Zu den vielen touristischen Attraktionen, die Bukarest zu bieten hat, ist nach der Öffnung der privaten Residenz von Nicolae und Elena Ceauşescu (Bulevardul Primăverii 50), im bevorzugten Villenviertel der kommunistischen Nomenklatura vor einigen Monaten ein Publikumsmagnet hinzugetreten, der sich allgemein großer Beliebtheit erfreut. Seit dem 1. Dezember 2016 gibt es für den, der bereit ist, 200 Lei für eine private Führung zu zahlen, als besonderes „highlight“ die Gelegenheit, den Bunker in den Kellergewölben zu besuchen. Aber auch die Standardführung für 30 bzw. die englische Führung für 40 Lei gewährt dem interessierten Besucher einen Einblick in die Welt des Diktators und seiner Familie.
Was versprechen sich die Besucher von diesem Einblick? Möchten sie über seine dekadenten Gelüste, den verschwenderischen Reichtum staunen oder glauben sie zwischen all den opulenten Dekorationen einen Hinweis auf seinen Charakter zu finden?
Vergleiche mit den Residenzen anderer Diktatoren wie z. B. die erst kürzlich geöffnete überdimensionierte „Datscha“ von Janukovitsch in Kiev, samt ihres neureichen Pomps, drängen sich auf. Gemeinsam ist den meisten dieser „Paläste“ die Abgeschlossenheit und das Geheimnis, das sie umgibt. Denn entgegen der allgemeinen Funktion eines Palastes, der ja Repräsentationszwecken genügen soll, waren diese Residenzen rein privat und somit den Augen der Öffentlichkeit entzogen. Kein Wunder also, dass vom Boulevardul Primăverii aus gesehen – obwohl das gesamte Viertel für normale Bukarester ohnehin abgeriegelt war – der Gebäudekomplex sich von der hier üblichen Villenlandschaft nicht allzu sehr abhebt.
Einen kleinen Vorgeschmack auf sein Innenleben konnten die Bukarester bei den ersten Auktionen seit 1999 erhalten, als etliche Objekte unter den Hammer gerieten, um die Staatskasse aufzufüllen. Die Pelzkollektion von Elena Ceauşescu, viele Staatsgeschenke wie Leopardenfelle, der private Fuhrpark oder die Jagdwaffensammlung, aber auch eher peinliche Devotionalien, Ölbilder oder selbstgewebte Teppiche mit dem Konterfei des einst verehrten Herrscherpaares ließen die stilsicheren Auktionsteilnehmer erschaudern.
Das wenigste davon findet sich heute in der offiziellen Ausstellung. Verschwunden sind die zahlreichen Pelzmäntel der Elena Ceauşescu. Die Bilder, die heute die Räumlichkeiten zieren, stammen von namhaften rumänischen Künstlern wie Nicolae Grigorescu, Rudolf Schweitzer-Cumpăna oder Ştefan Luchian. Silberbesteck, Gemälde und einige Grafiken von Goya und Corneliu Baba aus dem Privatbesitz der Ceauşescus mussten laut einem Gerichtsbeschluss tatsächlich an Valentin, einen Physiker und einzig Überlebenden der drei Kinder, rückerstattet werden. Auch wenn persönliche Gegenstände wie Kostüme oder selbst die Pyjamas, die Elena und Nicolae Ceauşescu zu tragen pflegten – letztere sorgfältig auf ihrem Bett drapiert – Authentizität suggerieren, wirken die Räumlichkeiten insgesamt sehr museal und man kann sich das tägliche Leben der ersten Familie im Staate samt den Kindern Nicu, Valentin und Zoia nur schwer vorstellen. Der „Palast“, bereits für Gheorghe Gheorghiu-Dej geplant, wurde von dem Architekten Aron Grimberg-Solari entworfen und diente ab 1965, als Ceauşescu zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees avancierte, der Familie als Domizil. Bei der Gartenanlage und der Innengestaltung waren der deutsche Möbeldesigner Robert Woll und Agrippa Popescu federführend, obwohl Elena Ceauşescu auf die Gestaltung der Innendekoration Einfluss nahm und auch der Erweiterungsbau 1970/71 nach Ceauşescus Ernennung zum Präsidenten wurde von der Familie initiiert.
Vielleicht ist es diesen deutschen Einflüssen zu verdanken, dass einiges an das Hohenzollernschloss in Peleş erinnert. Büro und Salon von Nicolae Ceausescu mit den reichverzierten Holzvertäfelungen im Renaissancestil, dem ostentativ präsentierten Schachbrett, um Bildung vorzutäuschen, ja selbst der Kinosaal im Souterrain mit seinen senfgelben Möbeln und Art-Deco-Lampen scheinen im Hohenzollernschloss ihre Vorbilder zu finden. Ein eigener Kinosaal scheint somit zur klassischen Ausstattung zu gehören. Für das magere Angebot des staatlichen Fernsehens genügte ein einfaches Gerät im Frühstücksraum. Lieber schaute man sich die neuesten amerikanischen Streifen, meist Filme von Sylvester Stallone oder Western, auf der eigenen Leinwand an.
Die Suiten der drei Kinder, die jedoch die Villa im frühen Erwachsenenalter – also noch vor 1989 – verließen, besitzen fast alle den gleichen Grundriss. Allerdings werden hier die Stilrichtungen variiert. Wie in einem Musterkatalog wählte man zierliche Rokokomöbel, farblich abgestimmte Seidentapeten ŕ la Marie-Antoinette samt Wandbehang mit einem Watteau-Motiv für die Dame, in diesem Fall Zoia Ceauşescu, und den englisch klassischen Stil für den Herrn, d. h. den Bruder Nicu. Gleichzeitig vernimmt man staunend, dass Ceauşescu sein Büro kaum nutzte, auch nicht die anderen Funktions- und Repräsentationsräume. Letztere von der Halle bis zum Speisesaal sind, wie könnte es anders sein, im französischen Stil mit viel Marmor, Spiegeln aus venezianischem Glas, Möbeln ŕ la Versailles oder in den Stilrichtungen der notorischen Ludwigs XV. bis XVI. gehalten, wie sie in den meisten neureichen Haushalten nicht nur in Bukarest vorkommen, gekrönt selbstverständlich von einer vergoldeten Sitzgarnitur. Dass etliche der Räume ungenutzt blieben, lag auch daran, dass die Familie meist unter sich blieb. Kaum ein Staatsgast – mit Ausnahme von Nixon und auch der dann nur zum Tee – aber auch keine Freunde durften sich je einer privaten Einladung erfreuen. Wenn, dann empfing man hochrangige Staatsgäste wie Genscher oder Strauß in der ganz ähnlich ausgestatteten Residenz in Snagov. Angesichts der Größe des „Frühlingspalastes“ mit seinen ca. 80 Räumen verwundert das.
Daneben füllen Staatsgeschenke, Elfenbeinobjekte aus Afrika oder eine Tellerkollektion von Queen Elizabeth II., überreicht anlässlich eines Besuchs im Buckingham Palace, die Vitrinen. Überall zieren riesige Perserteppiche, Geschenke des letzten Schahs Reza Pahlavi, die Marmor- und Parkettböden und an den Wänden finden sich kostbare Gobelins, auch diese Staatsgeschenke z. B. von De Gaulle. Vielleicht weil dies Sammelsurium westlicher royaler Dekorationsstile so befremdlich wirkt – man vergleiche dies mit der nüchternen Modernität des „Kanzlerbungalows“ in Bonn –, betonen die Touristenführer wohl so eifrig, wo überall einheimische Produkte verwendet wurden. Treppenläufer aus Heltau/Cisnădie, Möbel von der Firma Heliade, Marmor aus Ruschkitza/Ruşchiţa, Kristall aus Mediasch. Ähnliches wird auch immer als besonderes Kriterium für den Bau des Palastes der Republik angeführt.
Aber bevor man nicht den Keller, konkret den Weinkeller, betritt, gibt es kaum ein rumänisches Stilelement. Hier allerdings findet man sich in einer eher üppig ausgestatteten Weinbar im Bojarenstil, die zudem wieder nur selten von der Familie genutzt wurde, weil zumindest Ceauşescu aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme kaum Wein trinken durfte. Allerdings stößt man hier auf ein weiteres charakteristisches Dekorationselement: byzantinisch-venezianische Mosaiken. Sie vergolden die Wände des Weinkellers und des geräumigen Badezimmers des kommunistischen Herrscherpaares, sie finden sich flächendeckend an Durchgängen, auf dem Grund der zahlreichen Brunnen und Fontänen, die allerdings heute alle kein Wasser mehr führen, und bilden den Hintergrund für die üppige Vegetation des Wintergartens. Eine naiv-fröhliche Variante schmückt die Wände des riesigen, leider heute wasserlosen Indoor-Schwimmingpools mit seinen paradiesischen Themen, die von Olga Porumbaru und Florin Pîrvulescu ausgeführt wurden.
Ein immer wiederkehrendes Motiv in Wandbehängen und als Mosaik, das nun tatsächlich persönlich von Ceauşescu ausgewählt wurde, sieht man ganz lebendig in vierter Generation durch den Garten staken. Es ist ein Pfauenpärchen, dessen Vorfahren als Gastgeschenk von einer Reise aus Japan hierher gelangten und die solch nachhaltigen Eindruck hinterließen. Nur weil sie schön anzusehen sind oder weil sie auch als Wächter dienen können? Jedenfalls ist Ceauşescu nicht der einzige – auch in den Palästen anderer Potentaten werden Pfauen gehalten. Angst vor Anschlägen oder dem eigenen Volk? In dieses Bild passt auch die geradezu grotesk riesige Kleiderkammer. Bekannt ist, dass Ceauşescus aus Angst vor Vergiftung und Ansteckung alle Kleider nur einmal trugen. Daher die Schränke voller Jacken, Taschen, Hosen oder Hemden. Um die Gesundheit war man mehr als besorgt. Nicolae litt wohl an Diabetes und musste Diät halten. Üppige Tafelfreuden kamen da nicht in Frage, überhaupt verfügte man auch in kulinarischer Hinsicht über keinen verfeinerten Geschmack. Einfache rumänische Bauerngerichte waren an der Tagesordnung.
Umso mehr Wert wurde auf Garderobe und körperliches Wohlbefinden gelegt, einen eigenen Friseursalon und eine komplette Wellness-Oase, samt Sauna und Jacuzzi befindet sich in einem weiteren Trakt in der Nähe des riesigen Pools. Hier endet der Standard-Rundgang. Die verborgenen Tunnel und Bunkeranlagen bleiben der Privatführung vorbehalten. Ein Bereich aber scheint völlig ausgeklammert, der zumindest in jeder englischen Schlossführung dazugehört: „Downstairs!“ Wo lebten Köche, Gärtner und Zimmermädchen? Wo überhaupt war die Küche? Offensichtlich scheint niemand Interesse für das Leben der unteren Klassen in diesem kommunistischen Palast aufzubringen.