Wo die Fledermäuse leben

Das Reener Ländchen will entdeckt werden

Blick auf Botsch vom Weingut „Liliac“ aus | Fotos: Roger Pârvu

Auf dem Weingut „Liliac“ in idyllischer Landschaft einen guten Tropfen genießen… Was will man mehr?

Bei der Bienenzüchter-Familie Moldovan in Weilau/Uila

Die Kirche in Botsch/Batoș soll mittels einer EU-Förderung von fünf Millionen Euro saniert werden.

Fährt man von Bistritz/Bistrița auf Sächsisch-Regen/Reghin zu, sollte man dieses nicht unbedingt über die bekannte Hauptstraße tun. Entscheidet man sich also für die Straße die über Mindorf/Monor, welches für die dort ansässige Milchverarbeitungsproduktion bekannt ist, kommt man durch die Gemeinden des Reener-Ländchens inmitten einer angenehmen Hügellandschaft: sattes Grün, ab und an von landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen durchbrochen. Trotzdem wartet die ländliche Umgebung der alten siebenbürgisch-sächsischen Niederlassung mit so mancher Überraschung auf.

Will man sich dem Entschleunigungsgefühl hingeben und wahrhaftig genießen, sollte man (mit An- und Abreise) für das Reener Ländchen mindestens zwei Tage und eine Übernachtung einplanen. Gut beraten ist man mit der „Casa Sânziana“ in Ungarisch Zepling/Goreni: Nicht direkt an der Dorfhauptstraße gelegen, lädt der große Hof der Pension direkt zum Verweilen ein. Am liebsten würde man sich gleicht in eine der Gartenlauben setzen oder in eine Hängematte legen. Die Erfahrung, die Magdalena Pascu und ihre Familie im Tourismusbereich im Ausland gesammelt haben, ist deutlich spürbar: Schnell vermitteln sie ihren Gästen das Gefühl, bei Bekannten zu verweilen. Die geschmackvoll eingerichteten Zimmer verstärken das heimische Gefühl. Wenn man sich dann abends bei einem Glas selbstgebranntem Schnaps und von der Hausherrin zubereiteten Krapfen den Gaumen verwöhnen lässt und die Beine von sich streckt, kann man sich dem Gefühl nicht mehr entziehen, dass die Zeit stehen geblieben ist.

Ein Energiebündel bewegt das Dorf

Doch sollte man sich der wohltuenden Ruhe entreißen, denn so manches Kleinod wartet in der Umgebung darauf, entdeckt zu werden. Ungarisch Zepling gehört zur Gemeinde Botsch/Batoș. In Botsch angekommen, nimmt man wie so oft die evangelische Kirche als Orientierungspunkt, um ins Dorfzentrum zu gelangen. Der Kirchturm überragt die gesamte Gemeinde, also findet man die Kirchenburg leicht. Auf dem Pfarrhof nimmt einen hier ein Energiebündel namens Ioana Göllner in Beschlag. Der Lockdown während der Pandemie hatte sie dazu bewegt, Hermannstadt/Sibiu zu verlassen und zurück an die Wurzeln in ihr Heimatdorf zu kehren – sowohl für Ioana wie auch für Botsch die richtige Entscheidung! „Als ich zurückkehrte, bedrückte mich der spärliche besuchte Gottesdienst und der Verfall an Kirche und Pfarrhaus.“ Mit ihrer Erfahrung in Jugendarbeit und Anleitung von Freiwilligen fühlte sie sich berufen. In ungefähr einem Jahr hatte sie die Kirche „zurück ins Dorf“ gebracht. Aber nicht mehr nur für die deutschstämmige Gemeinde, sondern für das gesamte multiethnische Dorf. Mittels eines Kinderprojekts öffnete sie die Tore der altehrwürdigen Mauern der Kirchenburg für alle Dorfbewohner. Der von ihr geleitete Verein übernahm das Pfarrhaus, welches nun saniert wird. Die Kirche, die sowohl gotische Elemente wie auch eine entscheidende Barockisierung im Inneren aufweist, soll auch in naher Zukunft mittels eines EU-Projekts in Höhe von fünf Millionen Euro saniert werden. Bedeutende Teile der heutigen Kirche stammen aus einer gotischen Kirche, deren erste Bauphase ins 14. Jh. zu datieren ist. Dafür sprechen die Seitenschiffe, die vermuten lassen, dass die Kirche ursprünglich eine Basilika war. Darüber hinaus wird bereits im Jahr 1332 erstmals ein Pfarrer in Botsch urkundlich erwähnt. Ioana, inzwischen zur Kuratorin der Gemeinde gewählt, erzählt, dass sich eine klare Änderungen im Gemeindeleben bemerkbar macht: „Neben den regelmäßigen Gottesdiensten, die inzwischen auch von Nicht-Evangelischen besucht werden, hatten wir in letzter Zeit sogar zwei Taufen und eine Trauung.“

Doch Ioana wäre nicht Ioana, wenn sie mit ihrer Energie nicht auch andere anstecken würde: So hat sie mit Unternehmern in der Region ein informelles Netzwerk aufgebaut, welches nicht nur das Dorfleben mitträgt, sondern auch für ein diversifiziertes Angebot für Besucher aktiviert werden kann. So haben sie in den letzten Jahren Gemeindefeste und einen Weihnachtsmarkt ins Leben gerufen. Über all dieses und ihre Zukunftsplänen, die sich über die gesamte Region erstrecken, erzählt Ioana Göllner gerne, darum sollte man für das Treffen mit ihr genügend Zeit einplanen.

Kulinarische Überraschungen

Vielleicht ist so manchem der Name Botsch schon begegnet, aber genau verorten konnte man ihn nicht. Oder aber war man beim Kauf von Apfelessig einfach nicht aufmerksam genug? Einer der bekanntesten Apfelessige in Rumänien wird jedenfalls hier hergestellt. In dem größeren der beiden Dorfläden findet man ein ganzes Regal mit Produkten aus der Region. Im Angebot auch der besagte Essig in erstaunlicher Vielfalt: klassisch oder auch mit Minze-, Pepperoni- oder Löwenzahngeschmack, aber auch als Balsamico.

Wo kann man einen Tag voller Eindrücke am besten ausklingen lassen, als bei einer Weinverkostung und einem ausgiebigen Mahl mitten auf einem Weingut. Der österreichische Architekt Alfred Michael Beck verwirklichte in Botsch seinen Traum, Hobby-Winzer zu werden und für Freunde und Bekannte selber Wein herzustellen. Doch in Kürze entwickelte sich das Hobby zu einem richtigen Unternehmen und so wurde ein neues Weingut aus der Wiege gehoben. Da in der Gegend Fledermäuse leben, wurde es nach ihnen benannt. Inzwischen ist für Weinkenner „Liliac“ (Fledermaus) längst ein Begriff. In Botsch werden 38 Hektar bebaut. Zum Gut gehören noch weitere 14 Hektar in Lechnitz/Lechința. Der Winzer setzt auf die traditionell-manuelle Betreibung des Weinguts, was wieder-um für Arbeitsplätze in der Region sorgt, aber auch entscheidend zur Weinqualität beiträgt. Das Angebot reicht von den typischen siebenbürgischen Weißweinen über Rose- und Rotweine bis hin zum Eiswein und Premium-Rotwein. „Die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre erlaiuben uns, für die Region früher untypische Rose- und Rotweinsorten anzubauen“ erklärt Tünde Papai, die durch die Weinverkostung führt. Oben auf dem Hügel, mitten im Weingut, mit einem wunderbaren Blick über die Weinberge, schmeckt der in der untergehenden Abendsonne getrunkene Wein irgendwie noch besser. Für Paare mit Sinn für Romantik wurde hier oben sogar eine Unterkunft eingerichtet.

Nach einem reichhaltigen, entschleunigten Frühstück in der „Casa Sânziana“ kann die kulinarische Entdeckungsreise weitergehen. Weilau/Uila liegt nur sieben Kilometer von Botsch entfernt. Die Gemeinde war früher als die einzige evangelische Roma-Gemeinde der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien bekannt. Fragt man in Botsch, was das besondere an Weilau ist, wird einem gesagt: „Dort hört die Straße auf.“ Aber hier in Weilau ist es die Bienenzucht der Familie Moldovan. Nach der Wende kaufte der Familienvater von der aufgelösten örtlichen staatlichen Bienenzucht ein paar Bienenvölker und so begann die Geschichte mit der Bienenzucht. Sohn Ioan diversifizierte in den letzten Jahren das Produktangebot, welches nun außer Honig auch Kosmetika und therapeutische Produkte auf Honigbasis wie auch Honigwein umfasst. Das besondere an der Bienenzucht der Familie Moldovan ist das einladende offene Tor und die ausgiebige Führung in die Welt der Bienen. Man erfährt alles über das Was und Wie im Umgang mit Bienen, über ihre farbliche Kennzeichnung, man lernt, wie man die Königin erkennt und welche Rolle jeder einzelnen Biene in dem Staatsgefüge des Stocks zukommt. Das gesamte Erlebnis wird mit einer Verkostung  in unmittelbarer Nähe der Bienenstöcke gekrönt. Mehr vom Konzept des „vom Hersteller direkt in den Teller“ kann man eigentlich nicht erleben. Das gesamte Angebot der Familie Moldovan findet man online unter www.honey-land.net.

Auch wenn sich die touristische Infrastruktur sicherlich noch im Aufbau befindet, lohnt es sich, sich auf den Weg zu machen um das Reener Ländchen zu entdecken. Auch wenn es nicht unbedingt mit geschichtsträchtigen Prunkbauten aufwarten kann, sorgen die Menschen, die größtenteils unberührte Landschaft und die kulinarischen Überraschungen für ein einzigartiges Erlebnis. Und man ist dort, wo die Fledermäuse leben, immer willkommen.