Vor zwei Jahren erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis. Damit spaltete das Komitee in Stockholm die Europäer. Ludwig Greven schrieb für „Zeit Online“: „Hohn, Spott, Zorn sind die vorherrschenden Reaktionen auf die Friedensnobelpreis-Entscheidung.“ Der englische Historiker Niall Ferguson spricht von der explosiven Mischung, nach der Kinder suchen, wenn sie mit einen Chemiebaukasten herumexperimentieren. Dass es irgendwann „Krawumm!“ macht, daran scheinen inzwischen viele EU-Kritiker nicht zu zweifeln, die Frage ist nur wann?
Die Veranstalter von „SchulBrücke Europa“ würden widersprechen. Ganz so schnell müsste man nicht den Kopf in den Sand stecken. Das Projekt der Deutschen Nationalstiftung liefert als Argument nicht die Aussagen von Historikern, Politikern oder Wirtschaftsexperten, sondern die Arbeitsergebnisse seiner Teilnehmer – Jugendliche zwischen 17 und 19 Jahren aus den EU-Ländern Rumänien, Polen, die Slowakei, die Niederlande, Deutschland und Italien.
Seit 2006 werden jährlich sieben Schulbrücken veranstaltet. Das sind einwöchige Begegnungen zwischen Schülern aus den 11. und 12. Klassen, während denen man gemeinsam über die Vergangenheit Europas recherchiert und an ihrer Zukunft arbeitet.
Den Organisatoren – zu denen auch die Robert Bosch Stiftung und die Europäische Jugendbildungs- und Jugend-Begegnungsstätte Weimar zählt – ist besonders die „Zukunft der Nationen in einem geeinten Europa“ wichtig, wie es auch der Projekttitel mit exaktem Wortlaut andeutet. Von diesem Thema ausgehend müssen die Teilnehmer acht Unterthemen bearbeiten: Krieg, Frieden, Bildung, Werte, Ökologie, Ökonomie, Menschenrechte und Demokratie.
Seit 2011 nimmt auch das Nikolaus-Lenau-Lyzeum an dem Projekt „SchulBrücke Europa“ teil. Im Oktober reisten Renate Wolfer, Eveline Körösi, Christian Curiac, George Murariu, Claudia Tulcan und Alexandra Stan nach Weimar, um sich zusammen mit anderen Gleichaltrigen mit den Themen zu beschäftigen, die auch die Für- und Gegensprecher der EU immer wieder aufgreifen.
Doch jenseits der Projektarbeit beweist die „SchulBrücke Europa“ schon allein durch die Teilnahme der Schüler und das Miteinander der jungen EU-Bürger, dass es durchaus auch gemeinsam gehen kann, wofür schließlich die Europäische Union steht. Für die sechs „Lenau“-SchülerInnen war es besonders wichtig, dass sie neue Menschen kennenlernen durften. Und es wurden auch schnell Gemeinsamkeiten gefunden, schneller als Unterschiede.
Geschichtslehrerin Simona Lobon], die zusammen mit der Biologielehrerin Eva Boro{ die Gruppe nach Weimar begleitete und betreute, fand besonders den Idealismus der jungen Teilnehmer erfrischend.
Nach der ersten Arbeitsphase, in der die SchülerInnen an einer Zeittafel arbeiten und die oben erwähnten Themen geschichtlich aufarbeiten mussten, ging es in der zweiten Etappe um die Ausarbeitung von möglichen Szenarien oder Plänen für die Zukunft Europas. Die Jugendlichen sollten anhand ihres angeeigneten geschichtlichen Vorwissens selber Lösungsansätze finden für ein Europa, das allen gehören soll.
Und gerade hier entstanden fiktive Tagebücher, Dialoge und Briefe, in denen eine Zukunft ausgemalt wird, in der es zum Beispiel keine Diskriminierung mehr gibt oder keine sozialen Missstände.
Die Gruppe von Christian Curiac (11. Klasse Mathe-Informatik) musste sich Gedanken über die Sichercheitspolitik Europas machen. In einem Essay erarbeiteten Christian und seine Gruppenkollegen Strategien, wie man sowohl die äußeren Grenzen der EU sichern kann, aber auch welche Regelungen es für das Innere der EU geben müsste.
Insgesamt nahmen 36 Jugendliche an der Begegnung in Weimar teil. Es war nur eines der sieben „Schulbrücken“, die 2014 veranstaltet werden.
Schon vor der Projektwoche in Goethes Stadt mussten die Schüler an einer Präsentation arbeiten. Jedes Land sollte sich vorstellen und auch eigene Spezialitäten mitbringen. Die rumänische Gruppe packte somit für die Reise nicht nur eine Präsentation, sondern auch traditionelle Nahrungsmittel ein: Zacuscă, Telemea, Brânză de burduf, „Rom“-Schokolade u.a.
Die Teilnehmer erhielten auch im Vorfeld eine 37 Seiten umfassende Mappe zur Geschichte Europas. Dadurch sollen die Schüler, die Hintergründe kennen, um so wichtige Entscheidungen zu treffen, die sie letztendlich als EU-Bürger betrifft.
Und darum steht auch das Projekt „SchulBrücke Europa“ als Gegengewicht zu der Rhetorik von Politikern und der Polemik von Experten. Wenn auch faktisch Europa in der Krise steckt– einer Krise, die nicht nur politisch und wirtschaftlich ist, sondern auch eine Identitätskrise. Wenn auch Niall Ferguson die dreiundzwanzig Arten aufzählt, in denen man „Danke“ sagen kann und es wahrscheinlich darum zur explosiven Mischung kommt, je mehr Arten man dazu addieren dürfte. Weil das Uneinigkeiten schafft.
Junge Menschen von heute scheinen dagegen immun zu sein. Bei der SchulBrücke in Weimar Anfang Oktober kamen sechs Sprachen zusammen. Neben den Arbeitsergebnissen stehen auch die neuen Freundschaften, die geschlossen wurden. Und diese widerlegen die These einer „explosiven Mischung“.