Wie retten wir unsere Kirchenburgen: Behalten oder Veräußern?

Ein Gespräch mit dem Kunsthistoriker Arne Franke

Die Kirchenburg von Draas/Drăușeni, an der Ostgrenze des Königsbodens gelegen, soll schon während der Zeit der Kreuzzüge bekannt gewesen sein. Die Kirchenburg verfügt über Bauelemente aus geschichtlicher Vorzeit und war Aufbewahrungsort des berühmten Draaser Schwertes, das während der Flucht nach dem 2. Weltkrieg spurlos verschwand. Die verlassene Kirche erlebte in den letzten 10 Jahren ihre Wiedergeburt dank einer Privatinitiative. | Fotos: Cristian Sencovici

Das Tympanon von Draas

Um über die sächsischen Kirchenburgen in Siebenbürgen zu recherchieren, kommt man an drei Autoren nicht vorbei. Es ist vor allem Hermann Fabini mit seiner umfangreichen Dokumentation in Wort und Bild über alle Kirchenburgen, dann der Reiseführer Siebenbürgen von Heinz Heltmann und Gustav Servatius über Land und Leute, und nicht zuletzt der deutsche Kunsthistoriker Arne Franke mit seinem Handbuch über das wehrhafte Sachsenland, das eben in Potsdam eine Neuauflage erlebte. Christa Richter traf ihn am Rande einer Tagung und stellte ihm einige Fragen.

Arne Franke, du wurdest von der Stiftung Kirchenburgen nach Siebenbürgen eingeladen, um an einem Kirchenburgen-Gespräch teilzunehmen. Das Thema lautete: „Behalten vs. Veräußern? – Welche Strategie dient dem Erhalt der Kirchenburgen?“ Was konntest Du zu diesem Thema beitragen?

Nun, mir ist schon lange bewusst, dass es offenbar nach wie vor in einzelnen Kirchengemeinden eine Tendenz gibt, schwierige, im Zustand und im laufenden Unterhalt problematische Bauwerke abzugeben – d. h. in den meisten Fällen zu verkaufen. Dies ist aus meiner Sicht als Denkmalpfleger und Architekturhistoriker der falsche Weg, denn sie aus der Hand zu geben bedeutet, keinerlei Einfluss mehr darauf zu haben – und keine Möglichkeit mehr zu haben, eine konstruktive Zukunft in den historisch gewachsenen Dörfern weiterhin mit zu gestalten. So hoffe ich, dass es vielleicht keine Initiativen mehr geben wird, eine nicht mehr genutzte und akut gefährdete Kirche oder gar Kirchenburg zu veräußern, wie es beispielsweise vor Jahren mit der kleinen Kirchenburg von Zied/Veseud oder mit der völligen Aufgabe des nun in guter Hand befindlichen Ensembles von Felldorf/Filitelnic geschehen sollte. Aber zum Kulturerbe gehören selbstverständlich nicht nur die Gotteshäuser, sondern auch die zumeist in einem Gesamtkontext mit der Kirchenburg stehenden Pfarrhäuser, evangelischen Schulen, vielleicht auch Festsäle und andere Einrichtungen, die selbst in Zukunft durch die Kirchengemeinden oder einen übergeordneten Träger zu positiven und vorbildlichen Projekten entwickelt werden könnten.     

Ist nicht von aller Anfang an nach der Wende etwas schief  gelaufen? Die Kirchengebäude gehörten zwar schon immer zum  Kirchenbesitz, aber um ihren Erhalt kümmerten sich Fachleute. Nun wurde diese Aufgabe Pfarrern überlassen, die keine Ahnung hatten und schon als Seelsorger mehr als überlastet waren. Anstatt einen auswärtigen Manager anzuheuern, überließ man alles mehr oder weniger dem Zufall und hatte nur teilweise Erfolg. Erwähnen wir vor allem Caroline Fernolend mit dem Eminescu-Trust und  Andreas Schmidt mit dem Haferland-Projekt, ergänzt von bescheideneren Initiativen einzelner HOG-Gruppen aus Deutschland, oder rumänischen Projekten in Bistritz und Gürteln. Zwar gründete auch die Landeskirche eine Stiftung Kirchenburgen, aber schafft diese es, den Verfall zahlreicher verlassener Kirchenburgen zu stoppen?

Natürlich war die Verunsicherung nach dem Exodus eines großen Teils der Siebenbürger Sachsen nach 1989 in der Kirche selbst wie auch in der Bevölkerung sehr groß. Und natürlich gab es von Anfang an keinen Generalplan dafür, wie man mit dem kulturellen Erbe umgehen könnte – und nur zu verständlich ist es, dass die einzelnen Gemeinden – und als deren Repräsentanten die Pfarrer und Pfarrerinnen – unterschiedliche Ansätze auszuprobieren versuchten, um der Last um das bauliche Erbe Herr zu werden. Aber spätestens mit etlichen umstrittenen und wenig erfolgreichen Verkäufen sollte die Einsicht gekommen sein, dass dieses Erbe nur dauerhaft in einer Hand zu erhalten ist. Und ja – ich denke, dass die Pfarrer oft mit der komplexen Frage eines Erhalts und einer zukünftigen Nutzung dieser Anlagen überfordert waren und sind, da die Immobilienverwaltung meines Erachtens nicht zu deren Kernaufgaben zählt.

Somit sollte dieser historisch wertvolle Immobilienbestand in der Hand der Landeskirche selbst oder einer durch diese beauftragte Institution beziehungsweise einer neu zu gründenden, der Evangelischen Kirche A. B. angegliederten Stiftung liegen. Da es bereits die erfolgreich agierende „Stiftung Kirchenburgen“ an der evangelischen Kirche gibt, liegt es aber auch nahe, dieser die Liegenschaften zu übertragen. Diese könnte – bei entsprechender personeller und finanzieller Ausstattung – alle relevanten Objekte treuhänderisch verwalten und – in enger Zusammenarbeit mit den HOGs, weiteren Stiftungen öffentlichen Rechts oder auch Privatinitiativen – Konzepte entwickeln, wie man einzelne Kirchen und Kirchenburgen dauerhaft erhalten und zusammen mit Pfarrhaus, ehemaliger Schule und im Idealfall auch in unmittelbarer Umgebung liegenden Bauernhöfen nutzen kann. Letztlich könnte ein solches Ensemble, geschickt angelegt, beispielsweise langfristig u. a. eine touristische Funktion erfüllen, ohne dass der sakrale Charakter der Kirche selbst verloren geht. Damit könnte vermutlich eine Refinanzierung der Instandsetzungs- und Restaurierungskosten, aber auch der dauerhafte Erhalt der Baudenkmäler gewährleistet werden.

Du kennst die einmalige Kirchenburgenlandschaft sehr gut, nachdem du sie vor rund 15  Jahren gründlich erforscht hast, um deinen beachtenswerten Reiseführer „Das wehrhafte Sachsenland. Kirchenburgen im südlichen Siebenbürgen“ zu veröffentlichen. Vielleicht kannst du als Kunsthistoriker und Denkmalpfleger mit langjähriger Erfahrung im Europäischen Raum Anregungen geben, wie man zukünftig mit den Kirchenburgen umgehen könnte, um sie dauerhaft zu erhalten und zu beleben?

Ich kenne natürlich nicht immer die aktuelle Situation vor Ort – diese können nur die einheimischen Akteure, wie z. B. die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stiftung Kirchenburgen, wirklich überblicken – aber ich kann zukünftig gerne aufzeigen, wie in anderen Regionen oder Ländern Europas unter vielleicht vergleichbaren Gegebenheiten mit gefährdeten Kulturdenkmälern umgegangen wird. Ein Patentrezept für alle gefährdeten Kirchenburgen mit ihren schützenswerten Gesamtensembles gibt es natürlich nicht – jede Anlage und jedes Ensemble muss in ihrem historischen und aktuellen Umfeld für sich betrachtet und der Bedarf sowie die Möglichkeiten einer Revitalisierung analysiert werden. Aber das Studium von ähnlich gelagerten Problemen und Projekten in anderen Ländern kann durchaus fruchtbare Inspirationen bringen. Daher hoffe ich, in absehbarer Zeit und bei geeigneter Gelegenheit einige Beispiele aus anderen Ländern vorstellen zu können – in der Hoffnung, dass die verantwortlichen Entscheider dies als Inspiration begreifen und das eine oder andere Konzept – sei es in der Organisation der Kirchenburgenlandschaft oder der konkreten Wiederbelebung einer Kirchenburg – auch hier in Siebenbürgen umsetzen können.

Vielen Dank für das Gespräch!