Der Kreis Maramuresch im äußersten Norden Rumäniens ist eine der landschaftlich und kulturell eindrucksvollsten Regionen der Ostkarpaten. Hier trifft traditionelle Holzbaukunst auf wilde Bergwelten, alte Bauernpfade führen durch tiefe Wälder, vorbei an handgeschnitzten Holztoren, weiten Almen und glasklaren Seen. Für Wandernde, die Natur, Geschichte und Ursprünglichkeit suchen, ist die Maramuresch ein stilles Paradies. Die Vielfalt der Wanderrouten – von gemütlichen Dorftouren bis hin zu anspruchsvollen Hochgebirgspfaden – macht die Region besonders reizvoll.
Die Region Maramuresch ist kein Wandergebiet für Massen. Vielmehr ist es ein Ort für Entdeckerinnen und Entdecker, die die Verbindung von Natur, Tradition und Gastfreundschaft schätzen. Ob anspruchsvoller Höhenweg oder gemütlicher Dorfrundgang – die Vielfalt der Wege und Panoramen macht diese Region zu einem der eindrucksvollsten Wanderziele Osteuropas.
Zwischen Holzkirchen und Hirtenwegen
Ein guter Einstieg in die Wanderwelt der Region Maramuresch bietet sich rund um das Dorf Bârsana, bekannt für seine monumentale Holzkirche. Der hier thronende Klosterkomplex ist nicht nur ein spirituelles Zentrum, sondern auch ein Ausgangspunkt für leichte Wanderungen in das nördliche Gutâi-Gebirge. Markierte Wege führen über bewaldete Hügel, vorbei an kleinen Gehöften und durch blühende Wiesenlandschaften. Wer dem „Drumul Lemnului“ (Holzweg) folgt, entdeckt nicht nur die eindrucksvolle Bauweise der Tore und Häuser, sondern auch die tiefe Verwurzelung der Menschen mit dem Wald.
Eine beliebte Route ist der Rundweg von Bârsana über den Poienile Izei, vorbei an traditionell bewirtschafteten Feldern und kleinen Weiden. Die Tour dauert etwa vier Stunden und ist auch für Familien geeignet. Beson-ders lohnenswert sind die Aussichten von den Höhenzügen oberhalb des Iza-Tals – vor allem im Morgenlicht, wenn Nebelbänke aus den Tälern aufsteigen.
Hoch hinaus zu Seen und Gipfeln
Wer alpine Herausforderungen sucht, wird im Südosten des Kreises fündig. Das Rodna-Gebirge (Munții Rodnei) gehört zu den höchsten Bergmassiven der Ostkarpaten. Der markanteste Gipfel, der Pietrosul Rodnei (2303 m), lässt sich über gut ausgeschilderte Pfade erklimmen. Eine typische Route beginnt an der Cabana Pietrosul (ca. 1200 m), führt zunächst durch Waldgebiete, dann über alpine Matten zum Gletschersee Lacul Iezer (1825 m). Der smaragdgrüne See liegt in einem Kessel unterhalb des Gipfels und ist ein idealer Rastpunkt.
Wer weiter aufsteigt, erreicht nach insgesamt etwa fünf bis sechs Stunden den Gipfel des Pietrosul. Hier öffnet sich ein atemberaubender Rundblick auf die umliegenden Karpatenketten. Der Rückweg erfolgt über denselben Weg, Trittsicherheit ist Voraussetzung. Bei gutem Wetter kann man auf den Bergwiesen Murmeltiere beobachten, mit Glück auch Auerhühner oder sogar Gämsen.
Eine Alternative für geübte Wanderer ist die mehrtägige Kammwanderung von der Șetref-Scharte nach Osten, die mehrere 2000er-Gipfel verbindet. Entlang dieser Route gibt es einfache Biwakmöglichkeiten. Orientierung und Ausdauer sind hier allerdings entscheidend – ebenso wie der Respekt vor plötzlichem Wetterumschwung.
Durch unberührte Wildnis
Nordöstlich des Rodna-Massivs liegt der Naturpark Munții Maramureșului, das zweitgrößte Schutzgebiet Rumäniens. Wandernde erleben hier eine wilde, kaum erschlossene Bergregion mit artenreichen Wäldern, einsamen Bergweiden und kristallklaren Bergseen. Der höchste Gipfel ist der Vârful Fărcău (1957 m), von dessen Kamm aus sich ein eindrucksvolles Panorama auf das Tal der Ruscova und den Lacul Vinderel öffnet – ein idyllischer Hochgebirgssee auf 1616 m Höhe.
Ein Klassiker ist die Tageswanderung von der „Stâna lui Nucu“ hinauf zum Fărcău-Gipfel und weiter zum Vinderel-See. Der gut markierte Weg ist rund 14 Kilometer lang und verlangt rund 900 Höhenmeter Anstieg. Picknickplätze am See und gelegentlich bewirtschaftete Almhütten bieten Möglichkeiten zur Rast. In den Sommermonaten kann man hier mit etwas Glück auf einheimische Hirten treffen, die ihren traditionellen Lebensstil pflegen.
Eine längere Tour führt von der Vinderel-Hochebene weiter auf den „Pop Ivan“ (1931 m), der direkt an der Grenze zur Ukraine liegt. Die rund 20 Kilometer lange Strecke ist konditionell fordernd, aber spektakulär – nicht zuletzt wegen der offenen Rückenlandschaften und der Ausblicke bis weit ins ukrainische Huzulenland.
Mit der Dampfbahn in die Wildnis
Ein besonderes Erlebnis bietet das Wassertal/Valea Vaserului bei Oberwischau/Vișeu de Sus. Hier verkehrt noch die historische Schmalspurbahn „Mocănița“, ursprünglich für den Holztransport gebaut, heute ein technisches Kulturgut. Die Fahrt mit der Dampflok durch das enge Tal ist ein gemütlicher Einstieg in das Gebiet – und zugleich der Auftakt für einfache Wanderungen.
Parallel zur Bahnlinie verläuft ein Wanderpfad, der sich ideal für Halbtages- oder Ganztagstouren eignet. Besonders schön ist der Abschnitt zwischen den Haltestellen Paltin und Faina, wo der Weg durch ursprünglichen Nadelwald führt, vorbei an rauschenden Bächen und kleinen Wasserfällen. Abseits der Gleise eröffnen sich Forstwege in abgelegene Seitentäler – wer die Stille sucht, wird hier fündig. Da das Tal tief eingeschnitten ist, sollte man wetterfeste Kleidung mitnehmen. Abends kann es trotz Sommersonne empfindlich kühl werden.
Kulturroute durch die Dörfer
Wer neben Natur auch die reiche Dorfkultur der Maramuresch entdecken möchte, folgt dem rund 31 Kilometer langen „Drumul Maramureșului“, einer thematischen Wanderroute entlang des Cosău- und Mara-Tals. Zwischen den Dörfern Breb, Budești, Slătioara und Sârbi reihen sich denkmalgeschützte Holzkirchen, liebevoll gepflegte Bauernhäuser und kunstvoll verzierte Tore aneinander.
Die Wege verlaufen meist über Hügelpfade oder Feldwege, durch lichte Wälder und Obstgärten. Immer wieder eröffnen sich Ausblicke auf die typischen Schieferdächer, auf Heuschober und Viehweiden. Die Strecke ist moderat anspruchsvoll, lässt sich in Etappen gehen und kann mit Übernachtungen in kleinen Familienpensionen kombiniert werden. Einfache lokale Küche, hausgemachter Käse oder frischer Apfelsaft runden das Erlebnis ab.
Wasserfall und Felsschneide
Rund um den Ort Borscha/Borșa, der sowohl als Wintersportort als auch als Wanderdestination bekannt ist, finden sich zahlreiche Touren für alle Schwierigkeitsgrade. Eine der beliebtesten Familienwanderungen führt zur Cascada Cailor (Pferdewasserfall). Der rund 90 Meter hohe Wasserfall ist über einen gut ausgebauten Wanderweg (rotes Dreieck) in etwa 1,5 Stunden erreichbar. Besonders im Frühjahr, wenn das Schmelzwasser den Fluss anschwellen lässt, ist das Schauspiel eindrucksvoll.
Für sportlichere Wandernde lohnt sich ein Abstecher in das Gutâi-Gebirge, insbesondere zur markanten Felsformation Creasta Cocoșului (Hahnenkamm). Vom Gutâi-Pass aus beginnt eine 12,7 Kilometer lange Rundwanderung über Almen und Hochwälder hinauf auf das Felsplateau. Die Tour dauert etwa vier bis fünf Stunden, ist gut markiert und bietet spektakuläre Aussichten über das Iza-Tal, das Rodna-Massiv und das nahe gelegene Neustadt/Baia Mare.
Wandern mit Verantwortung
Wer sich für eine Wanderung in der Maramuresch entscheidet, bewegt sich durch empfindliche Naturräume und lebendige Dorfkulturen. Deshalb ist ein respektvoller Umgang mit Natur und Menschen unerlässlich. Abfälle sollten mitgenommen, markierte Wege nicht verlassen und Weidetiere nicht gestört werden. Viele Wanderwege verlaufen durch Nationalparkgebiete oder Schutzwälder – offizielle Karten und Infotafeln geben Hinweise.
Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit ist die Übernachtung in familiengeführten Pensionen („căsuțe“), die oft mit lokalem Holz gebaut und traditionell eingerichtet sind. Dort lassen sich auch hausgemachter Käse, Honig, Polenta und eingelegtes Gemüse – aus eigener Produktion genießen. So wird der Tourismus Teil des dörflichen Lebens, statt es zu verdrängen.