Es wäre sicher eine Untersuchung wert, in Erfahrung zu bringen, was der „Generation handy“ Heimat noch bedeutet, vor allem in Rumänien, wo gezielt und bewusst seit nunmehr fast 100 Jahren – seit der Gründung Großrumäniens – Rumänisierung betrieben wird. Lucian Boia, der Zerstörer rumänischer Geschichtsklitterung (oder von mehr oder weniger sorgfältig aufgebauten Geschichtsmythen), hat jüngst dazu sein neuestes Buch vorgestellt: „Cum s-a românizat România“. Darin geht es um die stufenweise Umwandlung Rumäniens vom multiethnischsten und multikulturellsten Siedlungsraum Europas in einen Staatsraum, der nach dem Nationalsatiriker Caragiale (der selbst griechische und arumunische Wurzeln hatte) „curat românesc“, „rein rumänisch“ wurde – was in der einzigen Lesart seines Werks wieder nur mit Vorsicht genossen werden kann.
Boia, dem man auf alle Fälle Schärfe des Urteils und Vorurteilslosigkeit sowie Unbekümmertheit ob der Folgen seiner Aussagen/Schlussfolgerungen, nicht immer aber Tiefe der Recherche nachsagen kann, bescheinigt selbst noch Großrumänien in der Zwischenkriegszeit den Erhalt einer erfrischenden Vielfalt von Volksgruppen und Kulturen, vermerkt aber bereits die gezielte Förderung zwecks Heraushebung der einen, rumänischen (Gesetze und Fördermaßnahmen). Ihm zufolge wurde diese Tendenz heftig bis zur Kompromisslosigkeit nach dem zweiten Weltkrieg. Und er hebt die staatlichen „Exportmaßnahmen“ gegenüber Deutschen und Juden hervor, die mit Zynismus verkauft wurden, aber auch die extremen isolationistischen Maßnahmen (u.a. fehlende Reisefreiheit und extrem beschränkte Informationsangebote) und die propagandistische Umschrift der Geschichte im Sinne des Nationalkommunismus sowie die gewaltsame Beugung des historischen Bildes des Anderen, des Nachbarn.
Dass der erste rumänische Nationalstaat, der 1859 durch Zusammenschluss der Moldau und der Walachei entstand, schon eine Vereinigung von Gegensätzen war, die erst mal glattgebügelt (plattgewalzt?) werden mussten, mit dem weitaus höheren Kulturniveau der Moldau, das war bloss eine Seite der sich aufbauenden Spannungsfelder. Jenseits der Karpaten waren die andere Hälfte der Rumänen zwar eine Mehrheit – aber eine sehr knappe. Die sogenannten „Minderheiten“ (der herabwürdigende Begriff kam erst nach dem ersten Weltkrieg auf), Ungarn, Sachsen, waren politisch, sozial, kulturell, gesellschaftlich dominant. Die Dobrudscha war islamisch (türkisch-tatarisch) dominiert, die Bukowina massiv ukrainisch, deutsch, jüdisch durchwachsen. Die Moldau seit 1812 vor allem in ihrem Osten von einem gezielt geförderten Russifizierungsprozess gezeichnet. Das neue Gebilde nördlich der Donau war nach wie vor Ansiedlungsgebiet für orthodoxe Christen von südlich der Donau: Griechen, Bulgaren, Serben, Albaner, Arumunen usw. Die Städte waren von „Fremden“ dominiert, das Rückzugsgebiet der Rumänen, der ländliche Raum, wurde zum Reservoir der künftigen politischen, später auch kulturellen Eliten und als solcher schon früh der Selbstidealisierung unterworfen.