Randbemerkungen: Verantwortung und Macht


Die finanziellen – und in deren Schlepptau die psychischen, gesellschaftlichen, familiären, politischen, wirtschaftlichen und sonstigen – Lasten, die auf uns ab dem 1. August zukommen, wären gelassener zu schultern, wenn wir die Gewissheit (oder wenigstens eine Zusicherung) hätten, dass die Schuldigen am Staatsdesaster, das jetzt von uns allen ausgebügelt werden muss, zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist menschlich.

Die soziale Frustration steigert sich von Tag zu Tag. Wem passt es wohl, für die Fehler, die Dummheit, das Desinteresse, die Feigheit, die Dickhäutigkeit anderer die Rechnung zu begleichen - wenn jeder hierzulande mit Bestimmtheit weiß, wer genau die Schuldigen sind, die Rumänien in diese Situation manövriert haben? Nicht umsonst sind die Hauptschuldigen in der Sonntagsfrage auf 13,7 Prozent abgesackt. 

Sie bringen zudem die Frechheit und Arroganz auf, peinliche Rechtfertigungen, ja sogar aus dem Ärmel gezutzelte Meriten zu reklamieren, gleichzeitig die Beleidigten zu spielen, die „Opfer von Meinungsmanipulation“, wo sie doch „die tiefgreifendste soziale Reform“ (Ex-Regierungschef I. M. Ciolacu) durchgeführt hätten. Und sie haben immer noch sechs Minister in der Regierungskoalition sitzen... aber sie machen auch Opposition, werfen Bolojan vor, er wüte „mit der Kettensäge in der Nationalökonomie“ herum, gleichzeitig lauern sie darauf, dass Bolojan sich reformierend den Hals bricht, um nach erprobtem Modus („Rotation an der Regierungsspitze“) abzusahnen. Im selben Atemzug fordern sie Straflosigkeit für das „Verschwinden“ von 65 Milliarden Lei aus dem Reservefonds, der der Regierung für „Unvorhergesehenes“ zur Verfügung stand. Der Fonds wurde, laut Ex-Finanzminister Tánczos Barna, bis auf wenige Millionen binnen eines Jahres geleert... Dieser „Schwund“ macht mehr aus, als die Summe, die sämtliche Regierungen der vergangenen 15 Jahre aus diesem Fonds abgerufen haben.

Dass sich rumänienweit kein einziger Staatsanwalt finden wird, der die drei Landesführer (Ex-Staatspräsident Klaus Johannis, die Ex-Premierminister I. M. Ciolacu und N. I. Ciuc²) zur Rechenschaft zieht, die bereits vor einem Jahr mit klaren Hinweisen vor dem Desaster gewarnt wurden, ohne einen Finger zu rühren, um es abzuwenden – das hängt sowohl mit der (wohl absichtlich so gehaltenen) schwammigen Gesetzgebung zusammen, als auch (und zwar mit Bestimmtheit) mit der Tatsache, dass es sich nicht um eine Einzel- sondern um eine Kollektivschuld handelt. Dass auch Vorsätzlichkeit dahintersteckte, darf vermutet werden, aber wer kann´s beweisen?! Fest steht, dass nicht nur die drei Genannten vom aufziehenden Desaster Kenntnis hatten, sondern auch eine breite Handlangerschaft unter ihrer Ebene.

So geriet Rumänien in die Fänge der heterogenen Viererkoalition. In dieser Regierung sitzen auch welche, die seit August 2024 als Mitwisser des kommenden Desasters geschwiegen haben. Inwiefern auch für sie Macht nicht mit Verantwortung vereinbar ist – und, wie im Fall ihrer Vorgänger, Verantwortungslosigkeit im Regieren juristisch nicht strafbar sein kann – wird sich noch zeigen. Vorläufig wirkt es als schwacher Trost und als Besänftigungsfaktor der köchelnden sozialen Wut, sooft Bolojan mit dem Finger auf die Sinekuristen zeigt – ohne allerdings, leider, auch nur mit einem einzigen Wort die (außer Zweifel stehende) Mitschuld seiner Partei am Desaster zu erwähnen. 

Nach jetzigem Stand der Dinge scheint es immer unrealistischer, dass Bolojan es wagen wird, an den Privilegien der wahren Sinekuristen zu rühren, der Richter und Staatsanwälte (die ihrerseits nicht an die Schuldigen des Desasters rangehen...), der vielen hohen Militärs mit Auszeichnungen auf der Brust (für Angriffe) und auf dem Rücken (für Rückzugsgefechte oder Flucht), der unzähligen Agenturen, der Staatsbeamtenschaft. An die Subventionen der Parteien.