Meritokratie hasst man auch heute im byzantisch-levantinischen Raum. Nur so konnte die spezifisch rumänische Ausprägung von Spezitum – „Versorgung“ von Verwandten, Bekannten und Liebschaften, kurz „Naschismus“ – auf so breiter Basis durchgesetzt werden, dass es heute als Staatsproblem erkannt, benannt – kaum bekämpft wird?
Regeln, Prinzipien und Werte – Fremdbegriffe des Levantinismus.