Es dürfte auf dem blauen Planeten wenige Kulturen geben, die, wie die rumänische, so viele Begriffe nutzt um Bestechungsgelder zu umschreiben: „mit²“, „{pag²“, „aten]ie“, „tax²“, „pe{che{“, “para-n-d²r²t“, „contribu]ie“ u.v.m. Wer einmal in Rumänien von einem Weg zu staatlichen Einrichtungen auch nur Wind bekommen hat, hat mit Sicherheit auch einen dieser Begriffe gehört. Eine Studie der EU, die um den Beitritt des Donau-Karpaten-Landes zur besagten Allianz erstellt wurde, hält sogar fest, dass Bestechungsgelder in Rumänien eine kulturelle Komponente darstellen und Teil des kollektiven Bewusstseins sind. Schlussfolgernd kann man daher mit hoher Wahrscheinlichkeit behaupten, dass Adam und Eva keine Rumänen waren. Wären sie das gewesen, hätten sie einen Weg gefunden, der Leitung des Obstgartens ihr Dasein als Nudisten weiterhin schmackhaft zu machen und hätten das Aufheben der Aufenthaltsgenehmigung im betreffendem Garten vermieden.
Und trotzdem bedurfte es der Kündigung von Drago{ Anastasiu, eines der fünf Vize-Premiers der Bolojan-Regierung, dass uns beigebracht wird, dass Bestechungsgelder in zwei Kategorien eingeteilt werden können: Es gibt Bestechungsgelder, die der eigenen Bereicherung dienen und es gibt Bestechungsgelder, die das Überleben sichern. Natürlich hat das Ex-Regierungsmitglied über acht Jahre eine Vertreterin des rumänischen Finanzamtes nur bestochen, um sein armseliges Überleben zu sichern.
Zu diesem Bekenntnis gezwungen, hat er zugleich die rumänische Gesellschaft gespalten. Einerseits finden wir die Anastasiu-Versteher: Er hat nur das gemacht, was er machen musste, um sein Unternehmen am Leben zu halten. Beweis dafür ist sein Erfolg als Unternehmer (siehe der Verkauf seines Tourismus-Unternehmens an die REWE-Gruppe). Dieses zeugt wiederum von seinen Kompetenzen, die ihn für seinen Auftrag innerhalb der Regierung qualifizieren: die wirtschaftliche Umgestaltung des rumänischen Staatsapparates. Dabei hat er aber das Hornissennest des Systems aufgestachelt und dieses hat Mittel und Wege gefunden, ihm einen Strick um den Hals zu legen. Für seine beispielhafte ethische Haltung stünde seine eigene Kündigung, die in rumänischen politischen Kreisen als Kuriosum betrachtet werden kann.
Auf der anderen Frontlinie finden wir seine Anfechter: Wenn er schon so korrupt ist, ist dieses nur ein weiterer Beweis für die systemische Korruption der rumänischen Politik, was eigentlich die Kündigung der gesamten Regierung verlangt. Er ist das Aushängeschild, das zeigt, dass immer dieselben an den Hebeln der Macht bleiben, die dieses Land nur für ihr eigenes Wohl wie Blutegel aussaugen.
Dann gibt es noch eine dritte Kategorie rumänischer Bürger: Es sind diejenigen, die nach dem Prinzip leben und wählen: „A furat, dar a și făcut câte ceva.“ Man könnte das so umschreiben: Er hat zwar gestohlen, aber hat dabei auch etwas für das Allgemeinwohl getan. Ein unerklärliches Paradox, das zum Beispiel auch dazu geführt hat, dass in einer rumänischen Kreishauptstadt ein sich wegen Korruption in Untersuchungshaft befindender Bürgermeisterkandidat, von hinter schwedischen Gardinen die Wahlen mit über achtzig Prozent für sich entscheiden konnte.
Den Tränen nahe, ein Moment der an den Drag²-Stolo-Auftritt von Ex-Präsident B²sescu erinnerte, erklärte Anastasiu in der seiner Kündigung gewidmeten Pressekonferenz dem Volk die Grauschattierungen der Bestechungsgelder. Man konnte regelrecht spüren, wie er über die gesamte Zeitspanne des Bestechungsverfahrens nichts anderes als sein nacktes Überleben vor Augen hatte.
Auf die Frage, welches die Folgen für den rumänischen Staat wären, wenn sich alle Unternehmer wie er verhalten würden, musste Anastasiu am Ende doch noch einräumen: eine unvermeidliche Katastrophe. Nun aber kann er der Politik den Rücken kehren und weiterhin überleben.