Wort zum Sonntag: Eine geöffnete Tür


Nicht weit von meinem Wohnort entfernt liegt die malerische Stadt Meißen, die älteste Stadt Sachsens. Hoch oben über der Elbe erhebt sich die Albrechtsburg mit dem Meißner Dom. Daneben befindet sich der Klosterhof St. Afra. Dieser ist heute die Tagungsstätte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Vor der Wende von 1989 wurde der Klosterhof als Hochschule für Landwirtschaft genutzt, bevor er dann von der Kirche übernommen wurde. 

In sozialistischer Zeit war der Kreuzgang eine Gaststätte der Hochschule. Die Tür zur direkt benachbarten St. Afra-Kirche wurde zugemauert. Staat und Kirche sollten hier an dieser Stelle keine Verbindung haben. Die Studenten sollten nicht einfach von ihrer Hochschule aus in eine Kirche gehen können.
Als unsere Landeskirche 1990 die Verantwortung für den Klosterhof übernahm und die Gebäude umfangreich sanierte, wurde auch die zugemauerte Tür geöffnet. Es war ein sehr bewegender Moment, als die Mitarbeiter, die Bauleute, die Leiter der Einrichtung erstmals durch die neu geöffnete Tür gingen, vom Kreuzgang hinein in die Kirche. 

Es war wie ein Aufatmen: Es gibt wieder einen Zugang. Das Trennende ist eingerissen. Wir können durch die Tür gehen. Für uns war dies ein hoffnungsvolles Zeichen, geradezu ein Symbol für die neuen Möglichkeiten, die uns Gott für unsere Kirche nach der friedlichen Revolution geschenkt hat. 
Wer heute durch diese Tür tritt, kann in Bronze gegossen ein Wort aus der Offenbarung des Johannes lesen: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen.“ (Offb. 3,8)

Dieses Bibelwort ist an die kleine christliche Gemeinde in Philadelphia gerichtet, ein Ort in der heutigen Türkei. In der Zeit der Christenverfolgung durch Kaiser Domitian am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus hat sich diese Gemeinde mutig zu ihrem Glauben bekannt und das Evangelium verkündigt. 
Die Christen an diesem Ort zogen sich nicht zurück. Sie haben ihren Glauben trotz der Gefahr, gefangen genommen zu werden, bezeugt. Und Gott hat ihnen für dieses Zeugnis eine Tür aufgetan. Sie haben die Menschen erreicht. Sie waren als Christen im Kontakt mit anderen.

Gott sei Dank erleben wir in unseren Breiten keine Christenverfolgung mehr. Und auch die Bedrängnisse, wie wir sie aus kommunistischer Zeit kannten, sind überwunden. Dennoch gibt es Sorgen um die Zukunft, auch in unseren Kirchen, in Rumänien wie in Deutschland. Meine Frau und ich sind in diesem Sommer zu einem Einsatz in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. 

Ich halte Gottesdienste und Andachten. Meine Frau ist in der Arbeit mit Kindern engagiert. Wir begegnen vielen Menschen und kommen mit ihnen ins Gespräch. Da hören wir von den Sorgen, die Menschen umtreiben: Wie wird es weitergehen mit der deutschen Minderheit? Welche Gemeinden werden Bestand haben? Was wird aus meiner Familie? Das sind Fragen, die jeden auf ganz persönliche Weise umtreiben. 

Wir erleben aber auch viel Hoffnungsvolles. Mit Freude nehmen wir wahr, wie sich Türen öffnen, zum Beispiel bei den Kinderbibeltagen, die wir in Mediasch und in Hammersdorf/Gu{teri]a miterleben konnten. Da tun sich Türen auf für Kinder und Eltern. Da wird der christliche Glaube, das Evangelium von Jesus Christus weitergetragen. 

Und das ist die Perspektive, die gute Aussicht und die Hoffnung: Lasst uns dem lebendigen Gott trauen. Er öffnet uns Türen, die wir dann auch mutig durchschreiten sollen. Nehmen wir diese Zusage als Verheißung für unser Leben, für unsere Familien, für unsere Kirchen: Siehe ich habe eine Tür vor dir aufgetan, und niemand kann sie zuschließen.


Friedemann Oehme war von 2003 bis 2024 Referent für ökumenische Beziehungen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens und damit auch für die Partnerschaft mit der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien verantwortlich.