Im Revolutionsjahr 1848 brach in Wien die Revolution im März aus, daher ist der Terminus „Vormärz“ in die Geschichte und Literatur eingegangen, und nach dem österreichischen Staatskanzler und Außenminister als Ära Metternich bekannt, die bezogen auf Kunst, Kultur und Literatur jedoch als Biedermeier bezeichnet wird. In den meisten dem Dichter Nikolaus Lenau zuteilwerdenden Würdigungen wird dieser vornehmlich als Lyriker behandelt, während seinen epischen Werken nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Doch sind es gerade diese, die die politische Ideenwelt des Dichters als Vorbereiter im Vormärz hin zu den revolutionären Umgestaltungstendenzen der Revolution von 1848/49 weisen.
In diesem Zeitabschnitt war die Gesellschaft einer allumfassenden Zensur ausgesetzt; nichts konnte ohne vorherige rigorose Kontrolle staatlicher Organe gedruckt und veröffentlicht werden. Unter diesem Druck hatten vor allem die Literatur und deren Autoren zu leiden. Wegen dieser äußerst strengen Zensur wurden die Arbeiten im Ausland oder unter fremden Namen (Pseudonym) veröffentlicht.
In der Forschung zum literarischen Vormärz in Österreich werden vor allem Anastasius Grün, Karl Beck und Nikolaus Lenau erwähnt.
In Deutschland setzt diese Bewegung bereits nach den Napoleonischen Kriegen ein, während sie in Österreich erst ab 1830 so richtig beginnt und 1831 von Anastasius Grüns „Spaziergänge eines Wiener Poeten“, in Hamburg bei Hoffmann und Campe erschienen, entsprechend angeheizt wurde. Doch erst ab 1840 löst eine Reihe von Veröffentlichungen in Österreich diese Bewegung maßgeblich aus.
Lenaus Jugend war bereits von den liberalen und nationalen Ideen der Französischen Revolution von 1789 und den damit verbundenen darauffolgenden Napoleonischen Kriegen geprägt, die durch einsetzenden Nationalismus, Liberalismus und Sozialismus sowie durch die dagegen gerichtete allgemeine restaurative Unterdrückungspolitik zum Ausdruck gelangte.
Lenau versuchte, diesen Zuständen zu entkommen, indem er wiederholt nach Stuttgart reiste und Verbindung zum Schwäbischen Dichterkreis um Justinus Kerner, Ludwig Uhland, Karl Mayer u.a. suchte und dort auch freundliche Aufnahme fand; außerdem lernte er seinen späteren Verleger Johann Georg Cotta kennen, in dessen Verlag seine Gedichte erscheinen werden. (Die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung war ein 1659 in Tübingen gegründeter Verlag, der sich bis 1889 im Besitz der Verlegerfamilie Cotta und danach bis 1956 im Besitz der Verlegerfamilie Alfred Kröner befand.) Der Dichter litt aber bereits seit September 1844 unter den bekannten psychischen Störungen, sodass er den Sturz Metternichs nicht mehr mitbekommen konnte.
Lenau prägte jedoch trotz seiner geistigen Erkrankung die Ideen seiner Zeit und beeinflusste somit die Ideenwelt des Vormärz wesentlich, und – mehrheitlich durch seine Erfolge in Schwaben – gelingt ihm der Durchbruch, sodass seine Lyrik die nationalen und liberalen Bewegungen – vor allem – in den 1830er Jahren – zum Ausdruck gebracht und so die Ideen der Französischen Revolution weiter transportiert hat.
In seinen oder zumin-dest in einigen seiner epischen Werke, deren Stoffe auf historische Persönlichkeiten aufgebaut sind, gelangt die revolutionäre Gedankenwelt des Dichters unverkennbar zum Ausdruck, teils latent, teils offensichtlich.
Wie sein Hauptheld, der Dominikaner Girolamo Savonarola (1452-1498), Prior im Kloster San Marco zu Florenz, der sich nach dem Sturz der Medici (1494) für die politische Neugestaltung von Florenz eingesetzt hatte, war auch Lenau bestrebt, der von Metternich geprägten Bierdermeiergesellschaft im Vormärz, unter welcher der Dichter selbst großen Schwierigkeiten ausgesetzt war, zu einer wesentlichen Veränderung zu verhelfen.
Nach Abschluss der Arbeit an seinem „Faust“ war Lenau 1837 bereits in seinen „Savonarola“ eingetaucht; die Bedeutung des Werkes fußt auf den Ideen der Demokratie, der Freiheit, der Sittlichkeit sowie auf den Angriffen gegen die Tyrannei, Ideale, die auch Lenau selbst verfolgte. Doch seine Angriffe auf die Zustände am päpstlichen Hof führten zu seiner Exkommunikation durch Papst Alexander VI. (1492- 1503) und Verurteilung, was seinem Leben auf dem Scheiterhaufen ein Ende bereitete.
Auch in den 1842 vollendeten „Albigensern“ ist der Freiheitsgedanke unverkennbar. Der auf den Hussitenkriegen aufgebaute Stoff, der gegen das Unrecht der Feudalordnung zu Felde zieht, strebt unverkennbar die Überwindung nationaler, sozialer und religiöser Schranken an und somit die Erlangung von Freiheit ganz im Sinne des Dichters. Ausgehend vom Stoff der Hussitenkriege aus der Geschichte Böhmens rund um Jan Zizka, hat Lenau die packende Handlung um die Albigenser gegen Unrecht und Unterdrückung aufgebaut. Die Auseinandersetzungen zwischen den Albigensern und den von Papst Innozenz III. (1198-1216) unterstützen Kreuzfahrern rücken die Handlung des Werkes in den Mittelpunkt des Geschehens und unterstreichen den Gegensatz zur idealisierten Welt des Mittelalters ganz im Sinne von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Darstellung des ausgehenden Mittelalters als die Zeit einer wüsten Barbarei, in deren Mittelpunkt die machthungrige Kirche mit Verweltlichungstendenzen erscheint.
Lenau übernimmt Hegels Anschauung, dass die geschichtliche Entwicklung aus dem Kampf der Gegensätze hervorgeht. Des Dichters Absicht, die Schrecken des Krieges bildhaft zu schildern, liegt in der Darstellung und Verbreitung des Hasses gegen die Unterdrücker der Freiheit, im Laufe der Geschichte sich scheinbar endlos dahinziehenden Kampf zwischen Tyrannei und Freiheit.
Der Dichter ist sich dessen gewiss, dass nach dem Leid der Gegenwart (auch seiner Zeit) glücklichere Tage folgen werden, was im Schlussgesang der Albigenser deutlich zum Ausdruck gelangt:
„Das Licht vom Himmel läßt sich nicht versprengen,
Noch läßt der Sonnenaufgang sich verhängen
Mit Purpurmänteln oder dunklen Kutten;
Den Albigensern folgen die Hussiten
Und zahlen blutig heim, was jene litten;
Nach Huß und Ziska kommen Luther, Hutten,
die dreißig Jahre, die Cevennenstreiter,
Die Stürmer der Bastille, und so weiter.“
Jan Zizka - (* um 1360 in bei Budweis; † 11. Oktober 1424 bei Šenfeld an der Pest);als tschechischer Ritter und Anführer der Taboriten ein radikaler Verfechter der Idee des Reformers Jan Hus (*zirka 1370 † 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen in Konstanz).
Cevennenstreiter – Bezugnahme auf die Cevennenkriege bzw. auf die Verfolgung der Hugenotten in den südfranzösischen Cevennen nach der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) durch Ludwig XIV.
Lenau hat mit seinen epischen Werken den politischen Herausforderungen seiner Zeit die Stirn geboten und seinen Zeitgenossen die eigenen Anschauungen und Anfechtungen ins rechte Licht gerückt, um dem unterdrückenden System Metternichs im damaligen Österreich Widerstand entgegenzubringen sowie seinen Mitmenschen Mut und Zuversicht einzuflößen, um nicht zu verzagen und damit diese an eine bessere Zukunft glauben mögen.