Nach dem Prinzip „Was statistisch nicht erfasst ist, das gibt es nicht” schweigen die rumänischen Behörden über das Ausmaß und die Folgen der Umweltverschmutzung am linken Donauufer, dort, wo der rumänische Staat dafür sorgen müsste, dass die Abraumlager des stillgelegten Erzanreicherungswerks SC Moldomin SA Moldova Nouă gesichert werden – indem man sie zumindest regelmäßig wässert. Seit die beiden Kronenteiche der wie Sand aussehenden, mit hochgiftigen Substanzen versetzten Staube nicht mehr gewässert werden, verstreut der heftige lokale Wind am Ausgang der Donauklamm, „Coşava” genannt, den Giftstaub über Dutzende Quadratkilometer an beiden, dem rumänischen und dem serbischen Donauufer, mal stromauf-, dann wieder stromabwärts. Und vergiftet Gewässer und Trinkwasser, Gemüsegärten und Getreidefelder. Und die Atemluft. Nach jüngsten Feldbegehungen, Nachfragen und summarischen Untersuchungen kamen die Umweltschützer beider Länder zu dem verallgemeinernden Schluss: „Die Donau am Eisernen Tor ist krank.”
Zink als Krebsauslöser
Das Rathaus der Kleinstadt Veliko Gradiste, fast genau gegenüber den Abraumlagerstätten des früheren Kupfererz-Anreicherungswerks von Neumoldowa gelegen, veröffentlichte eine Studie zur Krebshäufigkeit am rechten Donauufer im Raum des Eingangs zum Donauengpass Eisernes Tor/Djerdapp. Darin wird die Hypothese vertreten, dass das Zink, das im Abraumstaub enthalten ist, der von der „Co{ava” aufgewirbelt wird, der Hauptverursacher des 60-prozentigen Ansteigens der Zahl der Krebserkrankungen im Großraum Veliko Gradiste in den vergangenen acht Jahren ist.
Es kann kein Zufall sein, wird in der Studie, die von der Orawitzaer Umweltschutzorganisation GEC Nera zitiert wird, logisch schlussgefolgert, dass der Anstieg der Zahl der Krebserkrankungen binnen der vergangenen acht Jahre zeitgleich mit dem Einstellen des Betriebs des Erzanreicherungswerks Moldomin und der damit verbundenen ausbleibenden Wässerung der Kronenteiche der Abraumlagerstätte „Tăuşani” begonnen hat. Die steigende Zahl der Krebserkrankungen muss auch mit einem Akkumulationseffekt verbunden sein, vermuten die Autoren der vom Rathaus Veliko Gradiste in Auftrag gegebenen Studie. Sie berufen sich auf international anerkannte Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Zinkbelastung von Luft, Wasser, Erdkruste/Ackerland und der Häufigkeit bestimmter Krebserkrankungen – am häufigsten Leber- und Dickdarmkrebs, genau wie im Raum Veliko Gradiste festgestellt – in zinkbelasteten Räumen.
Umweltschützer schalteten als Erste
Die Studie wurde nicht nur den Umweltschutzverbänden beider Länder zur Verfügung gestellt, die an der mittleren Donau aktiv sind, sondern auch den mit dem Umweltschutz beauftragten Institutionen beider Länder, den zuständigen und verantwortlichen Ministerien (im Falle Rumäniens das Ministerium für Umweltschutz und Klimawandel, das Wirtschafts- und Industrieministerium – das faktisch der Besitzer der Industrieruine am linken Donauufer ist) sowie dem einschlägigen Fachausschuss des EU-Parlaments. Die Ökologengruppe für Zusammenarbeit (GEC) Nera war die erste, die reagiert hat und Gesinnungskollegen aus Serbien zu gemeinsamen Feldbegehungen am linken Donauufer einlud, an denen sich sehr viele Jugendliche beteiligt haben. Dem Monitoring unterzogen wurde nicht nur der unmittelbar benachbarte Raum der beiden ehemaligen Klärteiche, sondern insgesamt die Aktivitäten der Menschen am rumänischen Donauufer, die einen negativen Einfluss ausüben können auf die Qualität von Wasser, Luft und Böden. Und des Stroms. Die Umweltschützer konzentrierten sich dabei auf den Sonderschutzraum des Naturparks Eisernes Tor, das erste grenzüberschreitende serbisch-rumänische Naturschutzgebiet.
Sie führten viele Befragungen unter der Bevölkerung durch. Ihr Befund: Der von den Abraumhalden aufgewirbelte Staub liegt sehr häufig in der Luft, „mindestens einmal wöchentlich”, sagten die Bewohner aus, und nicht nur die Bevölkerung sei davon schwer betroffen, sondern auch ihr Trinkwasser (hier wird meist Wasser aus Brunnen getrunken und die Haustiere damit getränkt), die Hausgärten (mit allem hier gezüchteten Gemüse und Obst) und die Felder, praktisch alles, was am rumänischen Donauufer liegt.
Hausgemachte Fischarmut im Donaustausee
Die Umweltschützer besuchten und befragten auch Mitarbeiter in jedem Rathaus 50 Kilometer stromauf und stromab der Abraumlager sowie einen Großteil der noch 140 vom Fischfang lebenden rumänischen Donaufischer in den Ortschaften am linken Donauufer. Ihr Befund: Die Zahl der Fische, vor allem der für ihren Rogen/Kaviar begehrten Knorpelfische, aber auch der als Speisefische begehrten Raubfische Hecht, Waller und Zander, geht im Donaustausee Eisernes Tor I alarmierend zurück. Doch das ist – so die allgemeine Auffassung – auch eine Folge der Tatsache, dass der Staudamm, stromabwärts von Orschowa gelegen, mit keinen Anlagen versehen ist, welche die Migration der Knorpelfische zu ihren Laichgebieten im Bereich der Donaukessel „Cazanele” ermöglichen würden. Diese Zusatzbauten für die Transitwege der Fische sind in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als man den Staudamm und das Projekt des rumänisch-jugoslawischen Wasserkraftwerks entwarf, aus Kostengründen gestrichen worden. An den rein ökonomischen Folgen dieser Kürzung leiden die Donaufischer bis heute. Abgesehen davon, dass etwa der Hausen und der Stör zu ganz seltenen Fischen im Donaustausee Eisernes Tor I geworden sind. Die Umweltschützer vertreten die Meinung, dass sowohl Rumänien als auch Serbien sich der EU-Rahmendirektive für Wasser, als auch der Donau-Entwicklungsstrategie 2009-2014 dringend beugen müssten und an die nachträgliche Planung der als absolut notwendig angesehenen Anlagen für den Transit der Fische schreiten müssten, zumal beide Länder gegenwärtig aus dem elektrischen Strom, den sie am Eisernen Tor gewinnen, satte Profite herausschlagen.
Nicht zuletzt muss endlich durchgesetzt werden, dass die regelmäßige Grundentleerung des Donaustausees nicht ausgerechnet in der Laich- und Schonzeit der Fische passiert, wie seit Jahrzehnten üblich. Nicht zuletzt: Die staatlich geregelten Schonzeiten müssten von Rumänien und Serbien endlich aufeinander abgestimmt werden, damit die rumänischen Fischer nicht am Ufer sitzen und zusehen müssen, wie die Serben ihre Netze leeren, und umgekehrt...
Einmal mehr kritisieren die Umweltschützer die Bauten und Baupläne der Gemeinden Berzasca und Sviniţa, die den überfluteten Uferbereich des Donaustausees in Besitz nehmen. Das stehe im Widerspruch zum Gesetz der fließenden Gewässer, sei also illegal. Und in diesem Kontext bringen die Umweltschützer noch einmal die Frage des Nera-Deltas im Weichbild der Gemeinde Socol/Sokolarac aufs Tapet. Die „Balta Nera” im Golf von Basiasch sei einer der am stärksten verschmutzten Räume durch PET-Flaschen aus ganz Europa. Wenn man davon ausgehen muss, dass solcherart Umweltverschmutzung eine Frage der Erziehung, also der Zeit ist, so ist die Finanzierung von periodischen Säuberungsarbeiten etwas Elementares, denn sich allein auf die Aktivitäten von Freiwilligen zu verlassen, wie die staatlichen Umweltschutzbehörden es praktizieren, das sei „zynisch”, meinen die Volontäre. Zumal es im Sonderschutzgebiet Divici-Pojejena wegen einem anhaltenden Bauboom zu immer massiveren wilden Ablagerungen von Bauschutt kommt, auch im Donaubett, von Land aus gesehen hinter dem Damm – die beim besten Willen von Schülern und Studenten nicht entfernt werden können. Das rumänisch-serbische Umweltschutzprojekt „Watchdog and Advocacy”, dessen Initiator GEC Nera ist, wird weitergeführt.