Wort zum Sonntag: Die Wundersalbe


Ein orientalisches Märchen erzählt von einem Mann, der eine Wundersalbe erfunden hatte. Wenn er sich diese Salbe auf die Augen strich, so verlieh sie ihm die Fähigkeit, Gold und Silber im Schoße der Erde zu entdecken. So konnte er leicht an diese Schätze herankommen. In kurzer Zeit wurde er ein steinreicher Mann. Das ist nur ein Märchen. Aber etwas Ähnliches wie dem Mann mit der Wundersalbe geschah am ersten Pfingstfest in Wirklichkeit, nicht im physischen, sondern im religiösen Bereich: Der Heilige Geist kam auf die Apostel herab. Die Wirkung war wie die einer Wundersalbe. Ihr geistiges Auge und das ihrer Zuhörer wurde erhellt. Sie sahen die geistigen Reichtümer, die Christus gebracht hatte und sie erkannten zugleich, dass diese ungleich wertvoller sind als alle irdischen Güter. Gold und Silber öffnen die Tür zu einem Leben des leiblichen Genusses.

In die vom Heiligen Geist ergriffenen Pfingstmenschen drang wie ein Feuerstrahl die beseligende Botschaft Christi: „Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ Sie erkannten in Christus die rettende Hand Gottes, die sich nach ihnen ausstreckt, um sie dem Untergang zu entreißen. Sie kamen sich wie aus großer Lebensgefahr Errettete vor.

Wo immer Gottes Heiliger Geist Menschen berührt, bewirkt er in ihrem Herzen eine segensreiche Umwertung der bisherigen Werte.

Zur Zeit des Kaisers Trajan lebte in Rom Flavia Domitilla, die Braut des reichen und hochgestellten Römers Aurelian. Als Heidin sah sie in ihrem schönen Leib den größten Wert. Deshalb verwandte sie viel Zeit auf die Schönheitspflege. Eines Tages sagte ihr Diener Nereus: „Herrin, würdest du ebenso viel Zeit auf deine Seele verwenden, um dich für deinen Bräutigam im Himmel schön zu machen, welche Seligkeit würde dir zuteil.“ Diese Worte machten sie nachdenklich. Sie ließ sich im Christentum unterrichten. Nun erkannte auch sie die geistigen Reichtümer Christi und ließ sich taufen. Was ihr bisher wertvoll war, erschien ihr nun als eitler Tand. Der Heilige Geist bewirkte die Umwertung der bisherigen Werte und nahm ihr sogar die Todesfurcht, als Aurelian sie als Christin anzeigte. Mit ihren Dienern Nereus und Achileus opferte Sie bereitwillig das kurze irdische für das ewige Leben.

Franz von Assisi war ein Leichtfuß, vertändelte mit den Freunden die Zeit, träumte von ritterlichen Waffentaten und gab das Geld des reichen Vaters mit vollen Händen aus. Eines Tages bestrich der Heilige Geist sein geistiges Auge mit seiner Wundersalbe. Auch bei ihm bewirkte sie die Umwertung der bisherigen Werte. Franz verließ die leichtsinnigen Freunde, verzichtete auf den Reichtum des Vaters und lebte von nun an in Armut wie einst Christus. Er wurde dabei kein Kopfhänger, sondern der fröhlichste Mensch. Geistiger Reichtum bringt das Herz zum Glühen, der materielle Reichtum macht es kalt und hart.

Ein mit Passagieren beladenes Dampfschiff war bis in die Nähe des Niagarawasserfalles gefahren. Alle wollten das großartige Naturschauspiel erleben. Nun fuhr es stromaufwärts dem Reiseausgang zu. Plötzlich malte sich Entsetzen auf den Gesichtern der Fahrgäste. Was war geschehen? Der Maschinist hatte es versäumt, die Kessel des Schiffes rechtzeitig aufzuheizen. Nun fehlte dem Ausflüglerschiff die nötige Dampfkraft, um der starken Strömung Herr zu werden. Schnell wurden große Mengen Kohle nachgeschüttet. Doch ihre Heizkraft entwickelte sich in dieser gefahrvollen Lage viel zu langsam. Das Schiff begann rückwärts zu treiben, dem unheimlichen Wasserfall zu. Schon hörte man das Brausen des tosenden Wassers. Auf dem Schiff brach Panik aus, die Ausflügler gaben sich verloren. Im letzten Augenblick fiel dem Kapitän ein, dass ein großer Vorrat an Öl vorhanden sei. Er ließ sofort das ganze Öl ins Feuer schütten. Die Flammen loderten mächtig auf, der Dampf entwickelte doppelte Stärke, die Schiffsräder griffen mit neuer Kraft in die Wellen. Schiff und Fahrgäste waren gerettet.

Auch wir sind der starken Strömung der unlauteren Leidenschaften und Triebe ausgesetzt. Unsere schwache Willenskraft reicht nicht aus, um die Strömung zu überwinden. Erst das Salböl des Hl.Geistes gibt die notwendige Gnadenkraft, um der Strömung der Leidenschaften zu widerstehen und erfolgreich gegen den Strom zu schwimmen. Bitten wir um die Pfingstwundersalbe und um das Öl der Gnadenkraft, damit wir die wahre Rangordnung der Werte erkennen und das Böse überwinden können.