Nur noch zehn Wochen bis Weihnachten. Die Einkaufszentren in Temeswar/ Timi{oara haben sich schon auf Weihnachten gerüstet und meine Kinder zählen die Tage, als hinge das ganze Glück des Winters von einem Datum ab. „Mama, wann fliegen wir zum Weihnachtsmann?“, fragt meine Tochter jeden Abend, während mein Sohn mit dem Finger auf der Landkarte den Norden sucht. Ich zeige auf ein winziges Wort, weit oben im Weiß: Kittilä. Dort, sage ich, wohnt der Winter.
In Rumänien sind die Reisen zum Weihnachtsmann in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Sobald der Winter naht, werben Influencer in den sozialen Medien für organisierte Touren nach Lappland, mitten in die Stille der arktischen Nacht. Mehrere rumänische Reisegesellschaften, darunter Christian Tour und Ultramarin, bieten solche Familienreisen von Bukarest, Temeswar oder Klausenburg/Cluj-Napoca direkt nach Kittilä in Finnland an. Vier Nächte, Thermokleidung inklusive, Vollpension, Schneeschlitten, Weihnachtsmannbesuch. Der Preis beginnt bei rund über 1400 Euro pro Person – in der Hochsaison etwas mehr. Es ist kein günstiger Ausflug, aber einer, der verspricht, dass man das Kind in sich wiederfindet – irgendwo zwischen Eis, Sternen und dem Glauben an Wunder. Für Kinder ist die Reise nach Lappland ein einmaliges Erlebnis, doch auch „große Kinder“, sprich: Erwachsene, kommen dort auf ihre Kosten. Die Flüge mit Animawings von Temeswar aus sind komplett ausverkauft, lediglich für den Flug am 10. Dezember (Rückflug: 14. Dezember) gibt es noch Plätze – für den Fall, dass man die Reise zum Weihnachtsmann selbst organisieren möchten.
Ankunft im hohen Norden
Der Flug von Bukarest nach Kittilä in Finnland dauert rund vier Stunden. Sobald die Reisenden durch die Wolken stoßen, sehen sie nichts als Weiß: gefrorene Flüsse, schwarze Tannen, weite, unberührte Landschaft. Es ist kurz nach Mittag, doch die Sonne hängt schon tief. Hier, nördlich des Polarkreises, bleibt das Licht nur wenige Stunden. Der Wind schneidet ins Gesicht, als die rumänischen Touristen aus dem Flugzeug steigen. Ein freundlicher Reiseleiter begrüßt sie, verteilt dicke Overalls und sagt lächelnd: „Ihr werdet sie brauchen.“
Kittilä liegt rund 170 Kilometer nördlich des Polarkreises. Es ist ein kleiner Ort, der im Winter fast vollständig im Schnee versinkt. Die Landschaft wirkt wie eine Illustration aus einem alten Märchenbuch – Tannen, die unter der Last des Schnees gebeugt sind, Stille, so dicht, dass man sie zu hören glaubt. Das Ziel der Reisenden ist Levi, ein Wintersportort etwa dreißig Minuten entfernt. Während der Bus durch die Dämmerung rollt, pressen die Kinder die Nasen ans Fenster. Sogar der internationale Fußballstar Ronaldo verbrachte die Winterferien 2024 in Lappland – zur Freude seiner Kinder, die natürlich auch den Weihnachtsmann treffen durften.
Das Hotel in Levi ist aus hellem Holz gebaut, warm und einladend, mit großen Fenstern und einem Restaurant, das nach Lachs, Wacholder und Holzrauch duftet. Im Eingangsbereich hängen nasse Fäustlinge neben Rentierfellen, stumme Zeugen der Kälte draußen. Alles ist ruhig – keine Autogeräusche, keine Musik, nur das gedämpfte Knirschen des Schnees unter den Schuhen der Gäste. Am Abend wagen sich die Gäste hinaus in die Dunkelheit. Über den Baumwipfeln tanzt ein grüner Schleier: die Aurora Borealis, ein magisches Schauspiel, das den Himmel über Levi erstrahlen lässt.
Rentiere, Huskys und Nordlichtjagd
Die Tage in Lappland sind kurz, aber voller Erlebnisse. Der Reiseplan ist eng, doch gut getaktet: morgens eine Fahrt mit dem Rentierschlitten, nachmittags eine Husky-Safari, abends Schneemobil oder Polarlichtsuche. Trotz der Kälte – minus 15 Grad – strahlt jede Minute etwas Beruhigendes aus. Vielleicht, weil alles so einfach ist: Schnee, Atem, Stille. Zwischendurch entspannen die Touristen im Hotel. Die Hotels sind mit Saunas versehen – bei der Kälte draußen ein wahres Paradies.
Einige Gäste tauchen nach dem Schwitzen mutig ins Eiswasser draußen, direkt in zugefrorene Seen. Sogar Ronaldo soll einmal in Finnland im Eis gebadet haben, wird im Hotel erzählt, während die Besucher ihre warmen Handtücher um die Schultern legen. Das Video vom Eisbaden des Fußballstars steht als Beweis in den sozialen Netzwerken.
Bei der Rentierschlittenfahrt ziehen die Tiere die Mitfahrer gemächlich durch den verschneiten Wald. Ihr Atem dampft, das Leder der Geschirre knarrt. Die Kinder sind einfach nur glücklich, denn Rudolf live zu erleben ist nichts Alltägliches.
Am nächsten Tag: Husky-Schlittenfahrt. Die Hunde bellen, die Luft riecht nach Schnee und Energie. Sobald die Bremse gelöst ist, rasen die Schlitten los, über zugefrorene Seen, zwischen Bäumen hindurch, das Gesicht prickelnd vor Kälte. Die Kinder schreien vor Freude. Es ist ein Sprung in eine Welt, die so ursprünglich wirkt, dass man für einen Augenblick glaubt, Zeit sei nur eine Erfindung.
Die Jagd nach dem Licht
Am Abend steht die Jagd nach dem Nordlicht auf dem Programm. Die Reisenden, die dafür keine eigene Ausfahrt im Voraus gebucht haben, starten einfach die App AuroraAlert, die meldet, wenn die Magnetfelder günstig stehen. Vielleicht sollte man sich diesen Insider-Tipp zu Herzen nehmen, denn beim Planen der Ausfahrt zum Nordlicht ist es nicht garantiert, dass sich dieses auch blicken lässt. Die Touristen, die sich auf AuroraAlert verlassen, wandern dann einfach hinaus aus dem Ort, bis keine Lichter mehr stören. Dann warten sie. Der Schnee knirscht, der Atem friert an den Wimpern. Und dann, ganz plötzlich, ist sie da – eine grüne Welle, die sich über den Himmel legt, violette Schleier, die sich wie Rauch bewegen. Niemand spricht.
Sogar die Kinder sind still. Es ist, als würde man etwas sehen, das für uns gar nicht bestimmt ist, und doch wissen wir, dass es echt ist.
Besuch beim Weihnachtsmann
Natürlich gehört auch der Besuch beim Weihnachtsmann zu einer gelungenen Lappland-Reise. Doch die Touristen aus Rumänien fahren nicht nach Rovaniemi, dem offiziellen „Weihnachtsdorf“, das längst zum Touristenzirkus geworden ist.
Stattdessen geht es zu einer kleinen Hütte mitten im Wald bei Kittilä. Der Schnee glitzert im Licht der Laternen, und als die Tür aufgeht, steht er da – groß, mit echtem Bart, und einem Blick, der Kinderherzen sofort beruhigt. „Bun˛ ziua, copii!“ sagt er auf Rumänisch, und die Kinder starren ihn an, als sei er ihren Träumen entsprungen. Sie erzählen ihm von ihren Wünschen – Lego, ein Teleskop, Computerspiele – und die Eltern sehen, wie sie glauben wollen, weil es schön ist, zu glauben.
Draußen fällt Schnee. Leise wirbelt er durch die Luft, deckt Dächer und Bäume mit einem weichen, weißen Mantel und verwandelt die Landschaft in eine stille, glitzernde Welt.
Geduld lernen in der Kälte
An einem der letzten Tage steht Eisangeln auf dem Programm. Die Touristen bohren Löcher in einen zugefrorenen See, setzen sich auf kleine Hocker, und der Wind pfeift über die Fläche. Die Kinder lachen über die Eisstücke, die in die Luft springen.
Jemand fängt einen winzigen Fisch, aber der Reiseführer lobt ihn: „Heute habt ihr mehr Glück als viele andere.“ Danach gibt es heißen Tee und die Finger tauen langsam wieder auf. Lappland zwingt einen zur Langsamkeit. Hier kann man nichts erzwingen: kein Nordlicht, keinen Fang, keine Sonne. Alles geschieht, wenn die Zeit reif ist. Vielleicht ist das das Geheimnis des Nordens.
Der Preis der Magie
Natürlich hat dieser Zauber seinen Preis. Für vier Nächte mit Direktflug ab Temeswar, Bukarest oder Klausenburg, Unterkunft, Verpflegung, Thermokleidung und Ausflügen, zahlt eine Familie rund 4400 Euro – je nach Hotel und Programm. Die rumänischen Reisegesellschaften bieten auch in diesem Jahr wieder Reisen an, zwischen dem 28. November und dem 3. Januar 2026, mit neuen Varianten wie „Nordlicht-Jagd“ oder „Arctic Adventure“, ab etwa 1629 Euro pro Person. Geflogen wird weiterhin mit einem von Animawings abgefertigten Charterflug direkt nach Kittilä, was die Reise besonders familienfreundlich macht. Kein Umsteigen, keine Wartezeiten, nur ein Sprung ins Eis.
Rückkehr ins Licht
Als die Reisenden nach vier Tagen wieder aufbrechen, ist der Himmel milchig blau. Im Flugzeug schlafen die Kinder, erschöpft und glücklich. Das Weiß der finnischen Landschaft verschwindet allmählich. Viele Touristen sind nachdenklich, teilweise sogar müde – wie nach einem Urlaub mit Kindern eben. Sie erinnern sich an die grünen Flammen am Himmel, an die Rentiere, an die Stille. Lappland ist kein Ort, den man einfach besucht. Es ist ein Zustand, in den man eintritt – zwischen Kälte und Licht, zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Kindheit und Erwachsensein.
Ein Jahr später, wenn in Rumänien die Weihnachtslichter angehen, sitzen die Kinder wieder am Fenster, zählen die Tage und träumen vom Schnee. Sie hören das Knirschen unter ihren Stiefeln, als hätten sie es nie vergessen, und manchmal, in besonders klaren Nächten, scheinen die Sterne über der Stadt kurz grünlich zu flimmern. Die Eltern lächeln, weil sie wissen, dass ein Stück Lappland bei ihnen geblieben ist – in ihren Herzen, in den Erinnerungen an Rentiere, Huskys und das leuchtende Nordlicht. Bald schon werden andere Kinder mit ihren Eltern Kittilä ansteuern, bereit, in die stille, magische Welt einzutauchen, in der die Zeit langsamer läuft und das Wunderbare fast greifbar scheint.







