Der bekannte Schriftsteller Mario von Simmel schrieb Bestseller-Romane. Einer dieser Romane trägt den Titel: „Hurra, wir leben noch!“ Wir stimmen in diesen Jubelruf begeistert mit ein, denn wir freuen uns, dass wir noch leben. Denn beim Verlust des Lebens verliert man gleichzeitig allen Besitz und die Hoffnungen und Wünsche werden zusammen mit dem Leichnam zu Grabe getragen. Welchen Wert hat unser Leben eigentlich? Viele sehen in ihm nur ein offenes Tor, das zum Genießen einlädt. Daher ihr Slogan: „Genießen wir das Leben, denn bald sind wir tot!“ Nach dieser geradezu heidnischen Lebensauffassung wird das Leben zur bloßen Konsumware degradiert. Dann aber hat das Leben für Menschen, die es nicht genießen können, sei es aus Armut, Krankheit oder seelischem Leid, jeden Wert verloren. Der hl. Franz von Sales bewertet das Leben ganz anders: „Das Leben ist kurz, aber doch von unendlichem Wert, denn es birgt den Keim der Ewigkeit in sich. Selig der Mensch, der den Sinn dieser Wahrheit versteht.“ Der Wert des Lebens wird noch dadurch gesteigert, dass es für jeden Menschen ein einmaliges und unwiederholbares Geschehnis ist. Das wollen manche nicht wahrhaben. Zu diesen gehört der deutsche Anthroposoph Rudolf Steiner (+1925). Er inspirierte sich bei der hinduistischen Lehre von der Seelenwanderung und Wiederverkörperung. Nach ihm ist das Ziel des menschlichen Lebens das Eingehen in das Nirwana, das aber nur der „Geistmensch“ erreicht. Weil aber ein einziges Erdenleben nicht genügt, dieses Ziel zu erreichen, muss sich der Mensch mehrmals wiederverkörpern.
Christus hat uns gerade das Gegenteil gelehrt: Die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des irdischen Lebens. Deshalb fordert er uns auf, durch die enge Tür einzutreten. Hat der Hausherr sie verschlossen, dann klopfen wir umsonst an. Er mahnt uns, solange es Tag ist, die Werke Gottes zu vollbringen, denn es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann. Sein einzigartiger Ausspruch lautet: „So sehr liebte Gott die Menschen, dass er seinen einzigen Sohn hergab.“ Dieser Sohn hat sein Leben und Blut am Kreuz für unser ewiges Heil geopfert. Diese Absicht hat er beim letzten Abendmahle, als er seinen Aposteln den Kelch zum Trinken reichte, feierlich verkündet: „Trinkt alle daraus, das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Wenn Rudolf Steiner recht hätte, wäre Christus umsonst für uns gestorben. Und er, der gesagt hat: „Mein Wort ist Wahrheit“, stände als Irrlehrer da.
Es ist gar nicht notwendig, dass wir im Laufe von Jahrtausenden Wiederverkörperungen durchmachen müssen. Um in die ewige Gemeinschaft mit Gott zu gelangen, genügt ein einmaliges Erdenleben. Wir können bereits in diesem Leben unsere Fehler korrigieren und das Sakrament der Buße löscht unsere Sünden aus wie der Computer unnötige Texte. Das Wort, das Christus am Kreuz zum reumütigen Schächer sprach: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein“, widerlegt endgültig die Lehre von der Reinkarnation und dem unerbittlichen Karma-Gesetz.
Nutzen wir die kurze Lebenszeit, um den Keim der Ewigkeit zum Lebensbaum zu entwickeln. Ansonsten ergeht es uns wie der Indianerjungfrau. Die Sage erzählt: Der Große Geist führte eine schöne Jungfrau auf ein Ährenfeld und sprach: „Wer hier Ähren pflückt, dem werden sie zum Talisman, der umso wirksamer ist, je größer und schöner die gepflückten Ähren sind. Du darfst nur einmal durchs Ährenfeld gehen und keinen Schritt zurück machen.“ Sie ging durchs Feld, pflückte nicht, weil sie auf größere Ähren hoffte. So kam sie ans Ende mit leeren Händen. Suchen wir das „große Glück“ nicht auf dem Ährenfeld der Erde. Solche Ähren finden wir nicht. Pflücken wir die kleinen Ähren des Dienstes an Gott und den Mitmenschen. Am Ende haben wir einen schönen Ährenstrauß und dürfen den Jubelruf ausstoßen: „Hurra, wir leben ewig!“