Vom „Homo Novus“ zum „Motor des Wandels“

Sehenswerte Wanderausstellung über Samuel von Brukenthal – nur noch kurz im Bukarester Bauernmuseum

Im „Dialog“ mit Samuel von Brukenthal... Foto: George Dumitriu

Welcher Siebenbürger Sachse würde, nach berühmten Landsleuten befragt, nicht sofort Baron Samuel von Brukenthal benennen? Spätestens seit September dieses Jahres kennt ihn jedes Kind: mit einer Monumentalstatue auf dem Großen Ring verewigt, vor dem Museum, das seinen Namen trägt, die vielen Veranstaltungen in diesem Jahr zu seinem 300. Geburtsjubiläum – oder auch die schrillen Demonstrationen einer Handvoll Nationalisten vor der neu aufgestellten Statue, die den Gubernator Siebenbürgens für den unglücklichen Ausgang des Horea-Bauernaufstandes und den Tod der rumänischen Nationalhelden Horea, Cloșca und Crisan verantwortlich machen wollen. Wozu also noch eine Wanderausstellung besuchen? 

Die Gründe: Sie füllten locker eineinhalb Stunden auf der Vernissage vom 23. November, die auf der Facebook-Seite der ADZ live übertragen wurde (und dort immer noch zu sehen ist). Atemlose Aufmerksamkeit; danach kann man sich nicht trennen, diskutierende Grüppchen vor den Paneelen, die Broschüren in drei Sprachen alle weggeschnappt, als wären es warme Semmeln. Der grauhaarige Baron würde jetzt wohlwollend schmunzeln, sich lebhaft diskutierend daruntermischen, keiner würde ihn unter der Maske erkennen. Ob sie ihm denn allzu fremd wäre? Ist er doch selbst kurz nach der Großen Pestepidemie von 1717 bis 1719 geboren...

Mit dem vielversprechenden Klingeln von Brukenthals Lieblings-Taschenuhr, die heute noch funktioniert, läutet Moderatorin Petra Antonia Binder, Vorsitzende des Vereins „Cu timp pentru cultură“, den Abend ein. Grußworte der Gastgeber und Ehrengäste: Virgil Nițulescu, Direktor des Nationalen Bauernmuseums, der deutsche Botschafter Peer Gebauer, Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Altreich-Forums und aus der Ferne zugeschaltet Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums Östliches Europa in Potsdam, der die Ausstellung konzipierte, unterstützt von Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu (DRI), dem Hauptvortragenden des Abends.

Mit musikalischen Appetithäppchen untermalt hält er das Publikum mühelos bei Laune, schlängelt sich gewandt durch die Biografie des „frühen Europäers“, wie ihn die Ausstellung betitelt, weiß mit so mancher Kuriosität aufzuwarten und beantwortet  ganz nebenbei Fragen, die man sich selbst vielleicht nie gestellt hätte...

„Steh auf, Breckner!“

Wie etwa kam die Familie von Brukenthal, die ursprünglich Breckner hieß (vom sächsischen Wort Breck für Brücke), zu ihrem Adelstitel – und was nützte er ihnen überhaupt auf dem Rechtsgebiet der sächsischen Nation, wo es doch keine Adelsprivilegien gab? 
Was hat es mit dem Ruf „Steh auf, Breckner!“ auf sich, der zu einer Art Motivationsspruch für schwere Zeiten in der Familie Brukenthal wurde? 

Warum konnte die Taufe des kleinen Samuel, der kurz nach der großen Pestepidemie das Licht der Welt erblickte, erst viel später ins Kirchenregister nachgetragen werden? So wie viele andere Taufen in den Jahren 1717, 1718 und 1720 bis 1724… Die Pest hatte wohl auch viele Pfarrer dahingerafft, mutmaßt Șindilariu.

Und wie kam es, dass der junge Mann, schon mit 15 Vollwaise geworden, der sein gesamtes Erbe für sein Studium im Ausland und die ausufernden Gelage in seinen Freimaurerlogen aufgebraucht hatte und mittellos zurückkam, die Tochter des Bürgermeisters heiraten konnte und sich so erst Bürgerrechte erwarb? Ohne diese wäre seine Karriere in der Verwaltung nicht möglich gewesen. Diese aber waren an den Besitz eines Hauses innerhalb der Stadtmauern gebunden... Damals war Bildung eben noch ein hohes Gut, mit dem man (nicht nur) eine Frau beeindrucken konnte. Und wichtige Verbindungen, z. B. über die Logen, essenziell, wollte man erfolgreich sein.

Sein Aufstieg zum Gouverneur Siebenbürgens war beispiellos. Aber auch sein Erfolg in der Verwaltung. Geschickt hatte Maria Theresia, die erzkatholische Herrscherin des gewaltigen Habsbur-gerreichs – das sich damals von Siebenbürgen über das Banat, das Partium und die heutigen Länder Ungarn, Slowakei, Kroatien, Slowenien, Österreich, Tschechische Republik, Teile Polens (Schlesien), Serbiens, Norditaliens, Süddeutschlands und Belgiens, einschließlich Brüssel, erstreckte – den noch dazu evangelischen „Homo Novus“ als „Motor des Wandels“ eingesetzt. 

Zum Schluss aber stellt Șindilariu die vielleicht spannendste Frage: Warum hat ausgerechnet Samuel von Bruken-thal die Porträts der Aufständischen Horea, Cloșca und Crișan, die wir heute aus rumänischen Schulbüchern kennen, als bezahlte Auftragsarbeit anfertigen lassen?

Die „Dimension des Brukenthal-Impulses“

Zwischen Erzählungen über die Zitrusfruchtplantage des Barons in seinem Sommerpalast in Freck/Avrig ... über sein profitables Gestüt in Sâmbata de Sus ... über seine ausufernde Büchersammlung, in die er mehr investiert hatte als in seine viel berühmtere Bilderkollektion ... über seine geniale Steuerreform als Gouverneur Siebenbürgens, die dem Fiskus den Gegenwert von „675 Bürgerhäusern, eine ganze Kleinstadt“, eingebracht hat … oder über „Collegium Musicum Brukenthal“, das in den 1770er Jahren regelmäßig in seinem Palast aufspielte, hören wir Kostproben der Musik, die Samuel von Brukenthal durchs Leben begleitet hat: Das im Harbachtal damals sehr verbreitete sächsische Wiegenlied, sicher hat es seine Mutter Susanna dem kleinen Samuel öfter vorgesungen, ist eigentlich ein Spinnlied, das Schnurren des Spinnrades hat die Kinder einschlafen lassen. Dann das ob der Vernunftehe mit der Bürgermeistertochter ironisch anmutende sächsische Hochzeitslied „Die Glocken haben gerufen, zwei Herzen haben sich getroffen“, bis hin zu seinem Sterbechoral Nr. 22 von Carl Philipp Emanuel Bach, der neben Haydn Brukenthals Lieblingskomponist war. 

Doch nicht nur Musik, auch Architektur kennzeichnet den Einfluss von Brukenthal.

So fordert der Vortragende potenzielle Siebenbürgenreisende heraus, sich eine Vorstellung von der architektonischen „Dimension des Brukenthal-Impulses“ zu verschaffen: „Schärfen Sie Ihren Blick an der Formensprache von Brukenthals Bauten (in Hermannstadt) und beobachten Sie an Kirchtürmen, Pfarrhäusern oder auch einfachen Bürger- und Bauernhäusern ihre Anwendung und Übernahme.“

Zum Schluss sei zumindest die Antwort auf die letzte Frage verraten: die Rolle Brukenthals beim Bauernaufstand. Dessen Ursache sei schlechtes Krisenmanagement des Militärs gewesen, erklärt der Vortragende, wobei das Militär Brukenthal jedoch nicht unterstand. Sein Aufruf um „Milde und Nachsicht“ blieb „in der Spirale der Eskalation ungehört“... Warum aber hat Brukenthal dann die Porträts der Rebellenführer anfertigen lassen? „Er muss um die Macht der Bilder gewusst haben und hat sie zur Dokumentation des Unrechts eingesetzt“, heute sei das eine Selbstverständlichkeit, erklärt Șindilariu und fügt an: „Ohne Brukenthal wäre unsere kollektive Erinnerung an Horeas Aufstand wohl weit schwächer – darüber könnten die schrill-nationalistischen Demonstranten vor Brukenthals Statue ruhig auch einmal nachdenken!“


Die vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien – Region Altreich, dem Departement für interethnische Beziehungen an der Rumänischen Regierung (DRI) und dem Verein „Cu timp pentru cultură“ nach Bukarest geholte Wanderausstellung „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“ ist noch bis zum 28. November (10-18.00) im Nationalen Bauernmuseum (Aquariumssaal) zu sehen. Die gesamte Eröffnungsveranstaltung kann auf der Facebook-Seite der ADZ online nachverfolgt werden.