Eine gut aufgestellte Dokumentation hat ein internationales Team von Experten überzeugt, Temeswar/Timişoara den Titel einer Kulturhauptstadt Europas 2021 zu verleihen. Viele Temeswarer und auch Fachleute aus dem In- und Ausland haben dem Verein „Temeswar – Kulturhauptstadt Europas 2021“ zur Seite gestanden, doch die Menschen, die sich Tag und Nacht damit beschäftigt haben, sind die Mitglieder des Vereins. Hier stellen sie sich unseren Lesern vor und erzählen über die Chance, an diesem Projekt zu arbeiten, sowie von den eigenen Erwartungen an das Kulturhauptstadtjahr.
Seit Januar 2013 ist Simona Neumann die Geschäftsführerin des Vereins. Sie koordiniert dessen Tätigkeit, was bisher die Vorbereitung auf den Wettkampf zur Kandidatur bedeutete. Seit der Ernennung der Stadt befasst sie sich nun mit der Umsetzung des Programms TM2021: „Meine Rolle ist, die Kohärenz der Messages in der externen Kommunikation zu sichern, um alle rund um dieses Projekt zu mobilisieren. Ich hatte die Chance, ständig zu lernen. Mit Sicherheit ist es kein Routinejob. Nebst der professionellen Erfahrung braucht man auch Beharrlichkeit, Flexibilität, Sinn für Wettbewerb, Vertrauen in das Team und in sich selbst, auch in den schwierigsten Augenblicken, wo alle die Hoffnung aufgeben. Ja, es gibt auch solche Augenblicke“.
Simona Neumann blickt auf eine 18jährige Erfahrung im Bereich der internationalen und europäischen Beziehungen zurück, in denen sie Managementpositionen innehielt, wobei sie verschiedene internationale oder rumänische Organisationen koordinierte. „Ich habe bei der Europäischen Kommission gearbeitet. Zwischen 2004 und 2009 war ich Projektmanagerin und akademische Koordinatorin beim Programm der Vereinten Nationen für Entwicklung in Bukarest im Rahmen eines Reformprojektes der Verwaltung in Rumänien“. Erfahrung hat sie auch im Rahmen des „Council for International Exchange of Scholars“ in Washington DC, USA, und bei einer Consultingfirma im Bereich der europäischen Fonds „Veb Consult“ in Florenz, Italien, gesammelt. Simona Neumann hält ein Zertifikat für Studien im Bereich des strategischen Managements der nichtstaatlichen Organisationen von der Universität Harvard, Kennedy School of Government, Executive Education, inne. Sie hat im Bereich internationale Beziehungen und europäische Angelegenheiten an der Universität Babeş-Bolyai in Klausenburg/Cluj-Napoca promoviert und hat den Master in Europastudien an der West-Universität Temeswar erworben.
Was Simona Neumann bisher am schwierigsten fand: „Im Januar 2013, als ich die Stelle der Geschäftsführerin übernommen habe, hatte die Organisation weder Geld, noch ein Team, noch einen Sitz. Alles musste erst aufgebaut werden. Die Erwartungen waren groß, der Verein hatte bereits über 100 Mitglieder, die Ergebnisse sehen wollten. Dann hat es im Laufe der Kandidatur auch bedeutet, ständig mit Menschen zu kommunizieren, die verschiedene Bestreben hatten und den Wettbewerb sehr unterschiedlich verstanden haben. Eine kritische Masse auf den gemeinsamen Nenner zu bringen, um die Gemeinschaft in Bewegung zu bringen, war ein mühseliger Prozess“.
Wie sie den Augenblick der Ernennung Temeswars erlebt hat, erinnert sich Simona Neumann: „Ich habe immer Vertrauen in die Chance Temeswars gehabt. Der Augenblick der Ernennung war einmalig und ich habe ihn mit großer Freude erlebt, mit Ergriffenheit und Dankbarkeit für alle, die an diese Idee geglaubt haben und uns zur Seite gestanden haben“. Aus ihrer Sicht werden „die Temeswarer 2021 stolzer auf ihre Stadt sein, mehr junge Menschen werden sich dafür entscheiden, hier zu bleiben und viele derer, die weggegangen sind, werden zurückkehren. Die Stadt wird mehr Räume für Kultur bieten und wird sich ihrer Rolle als regionaler Leader in einem komplexen Europa bewusst sein, das in unseren Tagen sehr von Herausforderungen wie Migration, Europaskepsis, fehlenden Visionen, Identitäts- und spirituellen Krisen bedrängt wird. Andererseits kann sich Europa durch den Beitrag Temeswars bereichern, was die Werte betrifft, die durch das künstlerische Programm des Jahres 2021 gefördert werden: Interkulturalität, Multikonfessionalität, Bürgersinn und Unternehmertum oder, kurz gefasst, der Geist Temeswars“.
Mariana Mitar ist seit Oktober 2012 Office Manager im Rahmen des Projektes, sie hat Geographie an der Babeş-Bolyai Universität in Klausenburg studiert und einen Masterstudiengang an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Großwardein/Oradea absolviert. Postuniversitäre Studien qualifizierten sie als Referentin im Bereich Human Ressources und als Trainerin. „Ich habe meine Karriere im Vertriebsbereich begonnen, bin dann 2012 als Freiwillige in das Projekt eingestiegen. 2013 habe ich an dem Kurs ‘Interkulturelle Kommunikation, Zusammenarbeit und Adaption’ des Interkulturellen Instituts Elan in Paris teilgenommen. „Am schwierigsten war es bisher, „die Leute zusammenzubringen und den Projektverlauf zu finanzieren“.
Bei der Ernennung Temeswars hat Mariana Mitar den Augenblick „mit großer Freude erlebt“, weil „die Ernennung das Ergebnis von fünf Jahren Vorbereitung und intensiver Arbeit war“.
Wie die Stadt 2021 aussehen wird: „Sie wird ein reiches kulturelles und touristisches Angebot haben, die Infrastruktur wird viel besser entwickelt sein“.
Simona Fiţ ist von einer „begeisterten Anhängerin“ 2014 zum Mitglied des Teams im März 2015 geworden: „In der Etappe der Kandidatur habe ich den Erarbeitungsprozess der Dokumentation für die Kandidatur festgehalten und methodologisch koordiniert“. Sie hat im Bereich Finanzwesen an der West-Universität Temeswar promoviert und blickt auf eine 15jährige Erfahrung in Gemeinschaftsprojekten auf lokaler und nationaler Ebene zurück: „Ich bin eine Förderin von Arbeit, die von Sinn und Werten inspiriert ist, und eine Entwicklerin von Systemen, die auf diesen Fundamenten fußen. So war der berufliche Schritt ins Projekt TM 2021 ein sehr natürlicher“.
Am schwierigsten war ihrer Meinung nach, „jedes Argument und fast jedes Wort in der Dokumentation abzuwägen, um die Chancen des Projektes zu maximieren und dessen Wirkung langfristig zu konsolidieren“. Die Ernennung Temeswars hat sie „in einer bisher in meiner beruflichen Karriere einzigartigen Intensität“ erlebt, „in einer Explosion von Freude, Genugtuung und Erleichterung“. Sie hofft, dass „Temeswar das Profil einer europäischen Stadt haben wird, visionär in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Technologie, offen gegenüber Experimenten und dem Neuen, bemüht um das Heranziehen und Halten von Talenten. Kurzum, eine Stadt, die meine Kinder aussuchen werden, um hier zu leben“.
Teodora Borghoffs Aufgabe ist Sozial-Facilitation, also Vermittlung zwischen den Beteiligten und Koordinator des Bereiches „Menschen“ im Kulturprogramm TM 2021. Sie ist seit 2011 dabei, von Februar bis Dezember 2012 hatte sie die Stelle der Geschäftsführerin inne. Seit Juni 2014 arbeitet sie in den Bereichen Teilnahme der Bürger und sozial benachteiligter Gruppen im Prozess der Kandidatur. Sie hat Sozialwissenschaften studiert und arbeitet seit 16 Jahren in Projekten für lokale und regionale Entwicklung. „Am schwierigsten war es bisher, dem fehlenden Vertrauen und dem Skeptizismus in der Anfangsphase standzuhalten“.
Bei der Ernennung Temeswars hat sie gefühlt, „dass Temeswar durch die Energie vieler Menschen gewonnen hat. Es war überwältigend, mich als Teil dieses Ganzen zu empfinden“.
Vom Stadtbild 2021 erwartet sie: „Über die internationale Sichtbarkeit hinausgehend rechne ich mit einem Aufsprudeln an Ideen, und dass die Vorbereitungen die Menschen noch mehr zusammenführen. Ich erwarte, dass vor allem junge Leute den Mut haben, zu träumen und hoffe, dass sie auch die Unterstützung finden, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen“.
Bianca Băilă hat visuelle Künste und Kunstpädagogik in Temeswar und Bukarest studiert, sowie Soziologie in Temeswar und A Coruńa und ist seit Februar 2016 Mitglied des Teams: „Ich arbeite mit dem künstlerischen Team und den Kuratoren zusammen, habe Künstler und internationale Kulturpartner eingeladen, die dem Programm Konsistenz verliehen. Ich habe gleichzeitig das Programm ‚Perspective fluide‘ betreut, das der feministischen Kunst und Kultur und den Problemen der LGBTIQ-Gemeinschaft (Anm.: Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) gewidmet ist. Ein feministisches Zentrum, ein internationales Festival für Queer-Filme (Anm.: queer bezeichnet eine von der Heteronormativität abweichende Geschlechterrolle) und ein Festival der elektronischen Musik sollen entwickelt werden“.
Was war schwierig? „Im Team wurden die Probleme stets schnell gelöst. Sicherlich ist es überwältigend, Imaginationsübungen - Wie siehst du die Stadt in fünf Jahren? - in die soziale und kulturelle Realität einzubinden. Das bedeutet sehr viel Verantwortung gegenüber den Menschen und dem öffentlichen Raum. In den kommenden Jahren müssen wir uns Fragen stellen wie: Ist diese kulturelle Tätigkeit inklusiv genug?“
„Ich habe mir kein anderes Szenarium vorgestellt, als dass Temeswar gewinnt. Ich glaube, Temeswar hat den Titel nötiger gehabt als Bukarest oder Klausenburg“. Für 2021 stellt sie sich „eine aktivere Kulturszene als heute vor, eingebunden in die provokativsten kulturellen Vorschläge im In- und Ausland“.
Tibor Novak ist „leidenschaftlich an kreativer Kommunikation und an nichtkonventionellen Marketing-Praktiken” interessiert. Er hat als Freiwilliger angefangen und ist im Sommer 2016 Mitglied des Teams geworden. Er hat das Master-Programm in Werbung und Verkaufsförderung an der Wirtschaftsfakultät sowie die Jura-Fakultät an der West-Universität Temeswar absolviert.
Am schwierigsten war bisher seiner Meinung nach der Wettbewerb zwischen den Städten. „Bei der Ernennung der Stadt war ich mit Freunden in einem Cafe im Zentrum und habe zwei Live-Streams und die Übertragung eines TV-Senders gesehen. Wir sind in lauten Jubel ausgebrochen. Gleich darauf sind ein Reporter und ein Kamermann zu uns hereingekommen, sie hatten uns von draußen gehört“, erinnert er sich. Tibor Novak glaubt „an den Bürgersinn, an die gemeinsame Erfahrung und das Entwicklungspotenzial einer Gemeinschaft, die vernetzt und engagiert ist“.
Eduard Mureşan arbeitet mit Ştefan Lucuţ an der visuellen Seite des Projektes seit 2015. „Die wichtigsten Materialien, die bisher realisiert wurden, sind die visuelle Identität der Dokumentation und des Projektes”. Eduard Mureşan ist Grafikdesigner und Berater in den Bereichen Marketing und Technologie. Nach dem Studium der Informatik hat er seine Karriere als Programmierer begonnen, dann als Projektmanager gearbeitet. 2002 hat er einen neuen Weg eingeschlagen: „Meine Spezialbereiche sind heute Branding und Druck“. Am schwierigsten fand er „die kurze Zeit, in der die Dokumentation fertiggestellt werden musste”. Für 2021 hofft er, dass „die Stadt sich in eine große Bühne verwandelt und auch die Menschen erfast, die zurzeit zu wenig am Stadtleben teilnehmen. Ich hoffe, dass dieses Projekt zu mehr Dialog führen wird“.
Nicolae Bălc hat das Master-Programm „Europäische Integration” an der Universität Chemnitz absolviert. Von 2015 bis September 2016 war er Mitglied des Teams: „Ich habe viel zur Entstehung der Dokumentation für die Kandidatur beigetragen, aber auch an der Organisation der Workshops mit Vereinen in Temeswar. Hauptsächlich habe ich mich um die Beziehung zu internationalen Partnern, speziell zu anderen Kulturhauptstädten, gekümmert“. Am schwierigsten war es, „in diffizilen Momenten nicht zu vergessen, für welch nobles Ziel wir uns einsetzen: unser Selbstvertrauen als Gesellschaft zurückzugewinnen“.
Nicolae Bălc hat bereits 2012 mit einem Team gearbeitet, das sich um den Titel einer Kulturhauptstadt bemüht hat, in Sřnderborg, Dänemark: „Ein Kollege hatte mich vor der Ankündigung des Gewinners gebeten, eine Papiertüte zu halten, darin waren eine Champagnerflasche und Gläser. Sřnderborg hat den Titel damals nicht gewonnen. Der Kollege aber wollte, dass ich die Flasche behalte und sie zu einem anderen Anlass öffne. Das habe ich auch getan, vier Jahre später in Bukarest“.
2021 wird Temeswar „voller Menschen sein, die verstehen, was sie erreichen können, wenn sie vereint sind, und die die Kultur als Lebensstil auffassen. Die Stadt wird voller Touristen sein, aber vor allem voller Temeswarer aus der Diaspora und deren Kinder. Eine Stadt, die die europäische Flamme und deren Werte wieder entfacht“.
Ştefan Lucuţ ist seit neun Jahren Grafikdesigner und lebt in Berlin, wo er ein eigenes Designstudio betreibt: „Baubauwerk“. Er ist Art-Direktor für den visuellen Part des Projektes TM 2021, und das seit Mai 2015: „Bisher war nichts schwierig. Mal sehen, was folgt.“ Im Augenblick der Ernennung der Stadt war er allein im Büro in Berlin: „Ich habe im Internet die Ernennung verfolgt. Ich glaube, ich habe mit der Faust auf den Tisch gehauen und gerufen: ‚Da, bă!‘“ Die Stadt im Kulturhauptstadtjahr: „Ich hoffe, es wird alles besser sein!“
Liliana Cîra-Niculescu ist seit Mai 2016 im Verein in den Bereich Marketing, Kommunikation und Forschung eingebunden. Sie hat das Master-Programm „Europäische Kulturpolitik“ der Kunst-und Designfakultät der West-Uni absolviert, dann ebenfalls im Bereich Kunst promoviert. „Es gab viele schwierige Momente bisher, voll Stress, Müdigkeit, bange Momente. Dies alles hat uns vereint“.
Den Moment der Ernennung hat sie in Temeswar mit den Kollegen gemeinsam erlebt: „Es war magisch, erwünscht, aber vielleicht unerwartet. Als das ganze Team zu Hause war, ist der Traum Wirklichkeit geworden!Temeswar wird ebenso gut wie jetzt, aber schöner sein, ebenso groß, aber sauberer, und natürlich auf die ganze Region ausstrahlen“.
Loredana Gaiţă ist seit November 2015 dabei, seit Anfang 2016 hat sie sich mit dem Thema öffentlicher Raum befasst, das unter dem Titel „Teritoriul Locuri (Gebiet Plätze)“ im Rahmen des Kulturprogramms zusammengefasst ist. Sie hat Architektur und Stadtplanung studiert und ist seit 2015 Mitbegründerin und Vorsitzende des Vereins „În comunitate“. Während der Kandidatur „war der schwierigste Teil wohl das Aufrechterhalten einer flexiblen Denkweise, Organisation und das Interagieren mit einer großen und sehr vielfältigen Gruppe an lokalen, nationalen und internationalen Fachleuten zur gleichen Zeit, alles dies mit dem Ziel, zu gewinnen“.
Und sie erinnert sich: „Unser Leben war in letzter Zeit nur noch rund um das Projekt angelegt, also waren die Erwartungen dementsprechend. Im Augenblick der Bekanntmachung des Ergebnisses habe ich gedacht: Ja, die Arbeit hat sich gelohnt!“
Im Jahr 2021 wird Temeswar „ein internationales Profil haben, ein funktionierendes System der Schaffung von Kapazitäten im Bereich Kultur, ein Programm, welches das gesamte Jahr unterhält, mehr Räumlichkeiten für Kultur und ein offenes, tolerantes, proaktives Publikum, das für die Entwicklung der Stadt langfristig Impulse setzen wird“.