Waldbaden – Heilung aus der Natur

Japanisches Konzept nimmt in Westrumänien zu

Anca Beleiu (im Bild) ist zertifizierter Forest Therapy Guide (nach dem Standard der Association of Nature and Forest Therapy, ANFT) und hält regelmäßig Waldbaden-Sitzungen in Temeswar und Klausenburg ab.

In Gruppensitzungen werden Menschen dazu eingeladen, sich mit der Natur wieder zu verbinden und das eigene Wohlbefinden zu stärken. | Fotos: privat

Im Wald spricht nichts, und doch erzählt alles: die Insekten, das Spiel der Blätter in der Brise, das Zwitschern der Vögel, die Formen der bauschigen Wolken am Himmel, das weiche Moos.

In einer Welt, die sich immer schneller dreht, suchen viele Menschen nach Möglichkeiten, um zur Ruhe zu kommen, den Kopf freizubekommen und das eigene Wohlbefinden zu stärken – und das möglichst natürlich. Genau hier setzt das Konzept des Waldbadens an. „Forest Bathing“ stammt ursprünglich aus Japan, wo es unter dem Begriff „Shinrin Yoku“ bereits in den 1980er Jahren offiziell als Teil der Gesundheitsvorsorge anerkannt wurde. Wörtlich übersetzt bedeutet Shinrin Yoku „ein Bad in der Waldluft nehmen“ – und genau das ist es auch: bewusstes, achtsames Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes. Das Konzept nimmt auch in Rumänien immer mehr zu. In Westrumänien lädt uns Anca Beleiu ein, eins mit der Natur zu werden. 

„Forest Bathing“ oder „Waldbaden“ ist kein Spaziergang im herkömmlichen Sinne und auch keine sportliche Aktivität. Es geht nicht darum, Kilometer zu machen oder Ziele zu erreichen. Beim Waldbaden geht es um das bewusste Verweilen im Wald, um das langsame Entdecken mit allen Sinnen: das Rauschen der Blätter hören, den erdigen Geruch des Bodens wahrnehmen, das Lichtspiel zwischen den Zweigen beobachten, den weichen Waldboden unter den Füßen spüren, die frische Luft tief einatmen. Es ist eine Einladung, sich mit der Natur zu verbinden – und gleichzeitig mit sich selbst.

Studien zeigen, dass regelmäßiges Waldbaden messbare positive Effekte auf die Gesundheit hat: Der Stress wird reduziert, das Immunsystem gestärkt; Blutdruck und Pulsfrequenz sinken, Stimmung und Konzentration werden verbessert, Angst- und Schlafstörungen gelindert. „Waldbaden wirkt nicht nur präventiv, sondern kann auch therapiebegleitend eingesetzt werden – etwa bei Burnout oder Depressionen“, sagt Anca Beleiu. 

Die junge Frau ist seit 2023 zertifizierte Waldbad-Trainerin. Die Idee kam in der Pandemie, als immer mehr Menschen den Ruf der Natur spürten. Für die damals in Temeswar/Timișoara lebende Anca war es ein Durchbruch. „Im Jahr 2020, als mir meine Sehnsucht nach dem Wald einen riesigen Spiegel vorhielt, warf ich einen neuen Blick auf mich selbst und erkannte, dass mein Wunsch, mein Büro in die Wildnis zu verlegen, nicht nur eine Notwendigkeit war, sondern zu dem gehörte, was ich sein sollte. Also machte ich mich an die Arbeit und gestaltete meinen neuen beruflichen Werdegang Tag für Tag. Im Jahr 2024, nachdem ich ein paar weitere Jahre lang einen Hauch von Wahnsinn, Enthusiasmus und Mut in der Größe eines Waldes gesammelt hatte, beschloss ich, aus der Unternehmenswelt auszusteigen und mich auf diesen grünen Weg hundertprozentig einzulassen“, erzählt sie. Nun sei sie hier, um die Stimme der Natur zu sein, ein Wegweiser für diejenigen, die in tieferer Harmonie mit sich selbst, anderen und der nicht sprechenden Welt sein wollen, sagt sie.

Im Februar 2023 hatte Anca Beleiu ihre vorläufige Zertifizierung als Waldbad-Trainerin erhalten. Im August 2024 erhielt sie ihre Zertifizierung auf Lebenszeit, nachdem sie eine Ausbildung bei der „Association of Nature and Forest Therapy Guides and Programs“ (ANFT) in den Vereinigten Staaten abgeschlossen hatte. „Ich bin froh und dankbar, dass ich zu den ersten zertifizierten Trainern von Forest Bathing in Rumänien gehöre“, sagt Anca Beleiu.

Mit einer soliden Ausbildung, praktischer Erfahrung und unermüdlicher Arbeit an sich selbst arbeitet die junge Frau nun in Partnerschaft mit der Natur, um sanfte und warme Räume zu schaffen, in denen der Wald selbst zum Therapeuten wird. Durch sorgfältig ausgearbeitete Übungen leitet sie die Teilnehmer an, das Tempo zu verlangsamen, unterstützt sie dabei, ihre Sinne zu schärfen, und führt sie dazu, eine neue Art der Beziehung zur Natur, zu sich selbst und zu den Anwesenden wiederzuentdecken.

Jeden Monat lädt sie Menschen ein, sich mit der Natur neu zu verbinden. Die ersten Sitzungen bot sie bereits im vergangenen Sommer in Temeswar an, mittlerweile werden solche Begegnungen auch in Klausenburg/Cluj-Napoca geboten. 

Der Ablauf einer Waldbaden-Sitzung

Die Forest-Bathing-Sitzungen verlaufen in Gruppen von meistens acht bis zwölf Personen. Die Teilnehmer brauchen keine spezielle Ausrüstung und keine Vorkenntnisse. Alles, was sie benötigen, ist etwas Zeit und ein Stück Wald. Interessenten müssen dafür drei Stunden einplanen, ihr Handy im Flugmodus oder am besten ganz zu Hause lassen und sich mit viel Vertrauen vom Waldbad-Weiser führen lassen. Alles beginnt mit einer Meditation für das Wiedererwachen der Sinne. 

„Wir setzen jeden Sinn in seiner Funktion ein: Nimm bewusst wahr, was du siehst, hörst, riechst und fühlst. Dann folgt eine Reihe von Einladungen: Ich lade die Teilnehmer ein, zum Beispiel bei einem Baum zu sitzen. Sich auf einem Baumstumpf zu setzen oder sich an einen Baum zu lehnen und nichts zu tun, denn wir haben keine Agenda. Der Baum gibt uns dann die Zeit und den Raum, den wir brauchen. So können wir zu vergessenen Erinnerungen und Empfindungen zurückkehren. Wenn Gedanken kommen – nimm sie wahr und lass sie weiterziehen“, erklärt Anca Beleiu. 

Sensorische Erfahrungen mit allen fünf Sinnen

Weitere „Einladungen“ innerhalb einer Sitzung von Forest Bathing sind strukturierte oder freie Anregungen, die den Teilnehmenden helfen sollen, sich achtsam mit der Natur zu verbinden. Diese Einladungen sind keine Befehle oder Aufgaben im herkömmlichen Sinne, sondern sanfte Vorschläge, die man annehmen, abwandeln oder auch ablehnen kann – je nachdem, was sich im Moment richtig anfühlt. Darunter werden folgende Einladungen vorgeschlagen: Achtsamkeitsübungen in der Natur; sensorische Erfahrungen mit allen fünf Sinnen; kreative oder spielerische Interaktionen mit der Umgebung; Reflexionen oder Momente der Stille. Sehr beliebt sind die Einladungen, die zum Spielen anregen, wie zum Beispiel barfuß durch den Wald langsam spazieren gehen und dabei die Umgebung mit neugierigen Augen, als ob man sie zum ersten Mal sehen würde, betrachten. Mit den Händen oder Füßen die Erde, Blätter oder Steine fühlen – auf Texturen, Temperatur und Feuchtigkeit achten. Sich in Klangmeditation vertiefen: den Geräuschen lauschen. „Nach manchen Einladungen kann es einen kurzen Austausch in der Gruppe geben, z. B. nach dem Motto: ‚Was hat dich überrascht?‘ oder ‚Was hast du bemerkt?‘ – diese sogenannten Teilen-Kreise sind optional, jeder kann mitmachen, Gefühle und Gedanken äußern oder einfach zuhören“, sagt die Waldbaden-Trainerin. 

Alles endet mit einer Teezeremonie. Diese stellt beim Waldbaden einen besonderen Abschluss oder Übergang innerhalb einer Forest Bathing-Sitzung dar. Sie dient dazu, die Erfahrung zu vertiefen, zu integrieren und mit allen Sinnen zu genießen – in einem Zustand der Achtsamkeit, Verbindung und Dankbarkeit. Der Guide reicht dabei den Teilnehmenden einen Tee, meist warm, manchmal kalt – oft aus Wildkräutern oder Pflanzen aus der Region, manchmal auch einfach grüner Tee oder Kräutertee. Sie ist nicht mit der formellen japanischen Teezeremonie zu verwechseln, sondern eine sanfte, intuitive Form des achtsamen Genusses. „Die Teezeremonie ist ein Ritual der Dankbarkeit – an den Ort, an die Natur, an sich selbst, ein achtsamer Übergang vom Naturerlebnis zurück in den Alltag“, schließt Anca Beleiu.

Wirkung auf Körper und Geist

Folgen des richtigen Waldbaden sind: Reduzierung von Stress, Stärkung des Immunsystems und der mentalen Gesundheit. 

Auch wenn das Konzept nun mehr als 40 Jahre alt ist, wird es nun von immer mehr Leuten entdeckt. Waldbaden ist aber mehr als ein Trend. Es ist eine Rückkehr zu etwas, das tief in uns verankert ist: die Verbindung zur Natur. In der Stille des Waldes finden wir oft das, was wir im Lärm des Alltags verloren haben – Klarheit, Ruhe,  Energie. 

In experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass bereits ein zweistündiger Aufenthalt im Wald ausreicht, um die Anzahl und Aktivität von Immunzellen signifikant zu steigern – und dass dieser Effekt bis zu sieben Tage lang anhalten kann. Waldbaden findet mittlerweile Eingang auch in die psychosomatische Medizin, Präventionsangebote von Krankenkassen und Programme zur Burnout-Prävention. Auch in der grünen Psychiatrie oder ökopsychologischen Beratung werden Naturaufenthalte gezielt eingesetzt.

Natur bedeutet also Gesundheit. Ein Besuch im Grünen lohnt sich immer. Wer das nicht glaubt, kann es nachprüfen. Wie? Ganz leicht: Schuhe an, raus in den Wald – und einfach abtauchen. Oder wer das vollkommene Erlebnis ausprobieren will, kann bei einer der nächsten Forest-Bathing-Sitzungen von Anca Beleiu mitmachen. Diese werden Ende Juni im Temeswarer Jagdwald/Pădurea Verde oder in Klausenburg im Horia-Wald stattfinden. Details dazu sind von der Webseite ancabeleiu.com/evenimente abrufbar.