Religiöses Leben im Wandel der Zeit

Kulturtagung in Sindelfingen vereint Erinnerung, Wissenschaft und… Musik

Abschlussbild mit allen Teilnehmern an der Forschungstagung im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen | Foto: Günther Friedmann

„Religiöses Leben zwischen den beiden Weltkriegen“: Dies war der Titel einer Kulturtagung, die am 10. Mai im frisch sanierten Haus der Donauschwaben im baden-württembergischen Sindelfingen, rund 20 Kilometer von Stuttgart entfernt, stattfand. Veranstaltet wurde die Tagung vom St. Gerhards-Werk e. V. Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa e. V. Anwesend waren Forscher aus Deutschland, Rumänien, Serbien und Ungarn, die in ihren Referaten einzelne Aspekte des kirchlichen Lebens der Donauschwaben in der Zwischenkriegszeit behandelten. Bereits einen Tag zuvor war das Haus der Donauschwaben feierlich wiedereröffnet worden.

Die Tagung selbst begann mit einer Begrüßung durch Prof. Dr. Dr. Rainer Bendel und Robert Pech M.A., die in das Thema einführten. Die Beiträge widmeten sich in vielfältiger Weise dem kirchlichen Leben der deutschen Minderheiten im Donauraum und darüber hinaus in der Zwischenkriegszeit – einer Phase tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Auf der Tagung wurde den komplementären Wechselwirkungen von Kirche und Gesellschaft, Kirchenleitung und Staat nachgegangen, all dies anhand einzelner Beispiele aus Regionen, in denen die Donauschwaben wohnhaft waren und es teilweise immer noch sind, wie etwa das Banat oder die Batschka. Der Fokus fiel dabei auch auf die binnenkirchlichen Wechselbeziehungen zwischen Klerus und Gemeinden oder von Gruppierungen in den Konfessionen. Insgesamt acht Vorträge standen auf dem Programm, darunter einer, der online präsentiert wurde.

Der erste Vortrag kam aus Temeswar/Timișoara: Dr. Claudiu Călin, Archivar der Römisch-Katholischen Diözese Temeswar, sprach über die Orden und Kongregationen im Bistum Temeswar zwischen 1923 und 1948. Der Referent beleuchtete die Rolle dieser geistlichen Gemeinschaften in einer Zeit des politischen Umbruchs und betonte ihre Bedeutung für das religiöse Leben der deutschen Minderheiten in Rumänien. Die Männerorden auf dem Gebiet des Bistums Temeswar waren in der Zwischenkriegszeit die Franziskaner-Observanten, Franziskaner-Minoriten, Piaristen, Barmherzige Brüder und Salvatorianer, außerdem gab es mehrere Frauenorden: die Armen Schulschwestern („Notre Dame“), Franziskanerinnen („Töchter des Hl. Franziskus“), Vinzentinerinnen („Töchter der christlichen Liebe“ oder „Filles de la Charité“), Sozialschwestern und Benediktinerinnen von St Lioba. Der moderne Ansatz dieser Orden und Kongregationen in der Pastoration des Banats, in der Bildung, im sozial-karitativen Leben führte zu einer gewissen Entwicklung des christlich-katholischen Bewusstseins der Banater Deutschen.

Es folgte ein Vortrag der Unterzeichnenden dieses Artikels, in dem auf die Rolle der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau in der Ausbildung junger Mädchen in der Zwischenkriegszeit eingegangen wurde. Im Mittelpunkt dieses Referats mit dem Titel „Schule, Glaube, Gemeinschaft: Die Armen Schulschwestern als Bildungswegweiser im 20. Jahrhundert“ stand u. a. die große Anpassungsfähigkeit der Notre-Dame-Schwestern an die unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Auch hob die Referentin hervor, dass die Armen Schulschwestern die einzigen konfessionellen Schulen im Banat betreuten, die durch den entschlossenen Einsatz der damaligen Provinzialoberin, Schwester Maria Alexandra Rabong, nicht an die „Deutsche Volksgruppe“, die nationalsozialistische Organisation in Rumänien, ausgeliefert wurden.

Mehrere Referate bezogen sich auf das kirchliche Leben in Ungarn. Während Dr. habil. Krisztina Frauhammer, die in Szeged lebt und wirkt, über die „Feminisierung der Religion in Ungarn zwischen den Weltkriegen“ sprach, beschäftigte sich der Vortrag der Doktorandin Viktória Muka von der Andrassy-Universität Budapest mit den kunstvollen Fronleichnamsteppichen im Ofner Bergland. Ihre Ausführungen machten deutlich, wie religiöse Praxis und kulturelle Ausdrucksformen eng miteinander verwoben sind und regionale Traditionen über Generationen hinweg lebendig bleiben.

Weitere Vorträge hielten der Budapester Archivar Dr. András Grósz, der zur Seelsorge und die Ungarndeutschen in den 1920er Jahren sprach, und Dr. Melinda Marinka vom Institut für Ethnografie und Musikwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Debrezin, die im Rahmen eines Online-Vortrags das kulturelle und religiöse Leben der Zwischenkriegszeit in einigen Gemeinden der Kulturregion Nordostungarn unter die Lupe nahm. Prof. Nándor Birher von der Katholischen Péter-Pázmány-Universität in Budapest referierte über Serédi Jusztinián, den „Schöpfer des Codex Iuris Canonici – und die Rolle der Deutschen in ´Rest-Ungarn´“.

Zu den herausragenden Beiträgen zählte der Abschlussvortrag von Dr. Réka Miklós, Referentin für Gregorianik im Evangelischen Kloster Schwanberg, der durch Gesang und Klavierspiel eindrucksvoll begleitet wurde. Sie stellte das deutschsprachige Gebet- und Gesangbuch „Laudate Dominum – Lobet den Herrn“ (1925) von Jakob Leh vor und analysierte dessen Verwendung und Verbreitung in der Batschka. Die musikalische Untermalung verlieh dem Vortrag eine besondere Tiefe und sorgte für einen würdevollen und entspannten Abschluss der Tagung.

„An allen Vorträgen konnten wir sehen, dass diese Vielfalt an Aufbrüchen, an Hadern, am Umgang mit der Tradition, mit den Kontinuitäten diese 30-40 Jahre bestimmt hat. Das ist gerade auch in dem letzten Referat nochmals sehr deutlich geworden. Für mich ist das eine Signifikanz dieser Zeit“, sagte Prof. Dr. Rainer Bendel im Anschluss an die Vorträge. „Was mich immer wieder an dieser Zwischenkriegsepoche bzw. auch den Entwicklungen während des Zweiten Weltkriegs fasziniert, das ist diese ungeheure Geschwindigkeit, mit der Entwicklungen gehen“, fügte der Geschäftsführer des St. Gerhards-Werks hinzu.

Die Tagung zeichnete sich insgesamt durch ein hohes wissenschaftliches Niveau, thematische Vielfalt und persönliche Begegnungen aus. Sie bot den Teilnehmern eine gute Gelegenheit zum Austausch über Fragen der Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa. Der Veranstaltung wohnten u. a. Peter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben mit Ehefrau Hiltrud Leber (HOG Guttenbrunn) Günther Friedmann, Bundesvorsitzender des Heimatverbands Banater der Berglanddeutschen, und Johann Janzer (HOG Sanktandres) bei.

Eine weitere Tagung – die letzte dieser Reihe – soll im November dieses Jahres, ebenfalls im Haus der Donauschwaben stattfinden. Die anstehende Forschungstagung berücksichtigt das christliche Leben und dessen Integration in die Gesellschaft in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und bis in die 1990er Jahre und soll wiederum an der Geschichte der Donauschwaben interessierte Menschen zusammenbringen. Eine Publikation mit allen Referaten soll im Anschluss an die Tagungsreihe erscheinen.